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"Ganz Gallien?"

Im Pariser Musée de Cluny ist Asterix und Obelix zum 50. Geburtstag eine Ausstellung gewidmet. Die gezeigten Originalseiten aus dem Besitz von Zeichner Albert Uderzo verdeutlichen, inwiefern sich "der Dicke und der Dünne" in fünf Jahrzehnten verändert haben.

Andreas Platthaus im Gespräch mit Karin Fischer | 29.10.2009
    Karin Fischer: Ganz Gallien ist von den Römern besetzt, ganz Gallien natürlich nicht. Im äußersten Westen des Landes kämpfen ein paar unbeugsame Gallier gegen die feindliche Übermacht der römischen Legionen. Albert Uderzo erzählt, wie er und Goscinny auf das Thema überhaupt gekommen sind:

    Albert Uderzo: Goscinny hat mich gefragt, womit fängt noch mal unsere französische Geschichte an? Gib mir ein paar Daten. Dann habe ich "die Gallier" gesagt, und Goscinny sagte: Okay, die Gallier, das ist vielleicht interessant. Gott sei Dank wussten wir nicht, dass dieser Stoff auch schon bearbeitet wurde. Ansonsten hätten wir Angst gehabt und bestimmt nach einer neuen Idee gesucht.

    Fischer: Die Stadt Paris kommt übrigens auch gleich im ersten Asterix-Band vor, sie war wie heute laut, dreckig und voller Händler. Im Musée de Cluny, dem Pariser Mittelaltermuseum, ist den Comicfiguren jetzt eine Ausstellung gewidmet. Und Andreas Platthaus, den Asterix-Experten der "FAZ", habe ich gefragt: Können die Originalzeichnungen, die dort zu sehen sind, denn etwas von der Faszination dieser kleinen Helden vermitteln?

    Andreas Platthaus: Das können sie durchaus. Es sind zwar nur 30 Originalseiten, was bei 35 Alben, also insgesamt mehr 1500 Originalseiten, gar nicht so viel klingt, aber es ist trotzdem die größte Sammlung, die überhaupt bisher öffentlich gezeigt worden ist. Sie stammen alle aus dem Besitz des Zeichners, von Albert Uderzo. Und es ist doch verblüffend, wenn man sich diese Dinge ansieht, die jetzt eben teilweise 50 Jahre alt sind, teilweise einige Jahrzehnte, teilweise ganz neu, wie man daran die Entwicklung dieser Serie begleiten kann und wie schön man auch noch mal im Original dann die Details nachvollziehen kann, dass es immer noch etwas angenehmer als in den Alben selber ist.

    Fischer: Der französische Politologe Alfred Großer hat die Abenteuer von Asterix einmal das "bedeutendste politische Werk der französischen Nachkriegsgeschichte" genannt, natürlich auch, weil sie vom Geist der Résistance inspiriert waren. Bei uns trafen diese tapferen Gallier dann auf den rebellischen Geist der 68er. Was für eine Geschichte haben die beiden Figuren selbst in Sachen Zeitgeist eigentlich durchlaufen? Ist die Gegenwart darein diffundiert wie bei uns in die "Lindenstraße"?

