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Gefahr aus der Luft

Medizin.- In den letzten Jahren sind Forscher einem der größten Reservoire für menschliche Viren auf die Spur gekommen: Fledermäuse. Vielleicht können die Tiere den Forschern dabei helfen, die Viren besser zu verstehen und den Ausbruch neuer Krankheiten vorherzusagen.

Von Marieke Degen | 11.10.2010
    Im Februar 2003 wird Asien von einer mysteriösen Seuche heimgesucht. Es fängt an wie eine normale Grippe, mit Fieber, Halsschmerzen und Schüttelfrost. Nach einer Woche kommt eine Lungenentzündung dazu. Die Patienten kriegen keine Luft mehr, jeder zehnte stirbt. Die Behörden nennen die unbekannte Krankheit SARS, für schweres akutes respiratorisches Syndrom. Der Virologe Christian Drosten hat damals am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg gearbeitet. Es ist ihm gelungen, den Erreger von SARS zu identifizieren: Es handelt sich um ein Coronavirus.

    "Damit hatte man aber noch gar keine Information darüber, woher der Erreger irgendwann einmal gekommen ist. Die Nachuntersuchungen an Tierreservoiren haben dann eben ergeben, dass Fledermäuse offenbar die Träger dieser Viruslinie sind."

    Die Forscher haben das Erbgut der Fledermausviren analysiert. Offenbar hat das SARS-Virus schon lange in der Fledermaus gelebt, bevor es den Menschen befallen hat. Und SARS ist kein Einzelfall. Die Forscher wissen inzwischen: Für viele Viren, die beim Menschen vorkommen, gibt es ein Pendant in der Fledermaus. Darunter Ebola, Tollwut, Erkältungs- und Durchfallviren, sagt Christian Drosten. Heute leitet er das Institut für Virologie in Bonn.

    "Wir wissen nicht ganz genau, warum bestimmte Viren von den Fledermäusen auf den Menschen gehen oder auch wie sie das tun. Was man sicherlich sagen kann ist, dass man in Fledermäusen sehr viele Viren findet, eine sehr große Diversität, und das Bild, das sich momentan abzeichnet ist das, dass der Mensch, wie auch andere Säugetiere, aus dieser großen Diversität der Viren bei Fledermäusen jeweils einen kleinen Teil abbekommen haben."

    Fledermäuse sind der ideale Wirt für Viren. Erstens leben sie in riesigen Populationen zusammen. Manchmal sind das mehr als eine Million Tiere, so dass sich die Viren gut verbreiten können. Zweitens: Fledermäuse sind Säugetiere.

    "Wir fragen uns natürlich, ob das ein generelles Problem ist, dass Fledermäuse wahrscheinlich wegen ihrer großen Populationsgröße eigentlich Viren vorbereiten, darauf sich dann in anderen Säugetieren vermehren zu können. Also Fledermäuse könnten so etwas wie eine Durchreichstation sein, die könnten den Viren beibringen, wie sie sich in Säugetieren halten. Weil sie eben selber Säugetiere sind."

    Wahrscheinlich kommen die Menschen über den Fledermauskot mit den Viren in Kontakt. Oder sie essen Tiere wie Schleichkatzen, die sich wiederum von Fledermäusen ernähren. Auf diese Weise ist wahrscheinlich das SARS-Virus in Asien auf den Menschen übergesprungen. Es reicht nicht, wenn Forscher nur die menschlichen Viren untersuchen, sagt Christian Drosten. Man müsse wissen, wo die Viren herkommen, von welchem Tier, und wie sie sich im Tierkörper verhalten.

    "Vielleicht können wir bestimmte Viruseffekte, das Zusammenspiel zwischen Virus und Wirt, viel deutlicher sehen, wenn wir die Viren da anschauen, wo sie für viele, viele Jahre gewesen sind, vielleicht können wir daran lernen, was Viren so besonders gefährlich macht, oder auch was harmlose Viren von gefährlichen unterscheidet."

    Was die Forscher besonders interessiert: Wie muss sich ein Virus verändern, damit es auf den Menschen überspringt? Diese Veränderungen müssen die Forscher genau kennen. Dann können sie eines Tages vielleicht alle Erreger in einer Fledermaushöhle aufspüren und prüfen, ob sie eine Gefahr für den Menschen darstellen.

    "Und ich halte das durchaus für möglich, dass wir vielleicht in 10 oder 20 Jahren von jetzt in der Lage sein werden zu sagen: In bestimmten Reservoiren, an einem bestimmten Ort kommt ein gefährliches Virus vor. Und man muss sich jetzt überlegen, wie man dieses Virus los wird."

    Eines wird aber auf keinen Fall in Frage kommen: Die Fledermäuse töten. Dafür sind sie viel zu wichtig für das Ökosystem, sie fressen Massen an Schädlingen. Aber man könnte die Tiere vielleicht impfen und so verhindern, dass sie die Viren an den Menschen weitergeben.