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Gaskunden müssen Widerspruch einlegen

Der Bundesgerichtshof hat frühere Gaspreis-Erhöhungen wegen Intransparenz gekippt. Die Kunden können nun ihr Geld zurückfordern. Doch das ist kompliziert. Helga Zander-Hayat von der Verbraucherzentrale NRW fordert deshalb ein standardisiertes Verfahren für die Rückzahlung.

Helga Zander-Hayat im Gespräch mit Georg Ehring | 01.08.2013
    Georg Ehring: Der Bundesgerichtshof hat gestern Gaskunden bei Preiserhöhungen den Rücken gestärkt. Gasversorger dürfen nur dann die Preise erhöhen, wenn sie darüber im Vertrag verständlich und genau informiert haben – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch viele Gasversorger haben sich nicht daran gehalten. Das Urteil gilt zunächst nur für 25 Kunden des Energieversorgers RWE, die mit der Unterstützung der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegen die Preiserhöhung geklagt hatten. Aber auch andere Gasverbraucher können Rückzahlungen bekommen. Helga Zander-Hayat von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, guten Tag!
    Helga Zander-Hayat: Guten Tag!

    Ehring: Frau Zander-Hayat, wie erfahre ich denn, ob ich dazugehöre?

    Zander-Hayat: Zunächst muss man feststellen, ob man ein sogenannter Sonderkunde ist, ein Sonderkunde eines Gasversorgers. Denn nur diese Kundengruppe betrifft das entsprechende Urteil des BGHs von gestern. Und Sonderkunde ist eigentlich jeder, der außerhalb der Grundversorgung einen Vertrag mit seinem Gasversorger geschlossen hat. Das ist wiederum jeder, der beispielsweise schon einmal den Gasanbieter gewechselt hat, oder der mit seinem Gasanbieter vor Ort einen neuen Tarif vereinbart hat, einen günstigeren Tarif als denjenigen, den die sogenannten grundversorgten Kunden haben.

    Ehring: Und wie komme ich dann an mein Geld, da muss ich ja für aktiv werden?

    Zander-Hayat: Ja, der Kunde muss in seinem Vertrag eine Klausel habend, in der nicht transparent die Preiserhöhungsvoraussetzungen dargestellt werden. Also Klauseln wie beispielsweise Preisänderungen werden wirksam mit öffentlicher Bekanntmachung oder indem wir sie darüber informieren, oder gucken Sie bei uns im Internetangebot, dann kann der Kunde gegen solche Preiserhöhungen Widerspruch einlegen, und das muss er auch tun, denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es so, dass Rückerstattungen auf Grundlage unwirksamer Preiserhöhungsklauseln nur dann infrage kommen, wenn der Kunde widersprochen hat, und zwar jeder Gasrechnung, die auf eine Preiserhöhung folgt. Dabei gilt es wiederum eine Frist zu beachten von drei Jahren.

    Ehring: Jetzt, wenn ich jetzt beispielsweise die Briefe gelesen und anschließend weggeschmissen habe, mit denen der Gasversorger in den letzten Jahren die Preiserhöhungen angekündigt hat, was kann ich denn dann machen?

    Zander-Hayat: Das ist relativ schwierig. Man sollte schon auch seine Vertragsunterlagen beieinander halten. Dennoch ist es so, dass viele der Gasversorger auch heute noch Klauseln in ihren Verträgen haben, die denjenigen zumindest inhaltsgleich entsprechen, die der Bundesgerichtshof gestern für unzulässig erachtet hat. So, ohne jetzt Werbung machen zu wollen für bestimmte Unternehmen, es ist so, dass der von uns verklagte Versorger RWE auch heute noch diese Klauseln in den Sonderverträgen hat, aber ebenso zum Beispiel auch E.ON oder Vattenfall. Das ist ja schon mal ein ganz gutes Indiz. Ansonsten, wenn man Fragen hat darüber, ob denn die Klausel, die in dem Vertrag steht, die man hoffentlich dann doch noch sieht, dann kann man sich auch auf unserer Internetseite schlaumachen. Wir haben da bestimmte Klauseln dargestellt, die der Bundesgerichtshof auch in der Vergangenheit schon für unzulässig erachtet hat, und dort finden die Kunden auch Musterbriefe, mit denen der Widerspruch eingelegt werden kann.

    Ehring: Warum kommt die Rückzahlung eigentlich nicht automatisch?

    Zander-Hayat: Das ist eine gute Frage. Das hat was damit zu tun, dass jeder erst mal dafür verantwortlich ist, seine Rechte selbst geltend zu machen. Aber wir sind der Meinung, dass es in diesem Fall, wo es eigentlich juristisch eindeutig ist, nicht sein kann, dass jetzt eine Lawine von vielleicht auch sogar Klageverfahren losgetreten werden muss, weil die Energieversorger sich hinter formalen Gründen verstecken, oder nicht bereit sind, automatisch zu erstatten. Wir fordern sie deshalb auf, dass sie ein schlankes, ein einfaches Verfahren für jeden Verbraucher finden, die Erstattungen durchzuführen, und wir stehen ihnen da auch gerne – also den Energieversorgern – für Gespräche zur Verfügung.

    Ehring: Rechnen Sie denn damit, dass es standardisierte Verfahren dann auch geben wird?

    Zander-Hayat: Wir hoffen es. Wir haben bis jetzt noch kein Signal erhalten von RWE oder einem anderen Energieversorger. Aber es kann wie gesagt nicht sein, dass die Gerichte eventuell verstopft werden durch nicht erforderliche Prozesse, und wir treten … wir gehen davon aus, dass wir in solche Gespräche eintreten werden.

    Ehring: Herzlichen Dank an Helga Zander-Hayat von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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