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GDL verteidigt Lohnforderung von 31 Prozent

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat ihre Forderung nach nach 31 Prozent mehr Lohn für Lokführer bekräftigt. Der Vorsitzende Manfred Schell sagte, die Lokomotivführer verdienten derzeit trotz ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit nur etwa 1.500 Euro netto im Monat. Dies sei völlig unangemessen.

Moderation: Dirk-Oliver Heckmann | 03.07.2007
    Dirk-Oliver Heckmann: Ab fünf Uhr heute Früh hieß es "nichts geht mehr". Die Bahngewerkschaft der Lokomotivführer hatte ihre Mitglieder zu einem bundesweiten Warnstreik aufgerufen, um ihrer Forderung nach bis zu 31 Prozent mehr Lohn und Gehalt Nachdruck zu verleihen. In Nord- und Ostdeutschland, in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg fuhr kaum noch ein Zug. Der S-Bahn-Betrieb ruhte in Berlin und Stuttgart. Behinderungen gab es rund um Frankfurt am Main und München. Das befürchtete Chaos auf den Bahnhöfen aber ist weitgehend ausgeblieben. Viele Pendler waren offenbar auf das eigene Auto oder Fahrrad umgestiegen. Kurz vor dieser Sendung habe ich mit dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer gesprochen, mit Manfred Schell. Meine erste Frage an ihn lautete: Ein bundesweiter Warnstreik, der fast den gesamten Zugverkehr lahmlegt. Wäre es nicht auch eine Nummer kleiner gegangen?

    Manfred Schell: Es wäre eine Nummer kleiner gegangen, aber aus zwei Gründen haben wir uns dafür entschieden. Wenn der Vorstand uns mitteilt, dass nach seinen Erkenntnissen unsere Mitglieder gar nicht hinter einer Arbeitsaktion stehen und auch mit unseren Forderungen nicht konform gehen, dann mussten wir ihm das beweisen, wie unsere Mitglieder dahinter stehen. Außerdem wollten wir es eben mit der berühmten Nummer größer machen, dass er nun endlich sich bewegt, nach 130 Tagen mit uns in die Verhandlungen einzutreten.

    Heckmann: Aber es liegt der Verdacht nahe, dass Sie die Bahnkunden zu Geiseln zur Durchsetzung Ihrer Interessen machen?

    Schell: Das ist mit Sicherheit falsch. Nur wir können nicht 130 Tage auf ein Angebot warten und der Vorstand lehnt es kategorisch ab, mit uns zu verhandeln. Dann stellt sich für uns die Frage, was sollen wir jetzt machen. Dann ist es nun mal schlicht und einfach so bei einem Arbeitskampf eines Verkehrsunternehmens, dass letztendlich die Leidtragenden immer unsere Kunden sind. Wir wissen genau, dass die Kunden uns auch bezahlen, dass wir deren Geld in der Lohntüte haben.

    Heckmann: Sie haben schon gesagt, Herr Schell, Sie hätten einen langen Atem. Das heißt Sie schließen auch nicht aus, dass der Bahnbetrieb über Wochen lahm gelegt wird?

    Schell: Ich denke das kann sich der Vorstand überhaupt nicht erlauben. Man muss ja immer wieder unterstellen: Wir haben noch nicht eine einzige Verhandlungsrunde gehabt. Es kann also überhaupt auch nichts von unseren Forderungen abschrecken. Und diese immer durch die Welt geisternden 31 Prozent, das ist ja so lächerlich. Wir reden davon, dass ein Lokomotivführer 1.500 Euro Netto verdient. Darüber müssen wir miteinander reden und dann relativiert sich das auch schon mit den 31 Prozent.

    Heckmann: Ja, aber Sie fordern einen wesentlich größeren Schluck aus der Pulle als die beiden anderen Gewerkschaften GDBA und Transnet. Die treten bescheidener auf. Sie fordern sieben Prozent mehr oder mindestens 150 Euro im Monat für jeden. Ihr Kurs, der stößt auf Kritik bei den anderen Bahngewerkschaften. Ich schlage vor, wir hören mal zu, was Alexander Kirchner gestern bei uns im Programm gesagt hat, der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft von Transnet und GDBA. Er sagte über Ihre Gewerkschaft der Lokomotivführer:

