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GDBA-Chef: Mehdorn muss politische Verantwortung übernehmen

Der Vorsitzende der Bahngewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, rechnet in den kommenden Tagen mit der Ablösung von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn. Dieser habe als Vorstandsvorsitzender die politische Verantwortung für die Datenaffären. Hommel betonte, der Bund müsse die Personalangelegenheit als Eigentümer konsequent und zügig regeln. Ansonsten würden die Gewerkschaften den politischen Druck erhöhen.

Klaus-Dieter Hommel im Gespräch mit Elke Durak | 30.03.2009
    Elke Durak: Die Datenaffäre bei der Bahn ist längst zur Affäre Mehdorn geworden. Der Druck auf die Politik, den Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn von seinem Amt zu entbinden, ist vor allem von Seiten der Gewerkschaften groß.
    Am Telefon ist der Vorsitzende einer der drei Bahngewerkschaften, Klaus-Dieter Hommel, GDBA-Chef und auch Mitglied im Aufsichtsrat. Guten Morgen, Herr Hommel.

    Klaus-Dieter Hommel: Schönen guten Morgen!

    Durak: Glauben Sie, dass sich heute wirklich irgendjemand für die Bilanz der Bahn interessiert, wenn Herr Mehdorn um 11 Uhr vor die Presse geht?

    Hommel: Ich gehe davon aus, dass das Thema Bilanz in den Hintergrund treten wird. Herr Mehdorn wird Stellung nehmen müssen zu den Vorwürfen, die letzten Freitag laut geworden sind. Das ist das öffentliche Interesse. Und ich hoffe auch, dass Herr Mehdorn das Wochenende möglicherweise genutzt hat, um seine eigene Position noch einmal zu überdenken, denn ich denke, es ist Zeit, die politische Verantwortung für das zu übernehmen, was in den letzten Jahren bei der Bahn im Hinblick auf die Bespitzelung der Mitarbeiter geschehen ist.

    Durak: Wann sollte Mehdorn denn zurücktreten oder abgelöst werden?

    Hommel: Es geht hier nicht um die Frage des "wann", sondern es geht jetzt hier um einen zügigen Vorgang. Herr Mehdorn hat die Gelegenheit gehabt und hat sie natürlich weiterhin. Ob er das tut oder nicht tut, das ist jetzt allein seine Entscheidung. Jetzt ist der Eigentümer gefordert, die Bundesregierung muss jetzt hier aus meiner Sicht sehr konsequent und natürlich auch sehr zügig handeln. Dabei kommt es nicht auf einen Tag an, sondern auf eine sehr vernünftige Personalentscheidung, die wir natürlich mit der Forderung verbinden, jetzt auch die Zukunft des Unternehmens zu beschreiben. Wir werden keinen Kandidaten akzeptieren auf der Arbeitnehmerseite, der den Verbundgedanken für den integrierten Konzern nicht genauso wie wir sieht.

    Durak: Moment, Moment! Bevor Sie beim Neuen sind, wollte ich noch mal gerne beim Alten bleiben. Wollen Sie nicht die Untersuchungen abwarten, den schriftlichen Bericht der Sonderermittler, der bis zur turnusmäßigen Aufsichtsratssitzung Mitte Mai ja vorgelegt werden soll?

    Hommel: Das ist unser Problem ja gewesen. Wir haben erreicht als Arbeitnehmervertreter, dass der Bahn die Untersuchungen aus der Hand genommen wurden. Wir waren es, die die Sonderermittler, wie sie jetzt in der Öffentlichkeit heißen, eingesetzt haben, und wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass wir den Bericht natürlich selbstverständlich abwarten wollen, weil sich herausstellen sollte, wer die Verantwortung trägt. Das war bis vorigen Freitag einfach richtig.

