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Gaspipeline durch die Ostsee
Die Angst der Ukraine vor Nord Stream 2

Wenn die Gaspipeline Nordstream 2 durch die Ostsee fertiggestellt ist, soll kein russisches Erdgas mehr durch ukrainische Röhren Richtung Westen strömen. In der Ukraine fürchtet man die Fertigstellung: Wird damit der Weg frei für eine russische Invasion der Ukraine?

Von Peter Kapern | 29.11.2017
    Ein Mann mit Schutzweste und Helm läuft im Fährhafen Sassnitz-Mukran auf Rügen zwischen zwei zu Türmen gestapelten Rohren für die geplante Gaspipeline Nord Stream 2 hindurch.
    Die Rohre für die Nord Stream 2 liegen im Fährhafen Sassnitz-Mukran. Auf Rügen werden die Stahlrohre mit Beton ummantelt. Die 1.224 Kilometer lange Gaspipeline soll von Portovaya bei Wyborg (Russland) nach Lubmin (Deutschland) führen. (imago stock&people)
    Die Schreckensbilder, die Andriy Kobolyev entwirft, die malt er mit dem breiten Pinsel. Nord Stream 2, die Pipeline, die russisches Gas durch die Ostsee nach Deutschland transportieren soll, diene nur einem einzigen Zweck, so der Vorstandsvorsitzende des ukrainischen Gaskonzerns Naftogaz: Die Stahlröhre soll den Weg für eine russische Invasion der Ukraine freimachen:
    "Die Ukraine als Transit-Land beim Gasexport zu umgehen, hat keine ökonomischen Gründe. Es geht dabei nur um das strategische Ziel von Herrn Putin, den Weg für eine umfassende Militäroperation gegen die Ukraine frei zu machen."
    In diesem Jahr strömen rund 90 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland durch das von Naftogaz betriebene ukrainische Pipelinenetz Richtung Westen. Drei Milliarden an Transitgebühren landen so in der ukrainischen Staatskasse, denn Naftogaz ist ein Staatskonzern. 170.000 Mitarbeiter, der Konzern sorgt für 15 Prozent der ukrainischen Staatseinnahmen.
    Vertrag mit Gazprom endet 2019
    Der Vertrag mit Gazprom, dem russischen Staatskonzern, läuft noch bis 2019. Gazprom-Chef Miller und Russlands Staatspräsident Putin hätten gleichermaßen signalisiert, dass danach russisches Gas nicht mehr durch die Ukraine fließen soll. So erläutert es Andriy Kobolyev bei seinem Besuch in Brüssel. Bis dahin soll Nord Stream 2 funktionsfähig sein - jene Pipeline, die russisches Gas durch die Ostsee bis nach Deutschland transportieren soll. So wie das Nord Stream 1 bereits tut.
    "In der Ukraine fürchten wir, dass, wenn Putin sein Ziel erreicht, die Kämpfe im Osten der Ukraine umgehend an Intensität zunehmen oder dass russische Panzer sogar überall über die Grenzen in alle Teile die Ukraine hineinrollen."
    Der Kampf um Nord Stream 2 dauert seit Jahren an. Die Ukraine hat ein großes Eigeninteresse, dass diese Pipeline nie in Betrieb geht. Auch in den östlichen EU-Ländern wird das Projekt mit großer Skepsis gesehen. Es vergrößere nur die Abhängigkeit der EU von russischem Gas, heißt es in Polen. Mehr noch: Osteuropa werde, was die Energiesicherheit angeht, durch Nord Stream 2 vom Rest der EU abgekoppelt.
    EU-Kommission hat nichts mitzureden
    Die EU-Kommission teilt viele dieser Bedenken. Allein: Nach gängiger Lesart hat sie in Sachen Nordtream 2 nichts mitzureden. Darauf beharrt vor allem die Bundesregierung. Denn es sind deutsche Konzerne wie Wintershall, Engie und Uniper, dazu Shell und die österreichische OMV, die gemeinsam mit Gazprom die Pipeline betreiben wollen. Deutschland würde damit zum Zentrum des Erdgasgeschäfts in der EU.
    Ein Rechtsgutachten des juristischen Dienstes des Rats der EU stützt die Auffassung der Bundesregierung. Deshalb unternimmt die EU-Kommission derzeit einen Anlauf, die Erdgasrichtlinie so zu verändern, dass sie selbst doch noch ein Mitspracherecht in Sachen Nord Stream 2 bekommt.
    Naftogaz-Chef hofft auf Kurswechsel der Bundesregierung
    Andriy Kobolyev setzt seine Hoffnung eher auf einen Kurswechsel der Bundesregierung. Die sei mittlerweile immerhin bereit, über die geostrategischen Folgen des Projekts zu reden, so der Naftogaz-Chef:
    "Ich hoffe, dass Deutschland zustimmt, dass North Stream 2 nach den Regeln des dritten Energiepakets der EU behandelt wird."
    Dieses Energiepaket schreibt die Trennung von Energieproduktion und Energietransport vor. Mit anderen Worten: Gazprom könnte dann nicht gleichzeitig das Erdgas fördern und durch eine eigene Pipeline transportieren - was die Zukunft der Ukraine als Gastransitland sichern würde. Und damit auch die von Naftogaz.