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Gasmangel in Russland

In Russland lagert ein Viertel der weltweiten Gasvorkommen, aber im Land selbst bekommen alle Unternehmer schon seit Jahren Gas nur nach Absprache zugeteilt. Wer sein Kontingent überzieht, muss mit Abschaltung und hohen Strafgebühren rechnen. Denn das Gas ist so knapp wie nie - auch deutsche Importe könnten gefährdet sein.

Von Nadine Dietrich & Dani Parthum | 25.11.2008
    Am Rande der Millionenstadt Perm am Ural, in einem kleinen russischen Dorf mit Holzhäusern, Bretterzäunen und Schlaglöchern, fahren Planierraupen vor einer LKW-Werkstatt hin und her. Davor steht Holger Verner vom Transportunternehmen Soostmeier aus Osnabrück und ist stolz: Nach drei Jahren Bemühungen ist es ihm endlich gelungen, dass hier Gas und Strom fließen. Verner kann nun endlich seine Transporter reparieren.

    "Also generell ist die Beantragung und Zuweisung von bestimmten Volumen relativ schwierig. Wenn ich das brauche, bin ich hier nicht Kunde, sondern eher ein Bittsteller – das kann man, denke ich, so krass umschreiben. Und demzufolge muss ich eben die ganzen Hürden überwinden, wenn ich Gas brauche und es gibt keine Gasleitung zu meinem Grundstück, muss ich es selber bauen und wenn ich Glück habe, kriege ich das Gas dann zugewiesen vom örtlichen Gasanbieter."

    In Russland lagert ein Viertel der weltweiten Gasvorkommen, aber im Land selbst bekommen alle Unternehmer schon seit Jahren Gas nur nach Absprache zugeteilt. Wer sein Kontingent überzieht, muss mit Abschaltung und hohen Strafgebühren rechnen. Denn das Gas ist so knapp wie nie, sagt Michael Harms, Chef der deutschen Außenhandelskammer in Russland:

    "Vor allem in den industriellen Ballungszentren gibt es mittlerweile Stromknappheit und Sie kriegen nicht mehr so einfach für eine neue Investition einen Anschluss und eine Stromquote – man geht davon aus, wenn es jetzt so weiter geht, gerade bei diese industriellen Ansiedlungen, dass das ein großes Problem werden könnte."

    Strom wird in Russland zu mehr als 50 Prozent aus Erdgas gewonnen. In Deutschland zu lediglich zehn Prozent. Auch aus diesem Grund verbraucht Russland so viel Gas wie kein anderes Land und ist somit selbst der größte Kunde seines halbstaatlichen Gas-Monopolisten Gazprom. Der große Eigenbedarf, aber auch die sehr niedrigen Inlandspreise, mit denen Gazprom im Inland kaum Gewinne erzielen kann, machen das Land anfällig für Störungen. Das gestand sogar der Chef der Gazprom-Filiale in Perm ein: Andrey Agishev. Und Agishev hat einen durchaus wichtigen Posten, denn Perm ist die Industrieregion mit dem fünftgrößten Gasverbrauch Russlands.

    "Wir haben bereits eine Gasknappheit erlebt. Sie erinnern sich sicher an den kalten Winter 2006? Da waren wir wirklich drei Wochen lang mit Gasknappheit konfrontiert.
    Aber das System ist noch in sowjetischen Zeiten gebaut worden. Das bedeutet sehr hohe Zuverlässigkeit. Wir haben alle Möglichkeiten genutzt, haben alle Gaslager aufgemacht, so dass niemand gelitten hat. Aber die Lage war tatsächlich kritisch. Der Druck in den Pipelines war unzureichend, vor allem da, wo die Pipelines enden: in Sankt Petersburg und Moskau. "

    Die russische Zeitung Wedemosti Novosti schreibt am
    17. Januar 2006:

    Nun ist auch die Stromversorgung in Moskau betroffen. Die Temperaturen liegen bei minus 30 Grad. 2.700 Unternehmen erhalten keinen Strom. Die Aktienbörse des Landes muss wegen Strommangels um 14 Uhr schließen.