    Platthaus: Die Gegenwart ist für meinen Geschmack viel zu deutlich darein diffundiert, wobei sie immer – das ist völlig richtig, da hat Großer völlig recht – von Anfang an drin gewesen ist. Also gerade die letzten Alben, die Albert Uderzo alleine geschrieben hat, nach dem René Goscinny leider Gottes schon vor mehr als 30 Jahren gestorben ist, die sind dann doch mit sehr vielen, na ja, sagen wir leicht fortschrittsskeptischen Elementen angereichert, also gerade im Betreff auf Comicgeschichte. Im vorletzten Band, der erschienen ist, tauchten plötzlich seltene Wesen aus dem All auf und die waren dann gekleidet wie japanische Comicfiguren, und dagegen verteidigten sich dann die tollen europäischen Comicfiguren. Das ist alles ziemlich mühselig. Das Tolle an Asterix war tatsächlich am Beginn, dass in dieser Serie geschafft wurde, so kleinere Anspielungen auf die Moderne unterzubringen, ohne dass man das in der Antike vollkommen unpassend gefunden hätte. Es war natürlich ein satirischer Comic, klar, von Anfang an, also musste man ein paar zeitgenössische Anspielungen auch unterbringen. Und was Sie eben schon mal andeuteten, das trifft die Sache wahrscheinlich perfekt: Als Asterix erfunden wurde, da spielten Goscinny und Uderzo mit dem Mythos der Résistance, das hat in Deutschland jetzt nicht jeder direkt so verstanden, darum hat die Serie auch in ihrem ersten Anlauf nicht unbedingt viel Erfolg gehabt. Aber als sie dann 1967 noch mal in neuer Übersetzung gestartet wurde, da traf sie wieder genau den Nerv der Zeit, nämlich die 68er-Revolution. Und die Studenten und Leute, die sich damals links engagiert haben, haben in dieser Widerstandshaltung von Asterix, die im Original ja ganz konservativ gemeint war, dann Widerstand gegen den Staat verstanden. Und so hat es in Deutschland genau denselben Erfolg entwickelt wie in Frankreich, allerdings aus zwei vollkommen unterschiedlichen Gründen.

    Fischer: Zum Jubiläum erschien ja in der vergangenen Woche ein neuer Band aus der Feder des Zeichners Albert Uderzo, zu Deutsch "Asterix und Obelix feiern Geburtstag". Ganz kurz dazu: Ist das wirklich nicht mehr als ein selbstreferenzielles Zitatenbändchen ohne Handlung?

    Platthaus: Nein, das ist wirklich nicht mehr, das muss man nun fairerweise sagen. Also es ist sehr viel Resteverwertung drin, Uderzo ist mittlerweile über 80 Jahre alt, das muss man natürlich immer mildernd in Rechnung stellen. Der hat nicht mehr den ganz großen Ehrgeiz und vielleicht auch gar nicht mehr die Möglichkeit von dem, wofür er sich interessiert, noch mal so richtig große Asterix-Geschichten zu erzählen. Und diesmal ist er einfach noch ein bisschen tiefer ins Archiv gegangen, hat einfach eine Geschichte um diesen 50. Geburtstag herum erzählt. Alle Freunde von Asterix versammeln sich im Dorf, das hatten wir zwar auch schon mal im Laufe der Serie, aber warum soll man es nach ein paar Jahrzehnten nicht noch mal machen. Aber natürlich wird es dem Geist der Serie nicht gerecht, weil da ganz eklatant einfach dieses Prinzip verletzt wird, dass eben doch alles in der Antike angesiedelt ist und dass kleinere Anspielungen möglich sind, aber nicht dominieren dürfen.

    Fischer: Sie waren, Andreas Platthaus, in Paris – spürt man da jenseits der Ausstellung viel vom Asterix-Hype jetzt zum 50. Geburtstag?

    Platthaus: Paris ist voll, wenn man jetzt sich die Schaufenster und so was ansieht, von Plakaten für den 50. Geburtstag von Asterix. Und man darf nun auch nicht vernachlässigen, dass das neue Asterix-Album sowohl in Frankreich wie in Deutschland in einer Auflage von mehr als einer Million Stück an die Kioske gegangen ist. Das sind Zahlen, davon kann Harry Potter nur träumen. Und entsprechend groß ist die Präsenz in den Buchhandlungen, aber auch in einigen anderen Geschäften. Also Frankreich lebt immer noch ein bisschen mehr auch mit seinem Asterix als in Deutschland, obwohl der Erfolg ähnlich groß ist.

    Fischer: Andreas Platthaus war im Musée de Cluny in Paris und hat das Phänomen Asterix in Deutschland und Frankreich beobachtet.