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Gebärmutter-Transplantation
Riskante Operation auf Rezept?

15.000 Frauen in Deutschland haben keine funktionierende Gebärmutter und können nicht schwanger werden. Im letzten Jahr hat ein Ärzteteam aus Tübingen einer solchen Patientin in Deutschland eine fremde Gebärmutter eingepflanzt. In Schweden denkt man sogar darüber nach, die Behandlung für kinderlose Paare routinemäßig anzubieten.

Von Christine Westerhaus | 09.02.2017
    Sara Brucker, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstituts für Frauengesundheit der Universität Tübingen, hat die erste Gebärmuttertransplantation in Deutschland hinbekommen.
    Sara Brucker, Ärztliche Direktorin des Forschungsinstituts für Frauengesundheit der Universität Tübingen, hat die erste Gebärmuttertransplantation in Deutschland vorgenommen. (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Im Wohnzimmer eines Göteborger Einfamilienhauses spielt der kleine Vincent. Der blonde Junge ist das erste Kind, das in einer gespendeten Gebärmutter herangereift ist. Er kam im September 2014 auf die Welt und ist inzwischen zwei Jahre alt.
    "Es ist fantastisch, was wir erreicht haben! Aber es war auch sehr anstrengend. Wir mussten viele Hindernisse überwinden und wir hatten keine Garantie, dass es gut gehen würde."
    15.000 Frauen in Deutschland ohne funktionierende Gebärmutter
    Vincents Mutter Malin Stenberg kam aufgrund einer Fehlbildung ohne Uterus auf die Welt. So wie eine 23-Jährige, der das Tübinger Forscherteam Ende Oktober 2016 das Organ ihrer Mutter eingesetzt hat. In Deutschland leben Schätzungen zufolge 15.000 Frauen, die nicht schwanger werden können, weil sie keine funktionierende Gebärmutter haben. Schon seit vielen Jahren forscht die Tübinger Professorin Sara Brucker daran, wie man diesen Frauen helfen kann. Vor vielen Jahren hat sie einen chirurgischen Eingriff entwickelt, der Frauen mit dieser Fehlbildung zu einer Scheide verhilft. Denn auch diese wird bei den Betroffenen meist nicht angelegt.
    Darstellung der Gebärmutter und der Eileiter.
    Darstellung der Gebärmutter und der Eileiter. (imago)
    "Ich hab den Frauen ermöglicht, dass sie Frau werden können und jetzt dürfen sie Mutter werden. Und damit kann ich diesen Frauen, die unbedingt ein genetisch eigenes Kind haben möchten, ein weiteres psychisches Leiden einfach ersparen."
    Ob Sara Bruckers 23-jährige Patientin tatsächlich Mutter werden kann, wird sich frühestens im Oktober dieses Jahres zeigen. Denn die Ärzte warten ein Jahr nach der Transplantation ab, bevor sie einen befruchteten Embryo in die verpflanzte Gebärmutter einsetzen. Doch bisher läuft alles nach Plan.
    "Der Patientin geht es weiterhin gut. Wir haben bisher noch keine Abstoßungsreaktion gehabt und sie hat auch schon ihre erste Regelblutung bekommen. Von daher sind wir frohen Mutes, dass es so weitergeht wie bisher."
    Großes Risiko für Empfängerin und Spenderin
    Die Eizellen für die künstliche Befruchtung haben die Forscher vor der Gebärmuttertransplantation aus den intakten Eierstöcken der 23-Jährigen entnommen, der Samen stammt von ihrem Mann. Die Erfolgsaussichten für das Paar sind gut: In Schweden haben bereits fünf Frauen gesunde Kinder bekommen, eine von ihnen vor Kurzem sogar schon ihr zweites. Zwei weitere Frauen sind derzeit schwanger. Mats Brännström, der das Operationsteam in Schweden geleitet hat, wird 2017 zehn weiteren Frauen das Organ einer Spenderin einpflanzen. Und auch in Tübingen soll es weitere Eingriffe geben:
    Fünf Transplantationen sind bereits genehmigt und konkret geplant. Nicht nur die Empfängerin der Gebärmütter gehen dabei ein hohes Risiko ein, auch die Spenderinnen. Die Bereitschaft zu helfen, sei dennoch groß, sagt Sara Brucker.
    "Also bisher, muss ich sagen, waren die Reaktionen extrem positiv auch gerade die aus der Bevölkerung. Wir haben aber auch viele Anfragen bekommen von Müttern, die gesagt haben: Ich brauche meine Gebärmutter nicht mehr, kann ich die denn nicht spenden? Und mich hat das unglaublich positiv beeinflusst, dass es in der Bevölkerung diese Großzügigkeit tatsächlich gibt."
    Mats Brännström hat in Schweden ähnliche Erfahrungen gemacht. Er und sein Team haben bereits beantragt, die Transplantation einer Gebärmutter routinemäßig als Behandlungsmöglichkeit für kinderlose Paare anzubieten. Doch der Antrag wurde zunächst abgelehnt. Die Methode sei noch zu unausgereift, heißt es in der Begründung.