    Ein dreiviertel Jahr später steht in der Zeitung:

    In Sankt Petersburg steht das von Wladimir Putin persönlich eingeweihte neue Gas-Kraftwerk zur Stromerzeugung still. Der Betreiber konnte mit Gazprom keinen Vertrag über Gaslieferungen abschließen. Präsident Putin ist diese Situation schon seit einem Jahr bekannt. Russlandweit soll es 15 weitere Kraftwerke geben, die nicht ausreichend mit Gas durch Gazprom versorgt werden können.

    Gasmangel in Russland? In dem Land, das den deutschen Gasbedarf zu etwa 40 Prozent deckt – und damit Deutschlands wichtigster Gaslieferant ist!?
    Tatsächlich schätzt der russische Energieexperte Wladimir Milow die Förder- und Lieferschwierigkeiten Gazproms so hoch ein, dass er schon in etwa einem Jahr einen Gasmangel von 100 Milliarden Kubikmeter befürchtet – das entspricht der Menge, die Deutschland pro Jahr aus Russland bezieht.

    "Um zu zeigen, wie ernst die Situation ist: Gazprom hat erst kürzlich einen "Strategischen Plan für die Entwicklung des russischen Gasmarktes bis 2030" herausgegeben. In diesem Plan geht Gazprom davon aus, dass die inländische Gasnachfrage pro Jahr nur um 0,3 bis 0,5 Prozent steigen wird und dass Gazprom diesen Anstieg abdecken kann. Tatsächlich aber ist der Gasbedarf in den vergangenen fünf Jahren um durchschnittlich drei Prozent jährlich gestiegen! Damit hat Gazprom - wenn auch nur indirekt - zugegeben, dass der russische Gasmarkt auf lange Sicht unterversorgt ist und das wird das Wirtschaftswachstum einschränken."

    Wladimir Milow hat vor sechs Jahren in Moskau ein Institut für Energiepolitik gegründet – davor arbeitete er fünf Jahre lang für die russische Regierung, unter anderem als stellvertretender Energieminister. Zuerst unter Präsident Boris Jelzin, dann für Wladimir Putin – aber 2002 gab Milow sein Amt auf. Er wollte den Gasmarkt liberalisieren, Putin dagegen trieb die Verstaatlichung und Monopolisierung Gazproms voran.

    "Die Schwierigkeit dabei ist, wenn Sie sich allein die Investitionen der vergangenen fünf Jahre anschauen: Gazprom hat 32 Milliarden US Dollar für verschiedene Unternehmensbeteiligungen ausgegeben – die wenigsten davon hatten irgendetwas mit der Gasförderung zu tun. "

    So hat Gazprom ein dichtes Netz aus Firmen und Firmenbeteiligungen geknüpft. Zurzeit ist der Gasmonopolist an 154 Unternehmen beteiligt, davon sind allein 74 Unternehmen 100-prozentige Gazpromtöchter. Neben Banken, Investmentgesellschaften und einem Hotelservice gehört Gazprom auch ein VIP-Service und ein Lebensmittelhandel.

    "Dagegen wurden nur 23 Milliarden US Dollar in die Produktion von Gas gesteckt. Sehr viel Geld wurde außerdem für die ständig wachsenden Kosten des Unternehmens ausgegeben – ein deutliches Zeichen übrigens für die Ineffizienz eines Monopolisten. Sowohl die Fördertechnik als auch das gesamte Pipelinesystem leiden unter Investitionsmangel: Es ist alles seit Jahren abgenutzt und verschlissen. Das durchschnittliche Alter der russischen Pipelines liegt bei 33 Jahren – und das führte in letzter Zeit zu immer mehr Unfällen: zu Brüchen und Explosionen."