    O-Ton Kirchner: Leider Gottes setzt diese Gewerkschaft auf Spaltung der Belegschaft. Das schwächt die Bahngewerkschaften und wir befürchten, dass der Bahnvorstand darauf sogar setzt und deshalb auch uns kein verbessertes Angebot gibt. Wenn die Gewerkschaft der Lokomotivführer von Vornherein sagt, dass sie nicht verhandelt über eine Einkommenserhöhung, dann ist schon zu befürchten, dass die Eskalation, die jetzt entstanden ist, ein Stück weit auch damit verbunden ist. Unsere Mitglieder wollen das nicht. Unsere Mitglieder haben uns einen klaren Auftrag gegeben, keinen Schnickschnack drumrum zu verhandeln, keine neuen Strukturen zu verhandeln, sondern die Kollegen wollen mehr Geld im Geldbeutel und das für alle gleichmäßig.

    Heckmann: Ja, Herr Schell, also die GDL als Spalter. Eine unproduktive Entwicklung aus Sicht Ihres Kollegen.

    Schell: Ja, gut. Erstens mal habe ich die Forderungen der anderen Gewerkschaften weder zu kommentieren, noch das Recht, diese zu kritisieren. Sie haben gesagt, sie hätten eine große Umfrage unter ihren Mitgliedern gemacht. Sieben Prozent wäre da angemessen. Sieben Prozent ist für uns völlig unangemessen. Wenn wir davon ausgehen, dass wir in den letzten zehn Jahren aufgrund unserer moderaten Erhöhungen und abzüglich der vom Statistischen Bundesamt - das sind nicht unsere eigenen Zahlen - ermittelten Inflationsrate, wenn wir sie abziehen, und wenn wir dann noch Zeit in Geld umwandeln, was nichts anderes bedeutet, als dass die Mehrheit wir in Geld umwandeln, dass wir dann 9,5 Prozent weniger haben nach zehn Jahren, dann weiß ich nicht. Wenn die anderen dann mit sieben Prozent zufrieden sind, es ist mir egal. Unsere Leute zwischen 1.450 und 1.500 Euro Netto für einen solchen Beruf, wo mit Millionenwerten umgegangen wird, wo Menschenleben zu walten sind, die Sorge, die Verantwortung der Lokomotivführer, das ist nicht angemessen und das muss der Vorstand akzeptieren. Wenn er es nicht akzeptiert, dann steht es auch in seinem Ermessen, dass weiter die Kundschaft drangsaliert wird.

    Heckmann: Und von Solidarität innerhalb des Betriebes, von gleicher Bezahlung für die Angestellten halten Sie nichts?

    Schell: Ich halte überhaupt nichts vom Prinzip der Gleichheit, von der Rasenmähermethode und nach dem Motto was nicht für alle gut ist, ist für keinen gut. Es muss differenziert werden - davon halte ich schon etwas mehr -, dass Leistung auch entsprechend entlohnt wird.

    Heckmann: Noch ist die Bahn tariftreu, Herr Schell. Es gibt keine Auslagerungen von Arbeitsplätzen in Subunternehmen, beispielsweise wie es jetzt in der Telekom praktiziert wird. Aus dem Ausland werden bisher keine billigeren Arbeitskräfte angeworben. Sehen Sie nicht die Gefahr, dass sich das ändert, wenn Sie Ihre Streikstrategie so durchziehen?

    Schell: Ich sehe sich das A überhaupt nicht ändern, denn die Tatsache ist: Wir haben heute schon Lokführer-Mangel. Dann muss man schlicht und einfach mal sagen: Wenn wir hier von Auslagerungen von Arbeit oder auch zusätzlicher Arbeitseinkäufe aus dem Ausland sprechen, so einfach geht das nun mal nicht bei der Bahn und erst recht nicht bei den Lokomotivführern. Außerdem müssen wir schlicht und einfach feststellen, dass wir von 1990 von der Spitze aus mit 588.000 Beschäftigten nach der deutsch-deutschen Vereinigung mittlerweile im klassischen Eisenbahnbetrieb - und jetzt nehme ich die Logistiksparte wissentlich heraus - bei 181.000 Beschäftigten angekommen sind.

    Heckmann: Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer Manfred Schell war das. - Der massive Warnstreik hat ein Ergebnis mittlerweile gebracht. Bahnchef Mehdorn hat alle drei Gewerkschaften zu einer gemeinsamen Verhandlungsrunde eingeladen, also auch die Gewerkschaft der Lokomotivführer, die bisher außen vor waren.