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NRW-Landtagswahl
Die Wahl an Rhein und Ruhr als letzter Stimmungstest

Am kommenden Sonntag wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Die NRW-Wahl galt schon immer als kleine Bundestagswahl: Bei dieser "Generalprobe" könnten sechs Parteien in den Landtag einziehen, laut jüngsten Umfragen hat die regierende rot-grüne Koalition dort keine Mehrheit mehr - die spätere NRW-Koalition könnte Signalwirkung für den Bundestagswahlkampf haben.

Von Moritz Küpper | 08.05.2017
    Wahlplakate der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten in Düsseldorf. Links ein Plakat der CDU mit Laschet und rechts eines der SPD mit Kraft.
    Wahlplakate der nordrhein-westfälischen Spitzenkandidaten 2017 (picture alliance / Martin Gerten/dpa)
    "Der Bundeskanzler und ich haben uns vorgenommen, morgen früh im Präsidium und am Dienstag im Parteivorstand der SPD, vorzuschlagen, dass wir in diesem Herbst Bundestagswahlen in Deutschland anstreben."
    Es war ein Paukenschlag, als der damalige SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering an einem Sonntag im Mai 2005 vor die Kameras im Willy-Brandt-Haus trat. Nach 39 Jahren hatte die SPD gerade die Macht in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen verloren, kurz darauf, begann die Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Doch anders als vor zwölf Jahren, wird sich dies nun nicht wiederholen, die Bundestagswahl ist bereits auf den 24. September terminiert. Doch die Wahl an Rhein und Ruhr wird so zum letzten Stimmungstest davor:
    "Es ist quantitativ hochgewichtig, weil so viele niemals an eine Wahlurne gehen, wie in NRW im Vergleich zu allen anderen Bundesländern. Es ist qualitativ wichtig, weil der Parteienwettbewerb der Republik sich vielfach an der Parteienkonstellation hier in NRW entschieden hat."
    Unterstreicht der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen deren Bedeutung. 13 Millionen Wahlberechtige gibt es in NRW, fast ein Viertel aller Wahlbürger bundesweit. Und häufig waren Abstimmung dort auch Vorboten für politische Wechsel auf Bundesebene: 1966 beispielsweise, gelang es der SPD in Düsseldorf, die FDP aus einer Koalition mit der CDU herauszubrechen, in Bonn gab es bald darauf dann eine sozial-liberale Koalition. Auch der Bildung der rot-grünen Bundesregierung 1998 gingen drei Jahre Rot-Grün in Düsseldorf voraus. Und heute?
    "Und dann werden wir die stärkste Partei in diesem Land. Und dann werde ich Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland."
    Martin Schulz tritt über 30 mal in NRW auf
    Der Mondpalast in Herne, am 1. Februar. Hier, bewusst mitten im Ruhrgebiet, hatte Martin Schulz einst seinen ersten großen Auftritt als SPD-Kanzlerkandidat außerhalb der Hauptstadt. Die Partei jubelte. Über 30 Veranstaltungen wird Schulz bis zum kommenden Wahlsonntag in NRW gemacht haben, mehr als dreimal so viele wie die Kanzlerin. In NRW geht es zwar eben nicht direkt um das Kanzleramt, sondern nur um die Düsseldorfer Staatskanzlei. Doch gerade für die regierenden Sozialdemokraten und eben auch für den Rheinländer Schulz, geht es – erst recht nach den deutlichen Verlusten in Schleswig-Holstein – in ihrem Stammland, fast um alles.
    Laut jüngsten Umfragen hat die rot-grüne Landesregierung dort keine Mehrheit mehr, CDU und SPD liegen fast gleichauf an der Spitze. Die Grünen zittern um den Wiedereinzug ins Landesparlament. Für die klassischen Bündnisse, also eben rot-grün oder schwarz-gelb, finden sich aktuell keine Mehrheiten. Dreier-Bündnisse wie die Ampel sowie ein Jamaika-Bündnis haben FDP und Grüne bereits ausgeschlossen. Eine Revision dieser Position scheint angesichts der anstehenden Bundestagswahl aus Glaubwürdigkeitsgründen unwahrscheinlich, weshalb es nun auf eine Große Koalition hinauslaufen könnte:
    "Ich unterbreche die Koalitionsverhandlungen nur ungern", rief FDP-Chef Christian Lindner daher bei der TV-Wahl-Arena beim Zwiegespräch zwischen SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet spöttisch dazwischen. Auch und gerade für die Liberalen hat die NRW-Wahl eine besondere Bedeutung. Denn hier tritt Lindner als Spitzenkandidat an – um dann vier Monate später die FDP möglichst wieder in den Bundestag zu führen. Ein Glaubwürdigkeitsproblem sieht er aber nicht:
    "Wer die FDP will und wer auch mich unterstützen will dabei, die FDP wieder zu einem Faktor der Bundespolitik zu machen, der hat dieses Jahr eben zwei Mal die Möglichkeit dazu, auch bei der NRW-Landtagswahl kann man, neben einer Veränderung der Landespolitik, auch ein Signal in die Republik senden."
    Bei 13 Prozent wurden die Liberalen zuletzt taxiert. Eine sozial-liberale Koalition könnte möglich werden. Dieser Variante wären Ministerpräsidentin Kraft, aber eben auch SPD-Spitzenmann Schulz wohl nicht abgeneigt. Bliebe der SPD in Land und Bund noch die Variante Rot-Rot-Grün, die Kraft zwar nicht will, aber auch nicht hundert Prozent ausschließt.
    Signalwirkung zwischen Land- und Bundestagswahl
    "Rot-Rot-Grün würde sicherlich den Merkel-Wahlkampf anstacheln geradezu, weil endlich eine klare Lagerbildung erkennbar wäre. Mobilisierung löst Gegenmobilisierung aus, das Feindbild wäre klarer im Parteienspektrum. Es wäre eine ganz eindeutige Vorfestlegung", meint Politikwissenschaftler Korte. Voraussetzung wäre ohnehin, dass es die Linke in den NRW-Landtag schafft. Aktuell steht sie auf der Kippe, doch für deren Spitzenkandidatin Özlem Demirel gibt es eine Signalwirkung zwischen Land- und Bundestagswahl, weil…
    "Das Entscheidendste ist natürlich für uns, dass wir eine Partei sind, die im Westen, in Flächenländern noch stärker werden muss und Nordrhein-Westfalen mit dem einwohnerstärksten Bundesland ist das Entscheidendste."
    Und letztendlich könnten so sechs Parteien im Düsseldorf Landtag landen. Sicher scheint nur, dass die AfD hineinkommt und dass es die Piraten nicht schaffen: Der NRW-Landtag wird wohl das letzte Landesparlament sein, in dem die Partei ausscheidet, deren Spitzenkandidat Michele Marsching sagte seinem Team bereits: "Wir sind realistisch, bewirb Dich beim Arbeitsamt und wenn es wieder klappt, dann kommst Du halt am Ende zurück."