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Minensuche im Meer
Wie Forscher Munitionsaltlasten aufspüren wollen

Nach dem zweiten Weltkrieg wurde sehr viel Munition einfach ins Meer geworfen - und kann heute zur Gefahr für Mensch und Tier werden. Ein europäisches Forschungsprojekt soll nun neue Techniken entwickeln, wie alte Kampfmittel im Meer verlässlich aufgespürt werden können.

Von Tomma Schröder | 14.01.2020
Alte Munition auf dem Meeresboden
Wie viele Minen, Torpedos und andere Munitionskörper am Grunde der Meeren noch schlummern, ist nicht bekannt (imago / OceanPhoto)
"Und dann sehe ich hier wunderschöne, in dem Fall zweieinhalb Meter lange zylindrische Körper. Und die kann ich jetzt zählen und kann sagen: Das ist so ein Körper, das ist ein Körper, das ist ein Körper."
Der Geologe Jens Greinert sitzt an seinem PC am Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und zoomt in eine bunt eingefärbte Karte. Sie zeigt das Relief des Meeresbodens, die Bathymetrie der Kieler Förde. An der Stelle, die Greinert heranzoomt, sieht es aus, als hätte jemand auf dem ebenmäßig abfallenden Boden ein paar Streusel verteilt.
"Bei der Länge und dem Durchmesser, den ich hier sehe, kann ich sagen: Es ist wahrscheinlich eine Grundmine. Längere Körper, die sind jetzt nicht auf der Karte, die sind so fünf Meter lang, da kann ich sagen, das ist ein Torpedo."
Wie viele Minen, Torpedos und andere Munitionskörper am Grunde der Ostsee und anderer europäischer Meeren noch schlummern, weiß Greinert nicht. Es gibt eine Schätzung, nach der in den deutschen Gebieten der Nord- und Ostsee etwa 1,6 Millionen Tonnen alte Munition und rund 5.000 Tonnen chemische Kampfstoffe liegen. Doch die Zahlen gelten als sehr unsicher. Denn man weiß gar nicht genau, wo überall Munitionsreste liegen.
Unterwasserroboter sollen nach magnetischen Körpern suchen
Im europäischen Forschungsprojekt "Basta" will Greinert daher mit anderen deutschen und belgischen Forschern eine neue Technik zum Auffinden von Munition entwickeln. Im Gegensatz zu bisherigen Methoden sollen die Messgeräte dann nicht mehr von einem Schiff über den Meeresboden geschleppt werden.
"Was wir jetzt in dem "Basta"-Projekt machen wollen, ist AUVs - Autonomous Underwater Vehicles – also ein robotisches System, was autonom in der Wassersäule rumschwimmen kann, mit Magnetometern auszustatten, dass die automatisch magnetische Körper finden und dabei selber lernen. Also sich dann automatisch zurechtfinden, wissen, wo sie hingehen sollen, wissen: ok, wenn dieses Objekt, was ich aus der bathymetrischen Karte eventuell schon kenne, wenn das nicht magnetisch ist und das nächste auch nicht und das dritte auch nicht, dann sind wahrscheinlich die anderen fünfhundert, die ähnlich aussehen in der Bathymetrie, das auch nicht. Also fahre ich zu anderen Lokationen.‘"
Genaues Bild vom Meeresboden senkt Fehlerquote
Am Ende des Projektes, sollen diese Unterwasserroboter jedoch nicht nur magnetische Messungen machen, sondern mit verfeinerten hydroakustischen Methoden auch in den Meeresboden schauen. Dort könnte dann vom Sediment verdeckte Munition aufgespürt werden. Zudem sollen die AUV auch Fotos von verdächtigen Gegenständen machen, um eventuell bewachsene Munition genauer betrachten zu können, aber auch um die Fehlerquote zu senken. Denn wenn heute etwa ein neues Windpark-Gebiet von einem Schiff aus überprüft wird, sind neun von zehn Munitionsfunden Fehlalarme – schlichtweg, weil es auch sehr viel anderen Schrott auf dem Meeresboden gibt.
Die Fototechnik haben Greinert und seine Kollegen bereits in einem Vorläuferprojekt ausprobiert. Greinert zoomt in ein neues Gebiet. Statt der bunten Reliefkarte sieht man nun ein richtiges Bild des Meeresbodens.
"Das ist nämlich das Gebiet mit diesem offen liegenden TNT. In dem Bild hab ich hier so einen grauen Block liegen. Das ist Schießwolle 39, irgendwie deutscher Sprengstoff. Und das hier ist auch ein Sprengstoff, der aber leuchtend orange ist. Und da wissen wir gar nicht so ganz so genau, es kann sein, dass das irgendwas, eine britische Mixtur ist, die da gelandet ist."
Die Zeit drängt
Die Bilder machen ein Problem offensichtlich, das mit der Zeit dringlicher werden wird: Die Munitionskörper rosten weg, der Sprengstoff bleibt. Das führe zum einen dazu, dass sich die Stoffe dann kaum noch entdecken lassen – weder magnetisch, noch optisch über die Form, sagt der Kieler Kollege und Umweltwissenschaftler Torsten Frey.
"Und das andere ist, dass man schon davon ausgeht, dass in ein paar Jahren es natürlich dazu kommen kann, dass dann mal irgendwann eine kritische Menge an Bomben durchrostet und gleichzeitig Explosivstoffe abgibt, die krebserregend sind und Tumore in Fischen hervorrufen, die dann womöglich auf unserem Speisezettel landen könnten."
In dem Forschungsprojekt soll daher auch eine moderne Datenbank entstehen, in der Munitionsfunde genau verzeichnet sind. Und dann, so meinen die beiden Forscher, wäre es dringend Zeit für ein Monitoring, damit man weiß, wo wie viel Sprengstoff freigesetzt wird und welche Folgen das haben kann.