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Gebärmutter-Transplantation
Ein neuer Weg zum Kind

In Schweden ist zum ersten Mal ein Kind nach einer Gebärmuttertransplantation auf die Welt gekommen. Die Ärzte haben damit möglicherweise einen Weg gefunden, Frauen zu behandeln, deren Kinderwunsch bislang unerfüllt blieb, weil sie keine funktionsfähige Gebärmutter besitzen.

Von Marieke Degen | 07.10.2014
    Die Geburt war atemberaubend, sagt die Gynäkologin Liza Johannesson in einem Video der Universität Göteborg.
    "Es war wie die Geburt des eigenen Kindes. Dasselbe Gefühl!"
    Eigentlich hätte ihre Patientin nie ein eigenes Kind bekommen können: Sie hatte keine Gebärmutter - eine angeborene Fehlbildung. Doch im letzten Jahr bekam sie an der Sahlgrenska-Uniklinik eine Gebärmutter transplantiert. Und hat jetzt einen gesunden Jungen auf die Welt gebracht. Ein großer Erfolg für das Team aus Göteborg und Studienleiter Mats Brännström:
    "Als ich das Baby per Kaiserschnitt geholt habe, hat es sofort geschrien - ein Zeichen, dass es ihm gutgeht. Das ganze Team war überglücklich. Und gleichzeitig war es irgendwie unwirklich. Weil wir einfach nicht glauben konnten, dass wir es geschafft hatten. "
    An der Sahlgrenska-Uniklinik haben insgesamt neun Frauen eine Gebärmutter transplantiert bekommen. Die Spenderorgane stammten von ihren eigenen Müttern, Schwestern, Tanten oder von älteren Freundinnen. Die Transplantation ist extrem kompliziert, die Ärzte hatten sie jahrelang an Versuchstieren erprobt. Bei zwei Frauen gab es anschließend Komplikationen, bei ihnen musste die Gebärmutter wieder entfernt werden mussten. Bei den anderen sieben funktioniert sie einwandfrei.
    "Sie haben regelmäßig ihre Menstruation. Schon vor der Transplantation hatten wir in der Petrischale künstlich Embryos gezeugt - aus den Eizellen der Empfängerinnen und den Spermien ihrer Partner. Und seit einigen Monaten setzen wir einen Embryo nach dem anderen bei den Frauen ein."
    Kritik: Viele Medikamente und Kaiserschnitt
    Die erste Uterustransplantation fand im Jahr 2000 in Saudi-Arabien statt. Doch das Spenderorgan starb ab und musste nach drei Monaten wieder entfernt werden. Vor drei Jahren bekam dann eine Frau in der Türkei einen Uterus transplantiert, sie hatte bislang aber nur Fehlgeburten. Die Schweden sind die ersten, die jetzt, nach 15 Jahren Forschung, ein Baby vorweisen können. Ein Aufwand, der sich lohnt, sagt Mats Brännström.
    "Wir Ärzte treffen immer wieder auf Frauen, die keine eigenen Kinder bekommen können, weil sie keinen funktionstüchtigen Uterus haben. Wir sollten ihre Unfruchtbarkeit behandeln wie alle anderen Arten der Unfruchtbarkeit auch. Wir wollen jetzt herausfinden, ob und wie wir diesen Frauen helfen können."
    Doch es gibt auch Kritiker. Die Frauen müssen viel auf sich nehmen: Abgesehen von der schweren Operation müssen sie Medikamente schlucken, sogenannte Immunsuppressiva, um zu verhindern, dass der Uterus abgestoßen wird. Die erste Schwangerschaft verlief auch nicht ganz reibungslos: Die Mutter bekam eine Schwangerschaftsvergiftung, möglicherweise ausgelöst durch die Immunsuppressiva. Das Kind musste per Kaiserschnitt geholt werden - ein paar Wochen zu früh.
    "Eine Schwangerschaft nach einer Uterustransplantation ist auf jeden Fall eine Hochrisikoschwangerschaft."
    Die Uterustransplantation könnte vielen Frauen Hoffnung geben, die entweder ohne Uterus geboren worden sind oder ihn durch eine Krebserkrankung verloren haben - allein in Deutschland sind das tausende. Doch es wird noch lange dauern, bis das Verfahren routinemäßig angewandt werden kann. Und dann müssen Politiker und Versicherer entscheiden, ob sie bereit sind, die Kosten dafür zu tragen - eine Uterustransplantation kostet um die 100.000 Euro.