    Im Oktober dieses Jahres feierte der deutsche Energiekonzern EON Ruhrgas in München das 35. Jubiläum von Gas-Lieferungen aus Russland. Die Feier stand unter dem Motto: "Zuverlässigkeit, Engagement und Partnerschaft". Kein Wort davon, dass Gazprom nur deshalb noch so zuverlässig liefert, weil es seit Jahren in den kaspischen Staaten einkauft. Gazprom ist nach Einschätzung des Moskauer Instituts für Globalisierungsfragen bereits seit 2003 auf Gas aus Turkmenistan und Usbekistan angewiesen, um seine Lieferverträge im In- und Ausland erfüllen zu können.
    Auch die Internationale Energieagentur, IEA, in Paris warnt vor einer Gasknappheit in Europa aufgrund von Lieferschwierigkeiten Russlands. Denn nicht nur Russland selbst braucht immer mehr Gas, auch die Nachfrage der EU soll sich bis 2030 mehr als verdoppeln, schätzt die IEA. Zum einen weil Öl als Energieträger ersetzt werden muss und zum anderen weil aus Gas umweltfreundlicherer Strom gewonnen werden kann als aus Kohle oder durch Atomkraftwerke. Auf Russland allein sollten sich deshalb weder deutsche Politiker noch die Energiekonzerne bei der Gasversorgung verlassen, meint der Chef der IEA-Energieabteilung Ian Crownshow.

    "Zusätzlich zu den geringen Investitionen in die Instandhaltung der Technik geht auch der Ertrag in den bestehenden vier wichtigsten Gasfeldern Russlands zurück. Das bedeutet: Russland kann aus seinen Gasfeldern nicht mehr so viel rausholen: Die Erträge sinken sogar relativ schnell - um mindestens 20 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Russland muss diesen Rückgang irgendwie ausgleichen und sogar noch mehr liefern – aus neuen Feldern oder anderen Quellen. Aber da ist nicht ausreichend investiert worden in den vergangenen Jahren. "

    Russland verfügt zwar über die weltweit größten Gasreserven, doch es kann den Rohstoff zurzeit nicht fördern. So lagern auf der westsibirischen Halbinsel Jamal im Nordpolarmeer über 30 Billionen Kubikmeter Gas – genug, um die ganze Welt zehn Jahre lang allein versorgen zu können. Doch der schmelzende und wieder gefrierende Boden erschwert dort das Aufstellen von Fördertechnik. Pipelines, Straßen, aber auch die Wohnhäuser der Arbeiter drohen auf der kaum erschlossenen Halbinsel abzusacken.
    Das zweite, wenn auch kleinere Feld ist das Shtokman-Feld. Es befindet sich auf offenem Meer im russischen Teil der arktischen Barentssee. Bisher ist es weltweit noch keinem Unternehmen gelungen, unter derartigen Bedingungen Gas zu fördern. In beide Regionen hat Gazprom im vergangenen Jahr jeweils eine Milliarde US Dollar investiert.
    Dabei schätzen Experten die Gesamtkosten für die Erschließung der Felder auf mehrere Hundert Milliarden US Dollar. Woher Gazprom das Geld nehmen will, ist unklar. Der Konzern ist mit 55 Milliarden US Dollar verschuldet und vom derzeit kriselnden Finanzmarkt sind kaum Investitionsgelder in der nötigen Größenordnung zu erwarten.
    Der Sprecher von Gazprom Germania in Berlin, Burkhard Woelki, will sich deshalb nicht festlegen, wann von Jamal oder aus dem Shtokman-Feld Gas nach Europa fließen soll:

    "Nein, eine konkrete Jahreszahl gibt es nicht. Zum Shtockmanfeld kann ich Ihnen nur sagen, dass aufgrund der geologischen Situation und Wärmesituation die Explorationsvoruntersuchungen abgeschlossen sind. Wir glauben, dass wir genügend Gelder in die Entwicklung neuer Erdgasfelder investieren und das hat auch der Vorstandschef Miller deutlich gemacht, dass wir Geld zur Verfügung stellen werden, gerade um neue Projekte und Gasfelder zu entwickeln. Wir stellen sicher, dass die Verträge eingehalten werden."

