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Gefährliche Algen in der Bretagne
Nitratgehalt im Wasser nur schwer in den Griff zu kriegen

An der französischen Bretagne-Küste gibt es in diesem Jahr so viele gefährliche grüne Algen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Bereits zum zweiten Mal hat die Region deswegen einen Aktionsplan gegen die Algen aufgesetzt. Doch Umweltschützern gehen die Maßnahmen nicht weit genug.

Von Lisa Louis | 22.08.2017
    Ein Boot steht an einem Strand, im Vordergrund Algen auf dem Boden.
    Die Algen an der Küste der Bretagne sorgen seit Jahren für Schwierigkeiten. (FRED TANNEAU / AFP)
    Reitausflüge sind Vincent Petits Leidenschaft. Doch vor einigen Jahren wäre das dem Veterinär fast zum Verhängnis geworden. An einem Strand in der Bretagne.
    "Nach einer Strecke Galopp bin ich abgestiegen und bin mit meinem Pferd am Strand entlang gegangen. Wir haben ein kleines Rinnsal durchquert und auf einmal sind wir durch den Boden gebrochen. Blitzschnell sind wir eingesunken. Nach zehn Sekunden hatte mein Pferd das Bewusstsein verloren. Sein Kopf ist in den Schlamm gesunken. Ich hatte gerade noch Zeit, nach Hilfe zu rufen – da war ein Mann zehn Meter entfernt. Dann bin auch ich ohnmächtig geworden."
    Das Pferd war wenig später tot. Vincent Petit konnte man aus dem Schlamm befreien und beatmen. Ohne Hilfe wäre wohl auch er an jenem Tag gestorben. Beide hatten hochgiftigen Schwefelwasserstoff eingeatmet – freigesetzt von Algen, die sich am Strand angesammelt und zersetzt hatten.
    Der Dünger der Landwirtschaft ist das Problem
    Das Algen-Problem ist in der Bretagne seit Jahren bekannt. Man vermutet, dass ihnen schon mehrere Menschen zum Opfer gefallen sind. Sie entstehen in geschlossenen Buchten, wenn das Wasser einen hohen Nitratgehalt hat und dann noch viel Sonne und Wärme hinzukommen.
    Sonne und Wärme lassen sich im Sommer nicht vermeiden. Aber den hohen Nitrat-Gehalt des Wassers zu senken, ist auch nicht so einfach. Denn verantwortlich dafür ist einer der wichtigsten und lobbystärksten Wirtschaftszweige der Region: die Landwirtschaft. Deren Dünger enthält Nitrate.
    Laurent Guernion hält rund 100 Kühe in der Nähe der Küste bei Saint-Brieuc.
    "Nur durch Düngen können wir genug Futter für unsere Kühe produzieren. Sonst müssten wir Futtermittel kaufen, und dadurch würde unser Einkommen erheblich sinken. Dabei hatten wir es die letzten zwei Jahre schon wirklich nicht einfach – der Milchpreis ist von 300 Euro pro Tonne auf 250 gefallen."
    Der Landwirt dosiert seinen Dünger genau. Denn was die Pflanzen nicht aufnehmen können, schwemmt der Regen ins Meer. Doch das Dosieren hat seine Grenzen. Denn Laurent Guernion ernährt seine Tiere zum Teil mit Mais, wie die meisten Bauern hier. Der hört im August auf zu wachsen und saugt die Nitrate dann nicht mehr aus dem Boden. Die entwickeln sich weiter, auch im natürlichen Humus der Erde. Der Regen schwemmt sie in Bäche und ins Meer.
    "Wir brauchen eine gewisse Menge an Mais – er ist so viel ergiebiger. Und er ist sehr viel einfacher im Anbau und der Ernte."
    Milder Winter sorgt für Höchststand seit 15 Jahren
    Laurent Guernion ist einer der Vorzeigebauern der Bretagne. Er macht mit beim Anti-Algenplan der Region. 40 Millionen Euro hat der Staat bisher investiert – auch, um Bauern für die niedrigeren Erträge teilweise zu entschädigen. Hinzu kommen sollen jetzt noch einmal 55 Millionen Euro, sagt Thierry Burlot, Vize-Präsident der Regionalregierung:
    "Mit unserem Hilfsprogramm werden wir den Nitratanteil noch weiter senken. Schließlich haben wir die Wasserqualität schon erheblich verbessert! Die Bretagne ist im Umbruch – unsere Landwirtschaft ist dabei, sich grundlegend zu verändern."
    Die Qualität des Wassers hat sich tatsächlich verbessert. Dennoch gab es dieses Frühjahr so viele Algen wie seit 15 Jahren nicht mehr. Die Gründe: ein milder Winter mit wenigen Stürmen, die das nitrathaltige Wasser aus den Buchten hätten herausspülen können. Und hohe Temperaturen. Solche Jahre könnten sich wiederholen, in Zeiten der Erderwärmung.
    Umweltschützer fordern Bioanbau
    Yves-Marie Le Lay meint auch deswegen, dass der Staat noch mehr tun muss. Er ist Vizepräsident des Vereins "Stoppt die grünen Fluten" und misst regelmäßig die Schwefelwasserstoffwerte an den Stränden. Nur mit einer grundlegenden Erneuerung der Landwirtschaft könne man den Nitratgehalt so weit senken, dass Algen nicht mehr entstünden.
    "Wir sollten auf Qualität statt auf Quantität setzen. Dann müsste man weniger düngen, und auch für die Bauern würde das lohnen. Denn für Bioprodukte bekommen sie ja mehr Geld."
    Landwirte finden solche Ideen zu riskant. Schließlich unterlägen auch Preise für Bioprodukte den Schwankungen des Weltmarktes. Auferlegen wird der Staat so etwas wohl auch kaum. Bisher war die Teilnahme an den Anti-Algenplänen freiwillig.