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Zwei Jahre nach dem Erdbeben
Amatrice hofft auf den Wiederaufbau

Vor zwei Jahren bebte die Erde in der italienischen Stadt Amatrice, fast 300 Menschen verloren ihr Leben. Obwohl Bagger inzwischen viele Trümmer weggeräumt haben, zieht sich der Wiederaufbau in die Länge. Das ist für die Bewohner schwer erträglich. Die Hoffnung geben sie aber nicht auf.

Von Lisa Weiß | 24.08.2018
    Ein beim Erdbeben in Amatrice zerstörtes Haus, davor Trümmer
    Das zerstörte Haus von Sergio Serafini in Amatrice (Deutschlandradio/Lisa Weiß)
    "Wir sind im Herzen des historischen Zentrums von Amatrice – auf geht’s, ich bringe euch zu meinem Haus, also zu dem, was davon übrig ist."
    Sergio Serafini, der im Rathaus von Amatrice arbeitet, steht mitten in der sogenannten Roten Zone und blickt auf die ausgedehnten Schuttfelder. Es ist schwierig, sich hier zu orientieren. Wo früher Gassen und Häuser waren, sind nur noch Trümmer – auch jetzt, zwei Jahre nach dem ersten der verheerenden Erdbeben. Sergio Serafini zeigt auf einen jungen Baum, der auf einem Schutthaufen wächst. Genau hier stand sein Haus, sagt er. Bis zum Erdbeben.
    "Die Wand ist zusammengebrochen, nicht das Dach, zum Glück. Aber die Wand ist auf mich gefallen, ich konnte mich nicht mehr bewegen. Mein Bruder hat mich befreit, nach einer Stunde, um halb fünf."
    Auf den ersten Blick hat sich wenig getan
    Für viele, die hier gewohnt haben, die Angehörige verloren haben, ist es immer noch unerträglich, den Ortskern zu betreten, sagt Serafini. Ohnehin darf man hier nur mit Sondererlaubnis rein, muss Helm und Sicherheitsschuhe tragen. Den Eingang kontrolliert das italienische Militär.
    Bagger räumen Schutt zur Seite, an einem Förderband stehen sechs Menschen, sortieren die Trümmer nach Rohstoffen. Es wirkt nicht so, als wäre das erste Erdbeben wirklich schon zwei Jahre her, im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich auf den ersten Blick wenig getan – nur führt jetzt eine asphaltierte Straße durch die Rote Zone. Sergio Serafini glaubt trotzdem, dass Amatrice irgendwann wieder aufgebaut wird – der Ort sei zum Symbol geworden, sagt er. Doch vieles ist noch unklar.
    "Wir wissen noch nichts, keiner kann uns sagen, wie Amatrice überhaupt wiederaufgebaut werden soll. Sicher werden nicht alle wieder da wohnen können, weil nicht mehr so hoch gebaut werden wird, glaube ich. Aber man weiß es nicht, die Diskussion hat noch nicht begonnen."
    Aber für Amatrice ist es ein Problem, dass der Wiederaufbau so lange dauert. Auch, weil der Ort abhängig vom Tourismus ist, viele Italiener hatten ein Ferienhaus hier. Doch jetzt, wo alles in Schutt und Asche liegt, wenden sie sich anderen Orten zu.
    Geldverschwendung, langsames Arbeiten
    Ein paar Kilometer weiter, in einem vollbesetzten Lokal im Ortsteil Sommati, freut sich Nando Bonanni, uns wiederzusehen. Beim letzten Besuch vor einem Jahr saß er beschäftigungslos neben seinem zerstörten Restaurant, fühlte sich obdachlos, verzweifelt.
    "Deprimiert, genau. Dieses Jahr haben wir uns wieder aufgerappelt, wir haben am ersten Mai wiedereröffnet, das Lokal ist gut geworden. Der Staat hat geholfen, aber nur wenig, aber wir haben es dennoch hinbekommen."
    Neben dem alten, einsturzgefährdeten Restaurant steht jetzt ein großes Holzhaus – errichtet vom Staat. Küche, Einrichtung und vieles andere musste die Familie aber selbst zahlen, sagt Nandos Sohn Angelo. Etwa 250.000 Euro haben die Bonannis dafür ausgegeben – unnütz, glauben sie. Denn für den Staat ist klar: Das Restaurant muss bald wieder umziehen.
    "Obwohl ich mein Geld investiere, ist das ihrer Ansicht nach eine provisorische Struktur. Obwohl der Staat dafür eine halbe Million Euro gezahlt hat - sobald wir wieder in unser altes Restaurant können, wird das hier abgerissen."
    Geldverschwendung, langsames Arbeiten, Hilfe, die sich nicht daran orientiert, was die Menschen wirklich brauchen – das seien die Probleme hier, sagen die Bonannis. Nando Bonanni zeigt auf das alte Restaurant – immer noch stehen die Reste.
    "Ich gehe immer mal wieder rein, um nach dem Rechten zu schauen, es ist ja noch da. Ich hoffe, dass sie es bald abreißen, damit ich es nicht mehr sehe. Sonst weine ich."