    Gazprom-Germania-Sprecher Burkhard Woelki betont, dass die Gaslieferungen aus dem Shtokmanfeld wesentlich davon abhängen, wann die Nord Stream-Pipeline fertig gestellt wird. Diese Pipeline verbindet Russland und Deutschland durch die Ostsee hindurch. Sie wird momentan mit politischem Druck aus Russland, aber auch mit großer Unterstützung aus Deutschland vorangetrieben. Nicht zuletzt, weil Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder der Geschäftsführung des Gazprom-Tochterunternehmens "Nord Stream" angehört. Dabei irritiert, dass zunächst die Pipeline fertig gestellt werden soll, bevor die eigentliche Gasquelle – das Shtokmanfeld - erschlossen wird. Hartmut Schneider, im Bundeswirtschaftsministerium für Internationale Energiepolitik zuständig, ist dennoch optimistisch.

    "Diese Versorgungslücke, die da auch gerade von der Internationalen Energieagentur beschworen wird, die ist sagen wir mal theoretisch nicht ganz von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite müssen Sie sehen, dass es Russland immer gelungen ist, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Russland ist sicherlich unser größter Lieferant unbestreitbar, aber Europa ist auch der größte Markt für Russland, von daher besteht auch ein erhebliches Interesse den Bedarf zu decken. Insofern sehe ich diese Lücke sich noch nicht konkretisieren. "

    Vielleicht hat Deutschland deshalb bisher so zögerlich auf die Nabucco-Pipeline reagiert. Die Nabucco-Pipeline soll Gas von den kaspischen Staaten in die Türkei, nach Rumänien, Bulgarien, Ungarn sowie Österreich bringen – Energiekonzerne aus diesen Ländern finanzieren das Vorhaben. Von Österreich aus könnte das Gas weiter nach Mitteleuropa transportiert werden.
    Die Pläne gibt es seit 2002 und werden seither von Russland behindert. Zum Beispiel versucht Gazprom, die kaspischen Staaten für Exklusivverträge zu gewinnen und gleichzeitig Nabucco-Partnerländern deren Projekt auszureden - so wie zeitweise Ungarn.
    Die EU-Kommission hat währenddessen die Nabucco-Pipeline mit einer Machbarkeitsstudie im Wert von sechs Millionen Euro unterstützt und 2007 entschieden, dass das Vorhaben von vorrangigem Interesse für Europas Energieversorgung sei, denn die Nabucco-Pipeline könne die Abhängigkeit der Mitgliedsstaaten von russischem Gas deutlich verringern, so Brüssel.
    Bisher sind Ungarn, Rumänien, Bulgarien und die Slowakei vollständig auf Gazprom-Lieferungen angewiesen, Österreich und die Tschechische Republik immerhin zu 75 Prozent. Auch Deutschland als größter Gasimporteur Europas bezieht 40 Prozent seines Gases aus Russland. Hartmut Schneider vom Bundeswirtschaftsministerium:

    "Die Planung leidet daran, dass noch nicht so sicher ist, wie viel Gas zur Verfügung steht aus dem kaspischen Raum. Im Moment ist nur Aserbaidschan ein maßgeblicher Lieferant, turkmenisches Gas bedürfte einer Pipeline durch das Kaspische Meer hindurch und das ist noch eine höchst umstrittene Angelegenheit. "

    Gazprom soll inzwischen zu Weltmarktpreisen in Turkmenistan, Usbekistan und Kasachstan einkaufen – das zeigt, in welch starker Verhandlungsposition die gasreichen Länder rund um das Kaspische Meer sind. Von Gazprom können sie gute Preise fordern, da der Konzern aufgrund seines heimischen Gasmangels auf die Lieferungen von außen angewiesen ist. Ebenso von den europäischen Staaten - da die kaspischen Länder auch weiterhin zu guten Konditionen ausschließlich an Russland verkaufen könnten.
    Interessanterweise sucht das Bundeswirtschaftsministerium in dieser Situation nicht nach anderen Gaslieferanten, sondern nach Alternativen zur Stromgewinnung aus Gas, so Hartmut Schneider vom Bundeswirtschaftsministerium.

