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Game-Klassiker "Shadow of the Colossus"
Visuell überwältigend

Das japanische Spiel Shadow of the Colossus gilt unter Kritikern nicht nur als Meilenstein unter den Computerspielen, für viele Fans ist es ein echtes Kunstwerk. Nach zwölf Jahren ist jetzt ein Remake erschienen. Die Neuauflage ist meditativ, moralisch komplex - und grafisch genial.

Von Kai Löffler | 07.02.2018
    Fachbesucher testen am 17.08.2016 in Köln (Nordrhein-Westfalen) auf der Spielemesse Gamescom Computerspiele.
    Eintauchen in digitale Sehnsuchtswelten: Das Remake von Shadow of the Colossus überzeugt in HD-Optik (dpa/picture alliance - Oliver Berg)
    Am Anfang von Shadow of the Colossus hat der junge Held schon eine beschwerliche Reise hinter sich: Über schmale Bergpfade, durch dichte Wälder und über eine Brücke, die sich fast so weit erstreckt, wie das Auge sehen kann. Am Ende liegt ein verzaubertes Land, und in ihm die einzige Chance, seine Geliebte von den Toten zurückzubringen.
    "Das Epische daran, diese Größe, die Weite..."
    Professor Björn Bartholdy vom Cologne Game Lab:
    "... dieses Sterben, das Inszenieren, die Musik, also das ist ja schon quasi in der Wagner-Liga angesiedelt."
    Das Spiel gilt heute als Meilenstein, und das, obwohl Shadow of the Colossus damals vor 12 Jahren kein Verkaufsschlager war. Björn Bartholdy:
    "Aber die Kritiker haben sich in das Spiel verliebt, und auch die Spieleentwickler lieben dieses Spiel. Es ist für uns ein Referenztitel, auf den wir immer wieder schauen, weil er gewisse Dinge zu einem Zeitpunkt vorgemacht hat, als das einfach noch nicht Usus war im Kontext digitaler Spiele. Und insofern, glaub ich, ist es immer so ein Sehnsuchtsort gewesen, zu dem die Spielerinnen und Spieler, aber auch die Entwickler zurückkehren wollten. "
    Sehnsuchtsort einsame Wildnis
    Dieser Sehnsuchtsort ist eine gewaltige, karge und einsame Wildnis, eine selbst nach heutigen Maßstäben große Spielewelt. In deren Schluchten, Höhlen, Wüsten und Ruinen alter Zivilisationen kann sich der Spieler stundenlang verlieren. Vor allem aber soll er 16 majestätische Kolosse erlegen, 20 oder sogar 40 Meter große Steinriesen, im Austausch gegen das Leben der Geliebten.
    "Es gab zu dem Zeitpunkt natürlich auch schon andere Geschichten erzählende Spiele, aber das war irgendwo auch eine erwachsene Geschichte, die ja sehr ambivalent ist. Es gibt diese heroischen Momente, aber es gibt fast depressive Momente auch."
    Visuelles Meisterstück: das Remake "Shadow of the Colossus"
    Visuelles Meisterstück: das Remake "Shadow of the Colossus" (Sony PlayStation)
    Zwölf Jahre erscheint nun ein Remake in HD-Optik. Von den detaillierten Landschaften und Ruinen, der lebendigen Animation des gallopierenden Pferdes bis hin zu den lebensechten Licht und Wassereffekten, ist das neue Shadow of the Colossus visuell überwältigend.
    Am Spielprinzip hat sich dagegen nichts geändert. Shadow of the Colossus erhebt seine 16 "Boss Fights" zu einer Kunstform, einem Todestanz, der fast an einen Stierkampf erinnert. Immer wieder krallt sich die Spielfigur am Fell des Koloss fest, während die verzweifelte, sterbende Kreatur mit allen Kräften versucht, sie abzuschütteln. Ist der Koloss besiegt, verhallt der letzte Ton und die gewaltige Kreatur stürzt in Zeitlupe zu Boden - oder versinkt in den schwarzen Tiefen eines Sees.
    Respektvolles Kunstwerk
    Das Remake ist vor alle allem eins: respektvoll. Es nutzt die aktuellen grafischen Möglichkeiten, um die Details der magischen Welt noch klarer herauszuarbeiten, verwässert aber dabei weder die Spielerfahrung oder die emotionale Kraft des Originals.
    Der legendäre japanische Spieledesigner Fumeto Ueda macht sich für sein Fantasy-Abenteuer die Prinzipien eines Blockbusters zu eigen: Durchgestylte Optik, fantastische Kreaturen, symphonische Musik und spektakuläre Actionszenen. Und doch ist sein Spiel ein Gegenentwurf zum Big-Budget-Entertainment unserer Zeit. Und das nicht nur, weil es die Grenze zwischen gut und böse verwischt, sagt Björn Bartholdy.
    "Während die Taktung in den meisten Computerspielen ja relativ hoch ist, ist Ueda einfach gefühlt immer langsam. Er ist sozusagen der Kaurismäki unter denn Game Developern. Daneben sind seine Charaktere auch eher karge Charaktere. Die sind auch oft still und haben so ne Dimension von Insichgekehrtheit. Und das ist natürlich für den Spieler auch so ein Moment von Kontemplation und Selbstreflexion. Das macht ihn einfach sehr besonders in einem Umfeld, das tendenziell eher laut und hochgetaktet ist."
    Die rund sechs bis sieben Stunden Spielzeit sind eine bewegende Erfahrung. Shadow of the Colossus ist meditativ, moralisch komplex und tieftraurig - und es bleibt auch mit neuem Anstrich eines der ersten großen Kunstwerke unseres jungen Jahrhunderts.