Donnerstag, 28. März 2024

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Ausstellung "DEUSCTHLAND"
Böhmermann im Museum

Virtuos nutzt Jan Böhmermann bereits verschiedene Medien für seine Satiren: Radio, Fernsehen, Podcast, Videoplattformen, Streamingdienste. Jetzt geht er ins Museum und stellt Arbeiten zur deutschen Gegenwart aus. Mithilfe der bildenden Kunst will er den Status Quo Deutschlands zementieren.

Sigrid Fischer im Gespräch mit Achim Hahn | 23.11.2017
    Ein Banner wirbt am 23.11.2017 am Gebäude des NRW Forums in Düsseldorf für die Austellung "DEUSCTHLAND". Ab dem 24.11.2017 ist die Austellung des Satirikers Jan Böhmermann für die Öffentlichkeit zu sehen.
    Ein Banner wirbt am 23.11.2017 am Gebäude des NRW Forums in Düsseldorf für die Austellung "DEUSCTHLAND". (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Achim Hahn: Immer wieder gelingen dem satirischen Entertainer Jan Böhmermann ja virale Hits und Aufreger, die die sozialen Medien regelmäßig auf Trab halten. Und wenn er anfängt zu dichten, kann es auch schon mal juristische Probleme geben. Das alles reicht ihm aber offenbar noch nicht, jetzt will er auch noch ins Museum. Für seine Ausstellung DEUSCTHLAND (aber etwas falsch geschrieben) haben Böhmermann und sein Team Arbeiten angefertigt, die versuchen, das derzeitige Deutschland zu erfassen. Denn "Die Gegenwart muss mit Kunst bezwungen werden" heißt es in der Ankündigung. Dazu die Frage: Ist das noch Satire oder schon Revolution? Die gebe ich weiter an meine Kollegin Sigrid Fischer, die sich die Schau in Düsseldorf eben angesehen hat.
    Sigrid Fischer: Ja, ich würde sagen, ist beides. In der Böhmermann Satire liegt ja oft etwas Revolutionäres, wenn er sich zum Beispiel mit der nackten Kanzlerin ins Bett legt, wie er das ja in einem Video gemacht hat. Also hier war es fast etwas Revolution im Kunstbetrieb muss man sagen, denn das Museum wird zum Hochsicherheitstrakt, wenn Böhmermann anwesend ist. Und im Haus war er heute, auch wenn er sich nicht gezeigt und nicht gesprochen hat. Die Taschen wurden kontrolliert, Leibesvisitationen, Wasserflaschen mussten abgegeben werden. Denn seit dem Erdogan-Gedicht lebt er tatsächlich gefährlich.
    Und am Ausstellungseingang, also wenn man direkt in die Ausstellung geht, da ist es dann Teil der Inszenierung, da steht erst mal so ein kleines Passkontroll-Häuschen, links für die Deutschen, rechts für die Ausländer. Da muss man da hin, da kriegt man so einen farbigen Punkt, die Ausländer einen grünen und die Deutschen kriegen so einen pinkfarbenen Punkt. Ja, Handys abgeben, denn in der Schau herrschte auch Fotografier- Verbot, und dann geht es los.
    Und Merkel in Öl gibt es auch
    Hahn: Und was genau gibt es dann zu sehen?
    Fischer: Ja, auf dem Weg hier her fand ich den Graffitispruch auf einer Häuserwand 'Deutschland braucht mehr Fantasie'. Man muss ja sagen, wenn die eins haben - Böhmermann und sein Team - dann ist es wirklich Fantasie. Das Herzstück - muss ich sagen - der Ausstellung, ist dieses Reichspark-Projekt. Die haben so einen Messestand aufgebaut, wo jemand einen Erlebnispark für die ganze Familie plant, Deutsche Geschichte 33 bis 45 mit Virtual-Reality-Ride durch Stalingrad, die Dresdner Bombennacht, den Führerbunker, der dauert so sechs Minuten, das ganze als Modell aufgebaut, da sieht man dann auch die Gleise, die direkt in das KZ führen.
    Das ist natürlich heftig, schade ist - wer letzte Woche Böhmermann geguckt hat - NEO Magazin Royale - hat es letztlich als 'Mockumentary' gesehen. Insofern war der Überraschungseffekt da nicht mehr so groß. Aber es gibt nette Kleinigkeiten drum herum. Da gibt es den Sessel, in dem Björn Höcke gesessen hat in der ARD Talkshow am Sonntagabend, als Jauch noch moderiert hat und die Deutschlandfahne über die Lehne gehängt hat, und es gibt Merkels Wanderoutfit - angeblich original, wie ein Brief vom Kanzleramt vermerkt - dazu die Fotoserie Sulden - Südtirol 2012, Sulden - Südtirol 2013 und immer so weiter. Und Merkel in Öl gibt es auch im Kreise ihrer liebsten Verleger Burda und Springer.
