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Geburtsort Amerikas

Spekulationen über Gold und Silber und die Aussicht auf anscheinend unbegrenztes Land lockten Ende des 16. Jahrhunderts alle einflussreichen europäischen Nationen nach Amerika. 1607 gründete Engländer Jamestown, die erste dauerhafte Siedlung von Europäern auf dem nordamerikanischen Kontinent.

Von Nicolas Hansen | 14.05.2007
    "Genau hier", sagt Bill Kelso, "genau hier, wo wir jetzt stehen, liegt der Anfang des heutigen Amerika." Bill Kelso ist Archäologe und hat vor wenigen Jahren das Fort der Siedler von Jamestown gefunden. Sie hatten am 14. Mai 1607 am Ufer des James River in Virginia ihre Siedlung gegründet und diese nach ihrem König James I. von England "Jamestown" genannt. 104 Siedler kamen an Bord von 3 Schiffen in der Chesapeake Bucht an, erzählt James Horn, Historiker bei der Colonial Williamsburg Foundation.

    Horn: "Unter ihnen waren Söhne der englischen Gesellschaft und Aristokratie, es waren Soldaten dabei, einige Abenteurer, Handwerker, ein Arzt und ein Pastor. Es war eine relativ gemischte Gruppe von Männern. Ausschließlich Männer, keine Frauen."

    Spekulationen über Gold und Silber und die Aussicht auf anscheinend unbegrenztes Land lockten Ende des 16. Jahrhunderts alle einflussreichen europäischen Nationen nach Amerika. Die Franzosen versuchten bei Neufundland zu siedeln - ohne Erfolg, die Spanier weiter südlich in Mittel- und Südamerika. Jamestown in der Mitte sollte den Anspruch Englands auf Nordamerika untermauern.

    Horn: "Die Spanier erhoben Anspruch auf ganz Amerika und sahen die Engländer als Eindringlinge an. Das ist später wichtig, weil die Spanier die Siedlung suchten, um sie zu zerstören."

    Zunächst mussten sich die Engländer gegen die Indianer verteidigen. Bei einem Angriff starben zwei Siedler, danach wurde ein Fort um die Siedlung gebaut. Dafür hatten sie einen strategisch guten Platz gewählt, sagt Archäologe Bill Kelso. Das Fort lag auf einer leichten Anhöhe: freier Blick auf die Lichtung und auf den Fluss, denn von dort erwarteten die Engländer ihren eigentlichen Feind.

    Kelso: "Ihre erste Sorge galt spanischen Kriegsschiffen, die den Fluss raufkommen könnten und sie wegpusten würden, wie sie es mit den Franzosen gemacht hatten. An dieser Stelle ist der Fluss sehr flach. Die hätten ein Kriegsschiff nicht mal irgendwo in die Nähe dieses Forts gekriegt."

    Doch die Spanier kamen nicht.

    Horn: "Das größte Problem, was sie hatten, war, genug zu Essen zu finden und Vorräte anzulegen, die sie durch die erste Phase des Aufbaus der Siedlung brachten."

    Im ersten Jahr überlebten von den 104 Siedlern nicht einmal 40. Doch es gab nicht nur ein staatliches Interesse am Fortbestand der Siedlung, sondern auch ein wirtschaftliches. Die Kolonie war eine Aktiengesellschaft, die auf Gold und Silber in Amerika hoffte. 500 neue Siedler kamen 1609 in Jamestown an. Ein Jahr später lebten nur noch 60 Menschen in Jamestown. Das historische Urteil über die Siedler fällt tendenziell negativ aus: schlecht vorbereitet, goldgierig, faul. Sie seien verhungert, weil sie keine Lebensmittel anbauten, sondern nur nach Gold suchten. Und so taugt die Geschichte der gottesfürchtigen, Freiheit suchenden Pilgrims, die 13 Jahre später die Kolonie Plymouth in Massachusetts gründeten, viel mehr zum Gründungsmythos Amerikas.

    Horn: "Ohne Jamestown wäre Plymouth wahrscheinlich nie besiedelt worden oder Massachusetts oder irgendeine englische Kolonie in Amerika. Die Bedeutung Jamestowns liegt nicht nur darin, dass hier 1619 die erste parlamentarische Vertretung gegründet wurde, sondern auch darin, dass es ein Modell für weitere Erfolge war."

    1613 kam für Jamestown der Durchbruch. Tabak wurde zum Exportschlager der Kolonie und sicherte ihr wirtschaftliches Überleben. Die Nachfrage boomte und immer mehr Farmer kamen nach Amerika und machten Virginia zu Englands lukrativster Kolonie.

    Horn: "Ohne den Erfolg von Jamestown wäre Amerika vielleicht nie englisch geworden. Dass die englische Sprache, englische Gesetze und englische politische Institutionen hier eingeführt wurden, wäre ohne Jamestown nicht sicher."