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Gebärmuttertransplantationen
Fremdes Babyglück

Im Oktober 2014 verkündeten schwedische Forscher eine kleine medizinische Sensation: Eine Frau hatte einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, nachdem ihr die Gebärmutter einer Spenderin eingesetzt worden war. Inzwischen haben vier weitere Frauen auf diese Art Kinder bekommen. Nun arbeiten die Forscher auch daran, eine menschliche Gebärmutter aus Stammzellen zu züchten.

Von Christine Westerhaus | 21.06.2016
    Operationsbesteck während eines chirurgischen Eingriffs.
    Eine Gebärmuttertransplantation in den USA scheiterte - vermutlich auch deshalb, weil das Organ von einer verstorbenen Spenderin stammte und vorher nicht gründlich untersucht werden konnte. (picture alliance / dpa / Jan-Peter Kasper)
    Schon als junger Arzt hatte Mats Brännström die Vision, Frauen ohne funktionierende Gebärmutter zu einem eigenen Kind verhelfen zu können. Eine junge Patienten, der Brännström den Uterus aufgrund einer Krebserkrankung entfernen musste, hatte ihn 1998 auf die Idee gebracht.
    "Sie fragte mich nach der Operation: Kann man mir nicht eine Gebärmutter transplantieren, meine Mutter könnte mir doch ihre spenden! Zuerst dachte ich, sie sei verrückt. Aber als ich an dem Abend nach Hause ging, dachte ich: Vielleicht funktioniert das tatsächlich!"
    Inzwischen hat Brännström gemeinsam mit seinem Team fünf Frauen mit einer transplantierten Gebärmutter zu einem Baby verholfen. Die meisten von ihnen waren aufgrund einer Fehlbildung ohne Uterus zur Welt gekommen. Seit 2012 verpflanzten die Ärzte neun Frauen den Uterus einer Spenderin. Zwei Organe mussten aufgrund von Komplikationen wieder entfernt werden. Von den sieben Frauen, denen eine Gebärmutter transplantiert wurde, haben fünf inzwischen je ein gesundes Kind auf die Welt gebracht.
    "Ich denke, dieser Erfolg hat damit zu tun, dass wir uns 13 Jahre lang so minutiös vorbereitet haben. Wir haben die Methode zuerst bei Tieren erprobt, haben dabei sehr viel über mögliche Komplikationen gelernt und haben sie erst dann bei Menschen angewandt. Entscheidend war aber auch, dass wir das gesamte Operationsteam trainiert und auf den Eingriff vorbereitet haben. Wir haben die Technik also als Gruppe gelernt."
    "Die Amerikaner haben die Gebärmutter einer verstorbenen Spenderin eingesetzt"
    Der Erfolg der Schweden ist bislang unerreicht. Zwar gibt es auch in den USA derzeit eine Studie, bei der zehn Frauen ein Uterus eingepflanzt werden soll, doch bereits die erste Transplantation im Februar 2016 scheiterte. Das Organ musste kurze Zeit später wieder entfernt werden.
    "Die Amerikaner haben die Gebärmutter einer verstorbenen Spenderin eingesetzt und hatten vorher kaum Zeit, das Organ zu untersuchen. Außerdem verging zu viel Zeit, bis sie die Gebärmutter in die Empfängerin eingesetzt haben, acht Stunden waren es, glaube ich."
    Die Schweden haben bisher nur Organe verpflanzt, die von lebenden Spenderinnen stammten. Von der Mutter, der Tante oder einer engen Freundin der Familie. Ein Jahr nach der Transplantation setzten die Forscher befruchtete Embryonen in die Gebärmutter ein. Diese hatten sie zuvor aus den intakten Eierstöcken der behandelten Frauen entnommen. Alle Babys wurden per Kaiserschnitt entbunden, um die Gebärmutter nicht den schweren Belastungen unter der Geburt auszusetzen. Doch drei der Frauen erlitten eine Schwangerschaftsvergiftung, weshalb die Kinder frühzeitig entbunden wurden. Diese Frauen besaßen aufgrund einer Fehlbildung nur eine Niere.
    "Diese Frauen haben daher wahrscheinlich empfindlicher auf die Schwangerschaft reagiert. Aber auch auf die Immunsuppressiva, die sich auf die Nierenfunktion auswirken."
    Immunsupressiva unterdrücken das Immunsystem und verhindern, dass der Körper ein transplantiertes Organ abstößt. Diese starken Medikamente mussten die Frauen nach der Transplantation und während der gesamten Schwangerschaft einnehmen. Ob sie das Immunsystem der Kinder im Mutterleib schädigen, wissen die Forscher bisher nicht. Das älteste Kind, das nach einer Gebärmuttertransplantation geboren wurde, ist noch unter zwei Jahre alt.
    "Den Kindern geht es gut. Aber wir untersuchen sie regelmäßig und machen immunologische und neurologische Tests mit ihnen, um zu sehen, ob sie sich normal entwickeln. Bisher deutet aber alles darauf hin, dass alles okay ist."
    Nun planen die Forscher weitere Gebärmuttertransplantationen, bei denen sie die Organe Verstorbener verwenden wollen. Denn die Risiken für die Spenderin sind nicht unerheblich, da die Operation mehr als zehn Stunden dauert und auch zuführende Blutgefäße mit entnommen werden müssen. Parallel dazu erforschen Brännström und sein Team aber auch die Möglichkeit, eine Gebärmutter im Labor zu züchten. Dazu entfernen sie die Zellen des Spenders von dem Organ und besiedeln das Gerüst aus extrazellulärem Bindegewebe anschließend mit den Stammzellen des Empfängers. Ein ähnliches Verfahren wird auch an anderen Organen wie Niere, Leber oder Herz erprobt. Es hätte den Vorteil, dass der Empfänger keine Medikamente einnehmen müsste, die verhindern, dass der Körper das Organ abstößt.
    "Bei Ratten ist uns das bereits in Ansätzen gelungen. Wir haben Teile der Gebärmutter durch Spendermaterial ersetzt, das wir mit Stammzellen behandelt haben. Diese Ratten haben erfolgreich Junge zur Welt gebracht. Das ist also der erste Schritt. Doch nun müssen wir zeigen, dass das auch in größeren Tieren wie Schafen und Affen funktioniert. Dann erst werden wir das Verfahren beim Menschen testen. Es wird also noch mindestens zehn Jahre dauern, bis wir soweit sind."