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Gamescom 2016
Im Zeichen der Zeit?

Keine Waffennachbildungen erlaubt, erhöhte Sicherheitsvorkehrungen und erste Absagen aus dem Partnerland Türkei. Diese Gamescom steht auch im Zeichen sehr ernster Themen. Das ist besonders hart für die Cosplayer, die sich in die fantastischen, bizarren und oft monströsen Outfits ihrer Spielhelden kleiden.

Von Tobias Nowak | 17.08.2016
    Man sieht eine Ritter-Rüstung aus Metall und dahinter viele Bildschirme.
    Auf der Messe Gamescom kommen riesige Bildschirme, Leinwände und Laserinstallationen zum Einsatz. (picture-alliance / dpa / Henning Kaiser)
    So hört sich die Gamescom an, die "größte Computerspielmesse der Welt", wie sie sich selbst ganz unbefangen nennt. Die Messehallen sind abgedunkelt, so dass riesige Bildschirme, Leinwände und Laserinstallationen gut zur Geltung kommen. In gigantischen Messeständen stellen die großen Games-Verlage ihre kommenden Blockbuster vor. Auf großen Bühnen treten professionelle und privat begeisterte Gamer in den verschiedensten Spielen gegeneinander an. Und aus jedem Lautsprecher klingt, kracht, ruft und klirrt es.
    Für diesen Sound werden die Gamer auch dieses Jahr wieder stundenlang, bei Wind Wetter, oder in praller Hitze anstehen. In den Messehallen geht das Anstellen dann weiter. Dort stellen sie sich wieder an, dieses Jahr für das Hacker-Spiel "Watch Dogs 2", die authentische Mittelalter-Simulation "Kingdom Come", oder, um die neuen Virtual-Reality-Spiele, bzw. die VR-Brillen der verschiedenen Hersteller auszuprobieren.
    Viele Gamer lassen sich nicht abschrecken von Schildern, die informieren, dass "ab hier 300 Minuten Wartezeit" anstehen, aber manchen ist das zu viel:
    Laura Maretzky: "Es ist macht wirklich immer viel Spaß, vor allem wenn man in einer Gruppe hingeht, und die Atmosphäre ist genial. Aber ich muss auch sagen, dass es mir ein bisschen zu überlaufen ist und man doch sehr viel Zeit damit verbringt, in den Schlangen zu stehen."
    Eine Freak-Show oder ein digitaler Jahrmarkt, ist die Gamescom nicht. Sie steht auch im Zeichen sehr ernster Themen. Es gibt verschärfte Sicherheitsvorkehrungen. Die sind besonders hart für die Cosplayer, die sich in die fantastischen, bizarren und oft monströsen Outfits Ihrer Spielhelden kleiden.
    Waffen werden verbannt
    Trotz manchmal grimmiger Anmutung, sorgen sie auch immer für ein bisschen karnevaleske Leichtigkeit. Dieses Jahr aber, müssen Sie auf ihre oft wichtigsten Accessoires verzichten: Die Kostüm-Waffen. Die müssen gegen Gebühr abgegeben − oder in den Müll geworfen − werden. Gerald Böse, Chef der Kölnmesse, erklärt:
    "Es geht dabei nicht nur um Pistolen oder Gewehre, sondern alles, Messer, Äxte, Beile, Sägen, was die Leute so alles mit sich rumtragen während dieser Gameswoche."
    Die trotzdem erwarteten Horden von Orks, Weltraumsoldaten, und Fantasy-Krieger haben angekündigt, sich ersatzweise mit Staubwedeln zu bewaffnen.
    Die oft überhaupt nicht spielerisch-leichten Vorgänge in der Welt beeinflussen die Gamescom aber auch auf einer anderen Ebene. Denn das diesjährige Partnerland der Gamescom ist die Türkei. Spielentwickler sind meist eher progressive Menschen. Inwieweit sie in der Türkei vom zunehmend konservativen Klima beeinträchtigt wird, lässt sich nicht sagen. Aber Maximilian Schenk, Geschäftsführer des Branchenverbandes Interaktive Unterhaltungssoftware, BIU, der die Gamescom ausrichtet, fürchtet, das türkische Spieleentwickler in Köln nicht dabei sein dürfen:
    "Da haben wir ja vor ein paar Wochen gehört, dass sämtliche Wissenschaftler ein Ausreiseverbot erhalten haben. Jetzt weiß ich nicht, wie da "Wissenschaftler" definiert werden, aber ich gehe schon davon aus, dass zumindest einige davon in irgendeiner Weise beeinträchtigt werden. Trotzdem stehen wir zu diesem Partnerland und diesem Konzept, denn unser Partner ist ja nicht der Staat Türkei, sondern die türkische Games-Branche, die Kreativen, die Spiele und Spielewelten erfinden und designen."
    Gaming-Spaß trotz Einschränkungen
    Sicherheitsdebatten und Ausreiseverbote werden Spielentwickler und Fans kaum daran hindern, sich zum Austausch zu treffen. Zum Beispiel auf dem Gamescom Congress. Dort wird über Virtual Reality am Theater oder den Umgang von Kulturredaktionen mit Games diskutiert, und zu den Videodays strömen wieder zehntausende Teens in die Arena, um ihre YouTube-Stars zu treffen.
    Die Gamescom ist also weniger eine Handels- und Fachmesse – obwohl das auch wichtige Aspekte sind –, sondern eher ein stadtweites Computerspiele-Fest.
    Laura Maretzky: "Die Gamescom ist ja international auch sehr groß. Und da sind dann schon Leute, die ich online beim Zocken kennengelernt habe, extra für angereist aus Belgien und Holland und anderen Teilen Europas."
    Seit ihrer Premiere vor sieben Jahren hat die Gamescom die Zahl der Aussteller, der Fachbesucher sowie des Privatpublikums etwa verdoppelt, und das Rahmenprogramm prägt die ganze Stadt. Ein Pflichttermin für alle, die sich privat oder beruflich interessieren für das weiterhin wachsende, sich selbst suchende, ungemein vielseitige Medium der Computerspiele.