    Allerdings hat die flächendeckende E-Mail-Untersuchung dazu geführt, dass wir sagen mussten, es geht nicht mehr allein darum, wer etwas gewusst hat und wer letztendlich Aufträge erteilt hat, sondern hier ist der Vorstand gefragt, die politische Verantwortung zu übernehmen, und das ist, weil es in seinen Zuständigkeitsbereich fällt, der Vorstandsvorsitzende Herr Mehdorn. Natürlich werden wir jetzt, um auch die Dinge rechtlich zu würdigen, den Zwischenbericht abwarten. Wir haben gefordert, dass er sehr zügig vorgelegt wird; er ist uns bis Ende April angekündigt. Und dann wird sich zeigen, wer noch Verantwortung trägt, denn ich bin mir sehr sicher: Es ist Herr Mehdorn nicht alleine gewesen, der für diese Untersuchung zuständig ist.

    Durak: Das heißt, so lange sollte, könnte Mehdorn im Amt bleiben, bis Ende April?

    Hommel: Nein. Ich glaube, diese Hängepartie sollten wir uns nicht leisten, weil die Situation des Unternehmens nicht leicht ist und gerade die Kolleginnen und Kollegen ja in den letzten Monaten, was diese Affäre anbelangt, sehr viel aushalten mussten, allerdings auch sehr viel Geduld gehabt haben, jetzt erwarten, dass ein politisches Signal gesetzt wird, und das ist der Rücktritt beziehungsweise die Ablösung des Vorsitzenden. Und ich glaube, das wird in den nächsten Tagen auch geschehen.

    Durak: Zuvor sagten Sie, man müsse weiter gehen als sozusagen bis zum Amt des Vorstandsvorsitzenden. Das heißt, Sie wollen in die Strukturen, in die Führungsetagen?

    Hommel: Ja. Wir wollen sehen, wer ist denn hier für die Dinge, die passiert sind, zuständig, wer trägt rechtliche, möglicherweise auch strafrechtliche Verantwortung, und wir ziehen den Kreis natürlich auch bewusst weiter. Wir haben unsere Forderung der Politik gegenüber erneuert, hier für Rechtsklarheit zu sorgen, denn wie wir ja der öffentlichen Berichterstattung entnehmen können, sagt Herr Mehdorn, es ist nichts Unrechtmäßiges passiert, andere Juristen sagen, es sind sogar strafbare Handlungen gewesen. Das zeigt deutlich, dass dringend ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz geschaffen werden muss, um auch in Zukunft, insbesondere für die Zukunft solche Dinge zu verhindern und Klarheit zu schaffen.

    Durak: Der Aufsichtsrat ist ein Rat, der Aufsicht üben sollte und müsste und es auch tut für Unternehmen. Die Gewerkschaften gehören dem Aufsichtsrat an. Haben sie etwas vernachlässigt, dass ihnen so was durchgerutscht ist, was ja im Vorstand passiert ist?

    Hommel: Nein. Wir haben absolut nichts vernachlässigt, weil wir im Aufsichtsrat über diese Dinge nicht informiert wurden, lediglich über die Tatsache - und das ist durchaus zulässig -, dass die Bahn sich sehr intensiv mit dem Thema Korruption beschäftigt und das ist ein Thema, was auf der Basis der rechtsstaatlichen Möglichkeiten von jedem Unternehmen auch durchaus umgesetzt werden kann. Hier ist der Aufsichtsrat über diese Dinge in den letzten Jahren absolut nicht informiert gewesen.

    Durak: Was werden Sie tun, Sie, die Gewerkschaften - und ich nehme Sie jetzt mal als GDBA-Chef für alle an, auch für die anderen beiden -, was werden Sie tun, wenn Mehdorn überhaupt nicht daran denkt zurückzutreten - bisher ist er ja so - und die Kanzlerin wie gewohnt weiter zögert?

    Hommel: Wir haben keine Möglichkeit, weil wir die Mehrheit im Aufsichtsrat nicht haben, über Entscheidungen eine Ablösung herbeizuführen. Wir erwarten allerdings - und da bin ich mir sehr sicher -, dass aufgrund unserer Forderungen, die wir am Freitag vorige Woche dann stellen mussten, jetzt der Eigentümer sehr zügig handeln wird, und ich bin mir sehr sicher - und der Ruf geht auch an die Politik -, man kann ein Unternehmen nicht gegen den Willen der Beschäftigten führen, und das wird dazu führen, dass in Kürze eine Personalentscheidung folgt, so dass wir in diese Situation überhaupt nicht kommen werden.

