Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Gedenken an den Ersten Weltkrieg
In Großbritannien gehen die Lichter aus

Am 4. August 1914 erklärte Großbritannien dem Deutschen Reich den Krieg. Vier Jahre und viele Schlachten später hatte das britische Weltreich gemeinsam mit seinen Kolonien sieben Millionen Soldaten eingesetzt, 850.000 starben. Am 100. Jahrestag erinnern die Briten an die dunklen Zeiten - mit Dunkelheit.

Von Silvia Engels | 04.08.2014
    Erinnerungskreuz mit typischer Mohnblume auf den britischen Friedhof Dud Corner aus dem Ersten Weltkrieg am Loos Denkmal in Loos-En-Gohelle
    Erinnerungskreuz mit typischer Mohnblume auf den britischen Friedhof Dud Corner aus dem Ersten Weltkrieg am Loos Denkmal in Loos-En-Gohelle. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Schon seit Wochen ist der Kriegseintritt vor 100 Jahren eine feste Größe im gesellschaftlichen Leben Großbritanniens: Theaterstücke, Fernsehdokumentationen und mehrseitige Hintergrundberichte in allen Zeitungen versuchen, die britische Weltkriegserfahrung bis heute spürbar zu machen. Sie gibt Berichte über berühmte Musikstücke dieser Zeit oder das Projekt, heutige Soldaten in nachgeschneiderte Weltkriegsuniformen zu stecken:
    "Das ist ziemlich heiß hier drin. Verglichen mit dem, was wir heute tragen, verdammt warm. Größer, unförmiger, ich fühl mich ziemlich eingeengt."
    Heute Abend sind dann alle Briten aufgerufen, an den Ersten Weltkrieg zu denken. "Lights Out' heißt das Projekt, das Nigel Hinds mitorganisiert. Er ist Produktionsleiter der britischen Kulturkommission für die Weltkriegserinnerung:
    "Es ist ein Event, bei dem wir jeden Menschen in Großbritannien auffordern, für einen Moment innezuhalten. Wir laden jeden ein, die Beleuchtung für eine Stunde zu löschen und nur ein einzelnes Licht oder eine Kerze brennen zu lassen."
    Inspiriert hat die Macher des Projekts ein berühmter Satz, den in Großbritannien fast jeder kennt.
    Hinds: "Sir Edward Grey war 1914 britischer Außenminister. Er hat in seinen Memoiren notiert, er habe laut einem Freund in den letzten Stunden vor Ablauf des Ultimatums an die Deutschen gesagt: "In ganz Europa gehen die Lichter aus; wir alle werden sie in unserer Lebenszeit nie wieder leuchten sehen."
    Nun sollen genau 100 Jahre später die Menschen in Dunkelheit an die Schlachten in Belgien und Frankreich denken, bei denen auch hunderttausende Briten starben. Hinds rechnet mit einer Beteiligung von über einer Million Menschen. Anders als in Deutschland ist der Erste Weltkrieg in Großbritannien auch jenseits runder Jahrestage fest im kollektiven Gedächtnis verankert.
    Hinds: "Es ist eine Lebenserinnerung. Und Menschen in meinem Alter Ende 50 erinnern sich an ihre Großeltern, die von diesem Krieg erzählten und welche Folgen er für sie hatte. Das Ausmaß des Todes und des Leidens hat bei den Menschen dieses Landes einen besonderen Grad an Horror hinterlassen."
    Die Idee, durch Verdunkelung innezuhalten, hat jedenfalls Schule gemacht. Bekannte Gebäude in London wie das Parlament, die Tower Bridge oder die Royal Albert Hall werden um 22 Uhr britischer Zeit die Außenbeleuchtung abschalten. Auch das schottische Parlament und Gebäude in Wales und Nordirland stehen dann im Dunkeln. Dazu haben Künstler im ganzen Land spezielle Video- und Klang-Installationen vorbereitet.
    Andere haben den Gedanken aufgegriffen. In der südenglischen Grafschaft Kent plant der Historiker Chris Shaw für den Soldatenfriedhof Shorncliffe ein spezielles Projekt:
    "Wir in Shorncliffe haben hier 550 Soldatengräber. Gräber der Großväter und Urgroßväter aus Großbritannien, Australien, Südafrika und Kanada. Und wir dachten, es ist wichtig, den Fokus weg von der Nation zu nehmen und auf die zu richten, die tatsächlich gefallen sind. Wir werden für jeden Soldaten, der dort beerdigt ist, eine Laterne auf das Grab stellen."
    Ganz in der Nähe, in der Küstenstadt Folkestone, enthüllt Prince Harry zudem eine Gedenkstätte. Sie soll mahnen, dass hier Millionen Rekruten aus Großbritannien und dem Commonwealth an Bord gingen, um in den Krieg zu ziehen. Viele ohne Wiederkehr.
    Fast die gesamte Königsfamilie und führende Politiker sind heute unterwegs, um bei einigen der unzähligen Gedenkstunden im ganzen Land präsent zu sein. Prince Charles nimmt mit Premierminister Cameron in Glasgow am Gedenken für Commonwealth-Mitglieder teil; die Prinzen William und Harry reisen mit Herzogin Kate zur belgischen Gedenkzeremonie nach Lüttich.