Konzertexperiment Restart-19

Mit Tim Bendzko den Aerosolen auf der Spur

04:31 Minuten
22.08.2020, Sachsen, Leipzig: Helfer aus dem Hygiene-Team verfolgen während eines Großversuchs der Universitätsmedizin Halle/Saale in der Arena Leipzig ein Konzert des Sängers Tim Bendzko. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
Tim Bendzko stellte sein Konzert in Leipzig in den Dienst der Wissenschaft: Forscher untersuchten das Ansteckungsrisiko. © picture alliance / dpa-Zentralbild /Hendrik Schmidt
Von Niklas Offersbach · 29.10.2020
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Tim Bendzko sang - und die Forscher der Universität Halle erhoben Daten. Das Ziel von Restart-19 war, herauszufinden, ob Konzerte trotz Corona möglich sind. Ergebnis der Studie: Sie sind es, aber mit strengen Auflagen.
Keine Kultur ist auch keine Lösung: Das hat der Dekan der Universitätsmedizin Halle gleich zu Beginn klargestellt. Und die Ergebnisse der Studie Restart-19 zeigten, dass es bei Konzerten in Pandemiezeiten nicht um ein "ob" gehe, sondern um ein "wie".

Maximalforderungen sind zu einfach für komplexe Lösungen

Differenzierung sei wichtig, sagt Dekan Michael Gekle: "Diese Lösungen sind aber nicht gleichzusetzen mit Maximalforderungen, egal in welche Richtung. Maximalforderungen sind zu einfach für komplexe Lösungen, sie sind auch fantasielos."
Zur Erinnerung: Beim Test-Konzert in Leipzig ging es um drei Dinge: die Anzahl und Länge der Kontakte des Publikums, das wurde mithilfe von sogenannten Kontakt-Tracern gemessen. Zweitens: den Einfluss der Raumlufttechnik auf die Aerosol- und damit eine mögliche Virenverteilung. Und drittens ein epidemiologisches Modell. Das soll berechnen, wie viele zusätzliche Coronafälle in einer Stadt wie Leipzig durch Konzerte dazukommen würden.
Das Ergebnis: Konzerte sind möglich, allerdings nicht bei voller Auslastung. Am besten bestuhlt, weil so die Kontakte überschaubar bleiben. Mundschutz permanent, auch am Platz. Möglichst viele Einlassschleusen, Wartebereiche im Freien. So die Empfehlungen von Studienleiter Stefan Moritz. Mit am wichtigsten jedoch: das Raumlüftungskonzept.
"Wo wir selber ein bisschen überrascht waren: Wie bei einer schlechten Lüftung die Aerosol-Exposition so dramatisch ansteigen kann", sagt Moritz. "Klar, haben wir die Luftmenge deutlich reduziert. Wir haben so circa 40 Prozent der Luftmenge weggenommen. Dass die Ausmaße so groß sind, hätte ich nicht erwartet. Und das zeigt natürlich, dass so viele Ansteckungen durch so ein Event stattfinden."

Jede Konzerthalle ist anders

Allerdings haben nicht alle Konzerthallen gleich acht Ablufttürme wie die Arena Leipzig. Rund 200.000 Kubikmeter Luft können hier pro Stunde ausgetauscht und damit die Aerosolkonzentration erheblich verdünnt werden. Die Frage bleibt: Wie übertragbar sind die Ergebnisse von Restart-19?
Studienleiter Stefan Moritz sagt: "Interessanter wird das Ganze, wenn wir über mittelgroße oder kleine Veranstaltungsstätten bis 1.000 Teilnehmer reden. Die haben häufig keine gute Lüftungstechnik verbaut. Da kriegt das ein ganz besonderes Gewicht. Aber schlussendlich: Man muss jede einzelne anschauen und wir brauchen dafür ein Bewertungskonzept. Ob die sicher oder nicht sicher sind."

Forderung nach Geld von Bund und Ländern

Deshalb der Appell der Forscher aus Halle: Es brauche auch Geld von Bund und Ländern, damit Konzertveranstalter sich besser ausrüsten können. Armin Willingmann hat als Wissenschaftsminister von Sachsen-Anhalt die Studie mitgefördert. Er sieht nun vor allem den Bund in der Pflicht.
"Dann sollten wir möglichst schnell versuchen, mit dem Bund zu reden. Nicht nur Unternehmen zu unterstützen, die jetzt in Not sind, sondern all jene, die bereit sind, in neue Lüftungstechnik zu investieren, um damit in Zukunft Unternehmensgeschäfte durchführen zu können. Vor dem Hintergrund glaube ich, dass wir im November einiges zu tun haben werden. Wir müssen uns mal Gedanken machen, wie wir das in der Wirtschaft begleiten."
Und wie sieht es die Veranstaltungswirtschaft? Matthias Kölmel, Chef der Betreibergesellschaft der Arena Leipzig, geht mit einem guten Gefühl nach Hause. "Das sind jetzt auf jeden Fall positive Erkenntnisse. Jetzt gilt‘s daran zu arbeiten, einen Plan mit der Politik zu machen. Um nach diesem Lockdown light starten zu können."
Das ist dem Arenabetreiber aus Leipzig wichtig: Nach der zweiten Welle müsse die Veranstaltungsbranche wieder ihre Konzert- und Sportarenen öffnen dürfen. Die Ergebnisse von Restart-19 seien da die besten Argumente.
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