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Autonomes Transportsystem
Fahrerlose U-Bahn in Australien

Völlig autonom fährt die Sydney Metro seit Ende Mai mit 100 Stundenkilometern in die Vororte der australischen Stadt. Das Hightech-Transportsystem funktioniert selbstständig und ist etwa viereinhalb Milliarden Euro wert. Doppelt so viele Fahrgäste wie erwartet haben den Zug bisher genutzt.

Von Andreas Stummer | 08.09.2019
Die fahrerlose Metro in der australischen Stadt Sydney
Die fahrerlose Metro in der australischen Stadt Sydney ist 2019 eröffnet worden (imago images / Xinhua)
Unterwegs in einem von Sydneys Silberpfeilen. Ein Zug mit sechs aluminium-farbenen Wagen, schwarz getönter, abgeflachter Nase und Panoramafenstern, gut 100 Stundenkilometer schnell und ohne Schaffner. Bisher gab es weder eine Straßen- noch S-Bahn in die früher nur dünn besiedelten Vororte im Nordwesten von Sydney, jetzt aber, nach einem Bauboom, fährt dorthin die modernste Bahnlinie der Welt.
Selbstöffnende und –schließende Bahnsteig- und Zugtüren, fahrerlose Züge mit Platz für 1.100 Passagiere, statt Begleitpersonal 38 Kameras an Bord: Sydney Metro ist vollautomatisch und rein computergesteuert. Ein Hightech-Transportsystem für umgerechnet viereinhalb Milliarden Euro.
Nach 13 Haltestellen entlang einer 36 Kilometer langen Strecke durch Tunnel und über Hochbrücken, ist Endstation. Nur 37 Minuten Fahrzeit von der City bis nach Tallawong. Dort liegt die mit Stacheldraht umzäunte Zentrale der Bahnlinie und im fensterlosen Erdgeschoss des Hauptgebäudes, hinter einer Sicherheitsschleuse mit Gesichtserkennungstechnik: das Nervenzentrum der Sydney Metro.
Eigenständiges Auslösen des Alarms
Cory Roeton ist der Betriebsleiter im Kontrollzentrum. Dank tausend Kameras entlang der Strecke und an den Haltestellen kann er auf riesigen Flachbildschirmen ablesen wo jeder Zug gerade ist oder wie viele Fahrgäste an den Bahnsteigen warten. Sieben Kollegen beobachten per Monitor ob der Computer Mängel oder Probleme meldet, dafür stehen Reparatur-, Bergungsteams und Ersatzbusse bereit.
Das Sydney Metro-System ist darauf programmiert völlig autonom zu sein. Es schlägt selbst Alarm und regelt, ohne Zutun von Cory Roetons Team, den Zugverkehr:
"Der Zug bewegt sich über Transponder, die, wie eine Art Barcode, dem Zentral-Computer seinen exakten Aufenthaltsort mitteilen, wie schwer der Zug ist und wie stark er für den nächsten Halt bremsen muss. Der Zug stoppt genau an einem vorausbestimmten Punkt am Bahnsteig und meldet das dem Computer. Erst wenn die Rückmeldung kommt: ‚Du bist an der richtigen Stelle‘ – erst dann öffnen sich in Millisekunden die Sicherheitstür an der Plattform und die Zug-Tür."
Offline-Operation aus Sicherheitsgründen
Steht der Tagesfahrplan, bekommen die benötigten Züge morgens einen codierten Weckruf. Danach fahren sie ihr Betriebssystem hoch und bringen sich selbst pünktlich zum Dienst an die Strecke. Beschleunigen und Bremsen die Signale, die Fahrplandisplays, die Beleuchtung oder die Liftanlagen an den Bahnhöfen: das gesamte System wird vom riesigen Zentralcomputer gesteuert. Der Rechner und ein identischer Backup-Computer operieren offline. Aus Sicherheitsgründen:
"Wir treffen die größtmöglichen Vorsichtsmaßnahmen was Cyber-Sicherheit betrifft", garantiert Nigel Holness, der Geschäftsführer der Sydney Metro:
"Wir müssen mit dem Risiko sich immer weiter entwickelnder Technologien Schritt halten. Damit Hacker keine Chance haben, testen wir ständig die Robustheit unseres Computersystems nach modernsten Standards."
Zu Stoßzeiten wird im Vier-Minutentakt in beide Richtungen gefahren. Seit der Eröffnung Ende Mai haben gut fünfeinhalb Millionen Fahrgäste die Sydney Metro genutzt - mehr als doppelt so viele wie erwartet. Trotz Anlaufschwierigkeiten, als wegen softwarebedingter Kommunikationsmängel zwischen Zentralcomputer und Strecke einige Züge Haltestellen ausließen, zu spät stoppten oder die vollautomatischen Türen minutenlang nicht öffneten. Sollte jemand nur noch Bahnhof verstehen, kann er von dort per Videocall direkt mit dem Kontrollzentrum sprechen.
"Ich fühle mich sicher", meint ein Fahrgast, "ich habe die Metro schon dutzende Male genommen und hatte jedes Mal eine gute, schnelle Fahrt." "Ich hätte lieber einen Schaffner", gesteht eine Frau, "aber der Zug ist fabelhaft. Ich werde wieder damit fahren."