    "Natürlich hat Gas unter Klimagesichtspunkten starke Vorteile, aber Deutschland setzt ganz ohne Zweifel auch ganz stark auf Kohle. Deutschland bleibt sicherlich mit einem Prozentsatz von 40 bis 50 Prozent in der Energieerzeugung auf die Kohle angewiesen. "

    Bundeswirtschaftsminister Michael Glos hat erst in diesem Sommer wieder den Ausstieg aus der Atomindustrie in Frage gestellt. Atomstrom soll die Stromlücke schließen, mit der die Deutsche Energieagentur im Jahr 2012 rechnet. Diese Stromlücke ließe sich aber auch durch umweltfreundliche Gaskraftwerke schließen, die Strom produzieren.
    Und Gas gibt es auf der Welt noch genug. Im Nahen Osten lagern 40 Prozent der Weltreserven. Ein weiterer und leichter zu erreichender Lieferant wäre Algerien - das Land verfügt über die viertgrößten Gasreserven der Welt. Italien bezieht bereits den Rohstoff aus Algerien, es könnte daher eine Verbindungsröhre nach Deutschland gebaut werden.
    Diese strategischen Entscheidungen müsste das Bundeswirtschaftsministerium treffen, doch es unterstützt die vier großen deutschen Energiekonzerne EON Ruhrgas, RWE, Vattenfall und BASF Wintershall – sie alle haben langfristige Verträge mit Russland. Der Energieexperte Friedemann Müller, der viele Jahre als Wissenschaftler bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin arbeitete, sagt:

    "Diese langfristigen Verträge binden die Käufer bezüglich der Abnahmemenge noch in 20 Jahren und das zu einem Preis, der an den Ölpreis gebunden ist. Das heißt diese Unternehmen können nicht interessiert sein an Wettbewerb. Sonst könnte ja ein anderer Anbieter kommen und mit Preisunterbietung Marktanteile übernehmen. Dann würden sie auf ihren Mengen sitzen, die sie sich verpflichtet haben, in 20 Jahren abzunehmen. Die Politik geht davon aus, dass diese Unternehmen wachsen sollen und dass sie sozusagen in deutscher Hand bleiben sollen, und deshalb werden ihre Wünsche gerne von der Politik erfüllt. Das geht aber auf Kosten des Wettbewerbs, des Verbrauchers und der Versorgungssicherheit."

    Die Haltung der Bundesregierung festigt damit die deutsche Abhängigkeit von russischem Erdgas und spielt Wladimir Putin in die Hände. Dieser hatte 1997, kurz vor seinem Amtsantritt als Präsident, seine Doktorarbeit über die Rolle der Rohstoffe für die Wirtschaftsentwicklung Russlands geschrieben. Darin sprach er sich nicht nur für eine umfassende Verstaatlichung der Energiewirtschaft aus, sondern auch für die geopolitische Wiedergeburt Russlands als Energiesupermacht. Beiden Zielen ist Wladimir Putin inzwischen sehr nah gekommen, meint der Energieexperte Friedemann Müller:

    "Ich fürchte weniger das Abdrehen des Gashahns. Damit würde sich Russland in der Tat selbst schädigen. Sondern ich fürchte, die Politik, die Russland derzeit vorantreibt. Derzeit betreibt Russland eine Politik der Gründung einer Gas-Opec, die zwar vielleicht nicht gelingen wird, aber immerhin zeigt sich sehr deutlich, mit welch langem Atem Russland an diesem Thema dran ist, um die Versorgung Europas zu monopolisieren. Und man muss wissen, dass Europa der größte Gas-Importmarkt der Welt ist. Diesen zu monopolisieren ist ein starkes Stück."

    Monopolstrukturen in der russischen Energiewirtschaft, massiver Investitionsmangel in Russland bei gleichzeitig wachsender Nachfrage in Europa, Unklarheit darüber, wann und wie die russischen Gasfelder Jamal und Shtokman erschlossen werden sollen – das alles trübt den Optimismus der Bundesregierung nicht. Gaslieferungen aus Russland seien zuverlässig, heißt es in Berlin – und wer daran zweifelt, wird auf stetige Gaslieferungen aus Russland in den vergangenen 35 Jahren verwiesen.