    Durak: Das sind Erwartungen. Denen muss ja nicht nachgegeben werden.

    Hommel: Ja. Die Situation ist so wie sie ist. Die Rechtslage ist so wie sie ist. Uns stehen natürlich nur die Mittel zur Verfügung, die uns das Aktienrecht bietet.

    Durak: Nämlich?

    Hommel: Wir werden natürlich immer wieder, sollte sich diese Geschichte hinziehen, auf dieses Problem hinweisen. Ich bin aber sehr sicher, dass unsere Erwartungen, die ich gerade geäußert habe, auch umgesetzt werden.

    Durak: Bei der GDBA sind Beamte?

    Hommel: Ja.

    Durak: Die anderen könnten streiken?

    Hommel: Nein. Es geht hier nicht um Streik. Es sind Meldungen am Wochenende durch die Medien gelaufen, dass da jemand mit Streik gedroht hätte. Da war jemand sehr übereilig, hier Überschriften zu generieren. Hier geht es nicht um Streik. Dieses ist kein Streiktatbestand. Wir haben wie gesagt die Möglichkeiten über den Aufsichtsrat und über die politische Diskussion, möglicherweise auch über Aktionen, aber darüber jetzt nachzudenken, zum jetzigen Zeitpunkt, wo genau möglicherweise 48 Stunden nach unserer Forderung noch keine Entscheidung gefallen ist, halte ich für verfrüht. Hier braucht man jetzt sicherlich den einen oder anderen Tag Zeit. Wir werden allerdings nicht zulassen, dass die Dinge verschleppt werden. Wir wollen klare Entscheidungen, wir wollen die weitere Untersuchung, wir wollen aber auch die Rechtssicherheit, die die Politik herstellen muss.

    Durak: Herr Hommel, Sie hören: Ich suche nach Ihrem Druckmittel.

    Hommel: Unser Druckmittel ist letztendlich die politische Diskussion, aber auch möglicherweise der Protest, und ich glaube schon, dass unser Druckmittel wirkt, denn wir haben A die Untersuchung gefordert, B am Freitag den Rücktritt gefordert. Danach ist die Politik munter geworden und der Eigentümer hat es in der Hand, nicht Herr Mehdorn, sondern der Eigentümer entscheidet über die Personalie des Vorstandsvorsitzenden, im Übrigen alle anderen Personalien, und wenn er die Entscheidung trifft, Herrn Mehdorn abzulösen, dann kann sich Herr Mehdorn dagegen nicht mehr wehren.

    Durak: Was verlieren Sie denn, wenn Mehdorn geht? Sie haben ja lange zu ihm gehalten. Das muss ja Gründe gehabt haben.

    Hommel: Ja. Wir haben an sich nicht zu ihm gehalten, sondern wir haben eine vernünftige Untersuchung angestrengt und diese Untersuchung, denke ich, ist auch in Ordnung, wenn man Ergebnisse haben will. Was wir verlieren ist natürlich ein Vorstandsvorsitzender, der sich sehr stark für den integrierten Konzern eingesetzt hat, der damit dafür gesorgt hat, dass wir aus unserer Sicht den konzernweiten Arbeitsmarkt erhalten und weiterentwickeln konnten, und diese Konzernphilosophie ist für uns weiterhin auch in der Zukunft entscheidend. Ich hatte das an anderer Stelle ja bereits gesagt: auch für eine zukünftige Personalie - und es wäre völlig zu kurz gesprungen, wenn man hier nur eine Übergangslösung treffen würde, sondern wir wollen von der Politik jetzt wissen, wie geht es mit dieser Bahn AG im Interesse der Beschäftigten, nämlich mehr als 220.000 Kolleginnen und Kollegen weiter.

    Durak: Klaus-Dieter Hommel, Vorsitzender der Bahngewerkschaft GDBA. Danke für das Gespräch, Herr Hommel.

    Hommel: Bitte schön.

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