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Gefährliche Gemütlichkeit
Ethanol- und Gel-Kamine verpesten die Luft

Mit einem guten Buch auf einem Sessel vor dem Kamin - das ist für viele Menschen so etwas wie der Inbegriff der Gemütlichkeit. Vermutlich sind auch deshalb pflegeleichte Ethanol- und Gel-Kamine und -Öfen so populär. Allerdings sind die dekorativen Öfen offenbar nicht ungefährlich.

Von Michael Engel | 27.11.2014
    Es flackert so schön. Ein richtiges Feuer für die Gemütlichkeit. Das war auch der Grund für Arne Müller, sich einen Ethanol Ofen ins Wohnzimmer zu stellen:
    "Wir haben leider keinen Kaminabzug in unserer Wohnung, wollten aber unbedingt einen Kamin haben, weil wir einfach das Feuer sehr gemütlich finden. Deswegen haben wir uns für einen Ethanol-Ofen entschieden. Da spart man sich einfach die Kosten für den Schornstein."
    Ethanol Öfen gibt es in allen Größen und Formen: Massive Ausführungen ähnlich einem Holzkaminofen, aber auch gläserne Feuerschalen für die stimmungsvolle Tischbeleuchtung. Ethanol - also Alkohol - einfüllen, anzünden, fertig, sagt Michael Wensing vom Fraunhofer Institut für Holzforschung in Braunschweig:
    "Im Prinzip ist das von der Technik her gesehen eine relativ simple Angelegenheit. Sie haben ein Vorratsgefäß, wo sich die Flüssigkeit - das Bioethanol - befindet. Und drum herum haben Sie einen dekorativen Aufbau, damit das Ganze schön aussieht. Das können Glasscheiben sein, das kann auch eine offene Struktur haben. Vom Prinzip her ist es so, dass man das Ethanol entzündet, dann habe ich eine Flamme. Und diese Flamme soll den Raum schön ausleuchten und dient letztendlich dekorativen Zwecken."
    Zum Heizen sind die Öfen nicht geeignet. Nur zum Schauen. Jedoch: Im Brennraum entstehen Abgase, die durch den fehlenden Abzug direkt in den Wohnraum gelangen. Um herauszufinden, was in den Abgasen enthalten ist, stellte der Chemiker acht verschiedene Modelle in eine spezielle Prüfkammer – groß wie eine geräumige Garage:
    "Also, wir haben jetzt hier einen Ethanol Ofen in der Kammer. Der Luftwechsel in der Kammer ist so eingestellt, dass wir in einem Wohnraum einen Luftwechsel von 0,5 pro Stunde haben. Das heißt also, dass pro Stunde das gesamte Luftvolumen in der Kammer zur Hälfte ausgetauscht wird."
    Krebserzeugende und giftige Stoffe nachgewiesen
    Obwohl stark belüftet wurde, mehr als in einer realen Wohnsituation, konnten verschiedene Schadstoffe nachgewiesen werden:
    "Wir haben zum einen Kohlendioxid gemessen, das erwartete Verbrennungsprodukt. Dann haben wir aber auch andere Stoffe detektieren können wie zum Beispiel Formaldehyd, Stickstoffdioxid, wir haben Kohlenmonoxid gemessen, Benzol, das heißt also eine Vielzahl von unterschiedlichen chemischen Stoffen, die bei dieser Verbrennung von Bioethanol entstehen."
    Benzol kann Krebs erzeugen. Stickstoffdioxid und Formaldehyd reizen Lunge und Schleimhäute, Kohlenmonoxid ist ein Atemgift. Die gefährlichen Abgase entstehen insbesondere bei der Verbrennung der Vergällungsmittel, die dem Alkohol zugesetzt werden, damit er nicht getrunken werden kann. In den meisten Fällen konnten die Wissenschaftler hohe Schadstoffkonzentrationen messen, teilweise sogar weit oberhalb von zulässigen Richtwerten:
    "Wenn man die Kriterien der Richtwerte für die Raumluft anlegt, dann muss man einfach feststellen, dass mehr oder weniger alle Feuerstellen in Kombination mit den untersuchten Brennstoffen sehr kritisch zu betrachten sind."
    In den Hochglanzbroschüren der Hersteller heißt es dagegen, dass lediglich Kohlendioxid und Wasser entstehen. Unproblematische Stoffe. Dabei hatte schon der TÜV Rheinland darauf hingewiesen, die Öfen wegen Dioxingefahr nur in "gut belüfteten Wohnräumen" zu betreiben. Offenbar genügt das nun doch nicht, wie die aktuellen Versuche der Fraunhofer Gesellschaft gezeigt haben. Für Ethanol Öfen kann Michael Wensing eigentlich nur einen Platz empfehlen – im Freien:
    "Ich würde ihn vielleicht auf der Terrasse betreiben!"

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