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Gefahr durch Hitzewelle
Korallen vor dem Kollaps

Das Great Barrier Reef ist das größte zusammenhängende Korallenriff-System der Welt. Durch zwei Hitzewellen wurde es nachhaltig geschädigt. Wissenschaftler haben jetzt die Bilanz der ökologischen Schäden untersucht.

Von Volker Mrasek | 19.04.2018
    Eine Unterwasseraufnahme vom Great Barrier Reef in Australien. Zu sehen sind abgestorbene, graue Korallenbänke.
    Korallenbleiche am Great Barrier Reef (AAP/ARC CENTRE OF EXCELLENCE)
    33 bis 34 Grad Celsius - so warm war das Meerwasser Anfang 2016 im Nordteil des Great Barrier Reefs vor der Ostküste Australiens, zwei bis drei Grad über den Normalwerten und das stellenweise sechs Wochen lang. Dann, im darauffolgenden Süd-Sommer, gleich die nächste marine Hitzewelle, noch etwas stärker und diesmal vor allem im zentralen Bereich des weltgrößten Korallenriffs.

    Im Fachjournal "Nature" präsentieren Biologen jetzt eine Bilanz der entstandenen Schäden. Terry Hughes, Direktor des Australischen Forschungszentrums für Korallenriff-Studien an der James-Cook-University:
    "Das Ergebnis ist tragisch und eine Katastrophe. Acht Monate nach dem ersten Ereignis hatten wir 30 Prozent aller Korallen im Riff verloren. Nach dem Sommer 2017 kamen noch einmal 20 Prozent dazu. Das heißt, in den letzten beiden Jahren ist die Zahl intakter Korallen im Great Barrier Reef um die Hälfte geschrumpft."
    Betroffen sind vor allem Geweih- und Tafelkorallen
    Korallen leben in einer Symbiose mit Algen. Doch die beginnen, Giftstoffe zu produzieren, wenn das Wasser zu heiß wird. Deshalb stießen die Korallen ihre Untermieter während der Hitzewellen ab, übrig blieben ausgeblichene Kalkstöcke. Getroffen habe es vor allem Geweih- und Tafelkorallen, sagt Terry Hughes. Das sind nicht nur die vorherrschenden Typen am Great Barrier Reef, sondern in allen Korallenriffen der tropischen Flachmeere im Pazifik und Indischen Ozean:
    "Diese Korallen erfüllen wichtige ökologische Funktionen. Sie sind es, die die dreidimensionalen Strukturen der Riffe bilden und damit auch den Lebensraum für viele Fische und andere Organismen schaffen. Nach der Hitzewelle 2016 im Nordteil des Riffs lag die Sterberate unter den Geweih- und Tafelkorallen bei bis zu 90 Prozent."
    Forscher wie Hughes fürchten nun, dass die Riffbildner nicht mehr genug Zeit finden, um sich von solchen Hitzeepisoden zu erholen. Prinzipiell können sie sich schon regenerieren und die Partnerschaft mit den Algen wiederbeleben. Aber:
    "Es dauert mindestens zehn Jahre, bis sich die schnellwüchsigsten unter den Geweihkorallen wieder erholt haben. Doch wir sehen mit Sorge, dass der zeitliche Abstand zwischen einzelnen Korallenbleichen immer kürzer wird."
    Marine Hitzewellen werden immer häufiger
    Das bestätigt auch eine andere Studie, die kürzlich in "Nature Communications" erschienen ist. Demnach treten marine Hitzewellen in fast allen Weltmeeren immer häufiger auf und dauern auch länger. Ein Trend, der sich in den letzten 25 Jahren noch einmal beschleunigt habe, so Eric Oliver, Ozeanograph von der Dalhousie University in Kanada.
    "Selbst wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen sofort einstellten, würde es noch lange dauern, bis die Erwärmung stoppt. Ich bin mir deshalb ziemlich sicher, dass marine Hitzewellen in Zukunft noch häufiger werden - mindestens bis zur Jahrhundertmitte."
    Erhalt der Korallenriffe ist auch für Menschen lebenswichtig
    Die letzte Hitzewelle am Great Barrier Reef kam sogar ganz ohne El Nino zustande, das heißt: Der Pazifik war gar nicht in einer seiner natürlichen Wärmephasen. So weit ist es also inzwischen schon, und Terry Hughes sieht auch andere Korallenriffe an einem kritischen Scheidepunkt:
    "Die meisten tropischen Korallenriffe befinden sich in Entwicklungsländern und um kleine Inselstaaten herum. Dort sind mehrere hundert Millionen Menschen auf sie angewiesen, denn sie leben von der Fischerei und vom Tourismus. Auch deshalb wäre es wichtig, Korallenriffe als gesunde, funktionierende Ökosysteme zu erhalten. Sollte das nicht gelingen, werden arme Menschen am allermeisten darunter leiden."