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Garten 4.0
Rasenmähroboter können Igel töten

In vielen Gärten übernehmen kleine Roboter mittlerweile das lästige Rasenmähen. Für Gartentiere habe das oft verheerende Folgen, sagte Markus Erlwein vom Landesbund für Vogelschutz Bayern im DLF. Der Igel zum Beispiel fliehe nicht vor dem heranfahrenden Roboter, sondern rolle sich zusammen. So könne er leicht von dem Gerät verletzt oder getötet werden.

Markus Erlwein im Gespräch mit Jule Reimer | 16.08.2016
    In der Igelstation in Neuzelle (Brandenburg) ist ein kleiner zusammengerollter Igel zu sehen.
    Igel ziehen sich bei Gefahr zusammen - und können so leicht von einem Rasenmähroboter verletzt werden. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Jule Reimer: Die digitale Revolution, also Roboter ersetzen Menschen, macht vor nichts Halt, auch nicht vor dem Garten. Besonders praktisch: der Rasenmähroboter. Einfach anstellen, und die lästige Wochenendaufgabe erledigt der diskrete Butler mit Chip, leicht surrend und diskret. Aber mit dramatischen Folgen für manches, was da kreucht und fleucht. Am Telefon ist Markus Erlwein vom Landesbund für Vogelschutz Bayern, LBV. Sie warnen vor dem Einsatz der Mähroboter, weil dies erhebliche Gefahren für Igel birgt. Was passiert denn da, wenn Roboter und Tier aufeinandertreffen?
    Markus Erlwein: Man muss wissen, der Igel ist kein Fluchttier. Das heißt also, wenn Gefahr droht, dann rennt der Igel nicht davon, wie das andere Wildtiere tun, sondern, das wissen wir alle aus dem Schulunterricht, der Igel rollt sich zusammen. Und wenn dann dieser Rasenmähroboter angefahren kommt und der Igel sich zusammenrollt aus Furcht, dann haben wir festgestellt, dass viele der Geräte nicht Halt machen wie vor einem Hindernis, sondern tatsächlich über den Igel ranfahren, an den Igel heranfahren und ihn so verletzen, teilweise sogar töten können.
    Nachts lauert besondere Gefahr
    Reimer: Wann und wie lauert da besondere Gefahr?
    Erlwein: Die Hersteller dieser Rasenmähroboter sagen ja selbst, keinesfalls unbeaufsichtigt die Dinger in Betrieb zu nehmen, auch wegen Kindern und Haustieren. Das heißt, die meisten Menschen lassen die vor allem nachts laufen. Und dann ist es natürlich so, der Igel ist ein nachtaktives Tier, und dann haben wir hier natürlich auch den größten Konflikt. Und dann ist auch keiner dabei, kann niemand eingreifen, kann niemand retten, sieht das keiner. Keiner kriegt das mit, und dann haben wir das Problem, dass einfach die Igel nachts verletzt, getötet werden, weil sie natürlich nachts vor allem unterwegs sind.
    Reimer: Geht es nur um den Igel oder auch um andere Tiere?
    Erlwein: Nein, es geht natürlich auch um alle anderen Gartentiere. Sie müssen sich vorstellen, gerade nachts, Sie haben da Amphibien wie Kröten, Frösche im Garten herumlaufen. Sie haben die Blindschleiche, auch ein wunderbares Tier, wo man das gut zeigen kann. Die hat da gar keine Chance.
    Reimer: Gibt es da überhaupt noch welche?
    Erlwein: Wenn Sie einen naturnahen Garten haben, dann haben Sie tatsächlich auch eine Blindschleiche im Garten, das ist allerdings richtig. Aber auch Insekten und alles, was da sonst eigentlich sich gern im Garten herumtreibt, Spinnentiere und so, die haben da auch alle keine Chance. Da haben Sie dann keine gartenfreundlichen und nützlichen Gartenbewohner mehr.
    "Oft kann man den Tieren nicht mehr helfen"
    Reimer: Was mache ich denn, wenn ich tatsächlich einen verletzten Igel finde?
    Erlwein: Wenn Sie tatsächlich einen finden und wissen, dass er da irgendwie verletzt wurde durch so eine scharfe Klinge, dann bleibt oft meistens nur der Gang zum Tierarzt, oder man schaut, ob man in der Nähe eine Igelstation findet. Aber oft sind natürlich – wir haben da auch sehr abschreckende Bilder bekommen von solchen Fällen –, kann man den Tieren wohl dann auch nicht mehr helfen. Die werden natürlich dann im Bereich der Schnauze verletzt. Und wenn da Teile aufgerissen oder abgehackt werden, dann ist das natürlich sehr schwierig. Aber Tierarzt oder Igelstation, die können dann einschätzen, ob man dem Tier noch helfen kann oder nicht.
    Reimer: Wie ist es bei anderen Tieren oder auch bei Amphibien oder bei einer Blindschleiche?
    Erlwein: Wenn Sie verletzte Wildtiere finden, ist das natürlich immer schwer. Wir gehen davon aus, dass da nicht viel Überlebenschance für noch kleinere Tiere als den Igel da ist. Wenn Sie da verletzte Wildtiere finden, das ist schwierig. Ich nehme nicht an, dass die große Überlebenschancen an sich haben.
    Reimer: Der Lebensraum Garten wird für Igel immer wichtiger, das haben Sie beobachtet. Offenbar zieht es die Tiere gar nicht so sehr in die Wildnis, sondern eher in die Nähe der Menschen. Lässt sich denn ein igelfreundlicher Garten mit dem Ziel, einen schönen Garten zu haben, der aber möglichst wenig Arbeit macht, verbinden?
    Erlwein: Ja, das geht sogar sehr gut. Da ist tatsächlich ein bisschen faul sein die Devise. Aber um noch mal kurz darauf zurückzugehen: Wir haben ein wunderbares Projekt, das nennt sich "Igel in Bayern". Und da haben wir eben festgestellt, dass die Igel tatsächlich sehr stark in Siedlungsbereichen vorkommen, viel mehr als in der offenen Kulturlandschaft. Das heißt, dieser Lebensraum Garten, der wird tatsächlich immer wichtiger für diese Igel. Und da man sich ja, wie wir gerade schon besprochen haben, vorstellen muss, der Mähroboter nicht nur den Igel, sondern auch seine Nahrungsgrundlage an Insekten und sonstigen Sachen zerhäckselt, wenn ich das mal so sagen darf, das heißt, der Igel muss immer mehr laufen, muss immer mehr nach Nahrung suchen. Und wenn aber der Garten doch so wichtig ist, dann kann ich aber auch einiges dafür tun. Faul sein mal, eine Ecke behalten, wo man nicht mäht. Da hat man dann Blühpflanzen, Insekten oder auch mal einen Totholzhaufen. Oder einen Steinhaufen zu machen, da freuen sich die Igel, und bitte im Herbst das Laub nicht wegblasen, sondern auch mal einen Laubhaufen liegen lassen, da kann man helfen.
    Reimer: Markus Erlwein vom Landesbund für Vogelschutz Bayern. Der LBV warnt vor Rasenmährobotern.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.