    Er arbeitet sich am Merkel-Deutschland ab
    Hahn: Welches Deutschlandbild präsentiert uns denn da nun Jan Böhmermann in seiner Ausstellung?
    Fischer: Ja, er arbeitet sich ja immer schon an diesem Deutschland ab, besonders natürlich seit die AfD auf der Bildfläche erschienen ist, das 'hässliche Deutschland' ziehe da jetzt wieder auf. Er hat ja auch Anfang des Jahres ein Video gedreht, wo die 'guten Deutschen' die PEGIDA in die Flucht schlagen, "Be Deutsch". Und hier heißt es im Eingangsstatement, steht ja immer so auf den Wänden in den Museen so ganz modern, so draufgedruckt auf die weiße Wand, das moralische Pendel schlage zwischen Scham und Selbstbewusstsein im Moment und das Leben unter Merkel sei Blutdruck im Minusbereich, und wir fahren im ICE Anne Frank nach Bergen-Belsen, Deutschland sei keineswegs wiedervereint.
    Gute Unterhaltung, Ihr Chris Dercon steht dann darunter. Also, er arbeitet sich schon stark am Merkel-Deutschland ab, in dem das alles jetzt ja auch passiert ist, also dieser Rechtspopulismus und auch diese Lähmung, die da ist. Und ihn hat sie ja damals in Sachen Erdogan hängen lassen, seiner Meinung nach. Vielleicht auch ein bisschen persönliche Rache. Aber die Ausstellung fordere Haltung, sagt Alain Bieber, der Direktor.
    Investigative Entlarvungen
    Hahn: Ja, will er denn nur spielen? Diesmal mit dem Medium Kunstausstellung, oder geht es ihm wirklich um was?
    Fischer: Es geht ihm um was. Ich finde, es geht ihm übrigens meistens um was, auch in seiner Sendung. Er macht ja selten einfach nur Klamauk, er ist ja oft wirklich journalistisch, investigativ unterwegs, ich erinnere an 'Varoufake', wo er die ARD-Talkshow unter Jauch wirklich schlampiger, journalistischer Arbeit entlarvt hat, oder 'Verafake' und so weiter. Aber er veralbert ein bisschen auch das Medium Ausstellung, das ist ganz lustig, man muss unbedingt auf die Unterschriften zu den Werken gucken, da steht dann eben bei dem Björn-Höcke-Sessel, da steht dann eben drunter 'Deutschlandfahne auf Sessel: Björn Höcke 2015, Leihgabe: Haus der Geschichte'. Oder irgendwo steht 'Kugelschreiber auf Notizzettel', und da sieht man dann nur Kritzeleien, die er wahrscheinlich irgendwann einfach mal gemacht hat.
    Für Alain Bieber, den Direktor des Museums ist es wirklich Kunst, ist es Medienkunst. Er hat nochmal betont heute, viele im Team von Böhmermann kommen von der Kunsthochschule Köln, die haben Medienkunst studiert. Und deshalb muss ich auch sagen, wovor ich großen Respekt habe, egal, ob man es mag oder nicht mag: Handwerklich sind die Sachen einfach immer, ja, perfekt auch, die die machen.
    Hetzkekse statt Glückskekse
    Hahn: Also funktionieren die Kunstwerke auch ohne Böhmermann?
    Fischer: Ja, vielleicht für viele Menschen besser, denn man stellt ja fest, viele Leute sagen, äh, den Böhmermann, den mag ich gar nicht, da gucke ich nicht hin. Hier stehen die Werke für sich. Der Böhmermann ist gar nicht dabei in seiner Eitelkeit, man kann den ja auch eitel finden und überall muss er mitmischen, und jetzt auch noch ins Museum. Er ist nicht da, die Werke stehen für sich, das mag ein Vorteil sein. Ich habe übrigens ein kleines mitgebracht, es gab einen 'Hetzkeksautomaten', soll ich den mal eben aufmachen?
    Hahn: Ja, klar.
    Fischer: Ich knacke den Keks jetzt auf, ich habe echt da einen gezogen, aber ich weiß aber nicht, ob ich es im Radio vorlesen darf... 'eine Bullenmuschi Rolf Mittler', okay, lassen wir das so stehen.
    Hahn: Eine Ausstellung, die sich offenbar sehr lohnt, vielen Dank, Sigrid Fischer.