Musik-O-Mat

Der Musikgeschmack als politische Orientierungshilfe

Ein Mann blickt auf einen Bildschirm, auf dem die Internetseite mit dem Musik-O-Mat zu sehen ist.
Die Vorsitzenden der großen Parteien als Band – leider nur als Karikatur auf der Homepage vom Musik-O-Mat. © picture alliance / Frank Kleefeldt/dpa
Von Christoph Möller · 06.09.2017
In drei Wochen wird gewählt. Wenn Sie immer noch nicht wissen, wo Sie ihr Kreuzchen machen sollen, hilft vielleicht der Musik-O-Mat. Statt durch politische Fragen, klickt man sich durch Songs. Ob das zur Wahlempfehlung taugt?
Da stehen sie in trauter Eintracht und lächeln in die Kamera. Merkel am Bass, Schulz am Keyboard, Lindner an den Drums, Özdemir an der Gitarre und Kipping am Bass.
Parteiübergreifend, politisch, progressiv. Die Vorsitzenden der Parteien, die am 24. September zur Wahl stehen, als Band. Leider nur eine Karikatur. Auf der Homepage vom Musik-O-Mat, ein musikalisches Wahlempfehlungssystem vom Streamingdienst Deezer, angelehnt an den Wahl-O-Mat. "Der Musik-O-Mat", steht da, "verrät dir, mit welcher Partei dein Musikgeschmack übereinstimmt".
Fragt sich: Will man das überhaupt wissen? Und werden hier nicht Popmusik ...
... äh, und natürlich auch Klassik ...
... instrumentalisiert und ausgenutzt? Und wenn schon. Egal! Der Wahlkampf dümpelt sowieso ohne Rhythmus vor sich hin, dreht sich im Kreis wie die Schallplattennadel in der Auslaufrille. Also, los geht’s! Erste Frage: Welcher Song beschreibt dich am besten? Alle Fragen wurden auch den Parteien gestellt. Tocotronic – "Im Zweifel Für Den Zweifel"?
Geier Sturzflug – "Pure Lust Am Leben"?
Und so weiter. Sportfreunde Stiller – "Auf Der Guten Seite"?
Ton Steine Scherben – "Schritt Für Schritt Ins Paradies"?
Oder, und jetzt gut festhalten, die Berliner Philharmoniker. Mit der deutschen Nationalhymne.

Welche Partei steckt wohl hinter welchem Song?

Deutscher und deutschsprachiger geht es kaum. Welche Partei steckt wohl hinter welchem Song? Mich beschreibt keiner davon. Nicht mal ansatzweise. Am ehesten noch: Tocotronic. Und schon geht es weiter: "Auf welchen Hip-Hop-Song stehst du?", "Welcher Song bringt dich beim Sport auf Touren?", "Mit welchem Song feierst du?". Ziemlich lustig: "Was ist dein Lebensmotto?" Zur Wahl stehen unter anderem der Song "Bruttosozialprodukt" von Geier Sturzflug.
Was ist das für ein dämliches Lebensmotto? "Wir steigern das Bruttosozialprodukt". Ironisch: "Hurra Die Welt Geht Unter" von K.I.Z.
Ziemlich witziges Lebensmotto: "Unfuck The World" von Prophets Of Rage.
"No hatred, fuck racists", klar, die LINKE, denke ich. Aber – ein Blick in die offiziellen Partei-Playlists, die man dann nach dem Test bei Deezer anhören kann – die SPD hat das Stück ausgewählt! Nicht schlecht, Martin. Sowieso sind diese Playlists viel spannender als jedes Parteiprogramm. Musikalisch nah am Mainstream: die FDP. Die wenigsten deutschsprachigen Lieder haben die Grünen. Bei der CDU geht Beethoven genauso wie Laserkraft 3D.
Klar: Merkel hat eben kein' Bock zu gehen. Irgendwann, wird mir das alles zu viel. So viele versteckte Botschaften. Fühlt sich die LINKE unter Druck, weil sie "Under Pressure" von Queen und David Bowie hört?
Oder will sie gerade andere unter Druck setzen? Die Ergebnisse vom Musik-O-Mat, sagt Deezer, seien vor allem "sharable", also im Netz teilbar. Und klar, Jungwählerinnen und Jungwähler finden das bestimmt total likeable. Aber Popmusik ist viel zu individuell als dass sie irgendeine Partei repräsentiert. Wenn sie es tut, ist sie langweilig.
Ernüchternd auch, wie ähnlich die Playlists sind. Nicht durch einzelne Songs. Sondern von der Aufmachung her: viel Mainstream, ein bisschen Bowie für die Coolness, unbedingt etwas Deutschsprachiges. Die Musik der AfD kann man übrigens nicht hören. Deezer sagt, die Partei sei weder etabliert, noch setze sie sich für Gleichberechtigung ein. Und das sollte Musik doch mindestens tun. In diesem Sinne.
Ach, übrigens, mein Musikgeschmack passt zu 44 Prozent zur LINKEN.
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