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Gefahren der Digitalisierung bei der "Cologne Conference"
Offenes Netz, geschlossene Fenster

Dass die digitale Revolution nicht nur Bequemlichkeit, sondern auch Probleme mit sich bringt, ist mittlerweile bekannt. Bei der diesjährigen Konferenz "Cologne Futures" befasst sich Medienforscher Lutz Hachmeister deshalb mit den Schattenseiten der digitalen Vernetzung und sucht nach gesellschaftlichen Lösungsansätzen.

Von Kai Löffler | 12.10.2016
    Dr. Lutz Hachmeister (rechts) und Paul-Olivier Dehaye auf der Konferenz "Cologne Futures" am 11. Oktober 2016.
    Dr. Lutz Hachmeister (rechts) und Paul-Olivier Dehaye auf der Konferenz "Cologne Futures" (Kai Löffler)
    Einschnitte in die Privatsphäre sind der Preis für die Vereinfachung des Lebens, für die Benutzung von Diensten wie Google, Facebook und Co. Aber wird unser Leben durch Technik wirklich so viel komfortabler, wie allgemein angenommen wird? Lutz Hachmeister, Gründer der "Cologne Conference" und "Cologne Futures", ist skeptisch:
    "Das ist ja so die ursprüngliche Vorstellung: Es wird 'smarter'. Smart ist ja das neue Buzzword für alles, während man doch allein durch Alltagsbeobachtungen feststellen kann, dass viele Dinge komplexer werden. Ich will ein ganz einfaches Beispiel nehmen: Früher konnten Sie in den ICs die Fenster aufmachen", sagt Hachmeister.
    In modernen Zügen regelt eine intelligente Klimaanlage die Temperatur und Fenster lassen sich höchstens noch mit dem Hammer öffnen. Der Mensch ist darauf angewiesen, dass die Technik niemals versagt. Das bereitet auch Unbehagen. "Präzision und Unsicherheit" ist das Motto der diesjährigen "Cologne Futures"-Konferenz, mit der Hachmeister zwei Phänomene unserer Zeit betrachten und auf einen möglichen Zusammenhang abklopfen möchte:
    Leistet die Digitalisierung dem Populismus Vorschub?
    "Es gibt eine ganze Reihe von mittelalten, älteren Menschen, die mit diesem Schub an digitalen Techniken zunächst mal vollkommen überfordert sind. Aber dass auch dieser technologische Schub dazu beiträgt, dass man sich in alte Denkmuster, populistische Denkmuster bis hin zu rassistischen Mustern flüchtet, das hängt sicherlich miteinander zusammen", sagt Hachmeister.
    Populistische Stimmen, die Ängste ausnutzen und Fremdenfeindlichkeit verbreiten, sind aktuell ein globales Phänomen - ob Brexit, AfD oder Donald Trump. Wie sie digitale Techniken für sich nutzen, aber auch, wie ihnen die Überforderung durch virtuelle Welten zuspielt - das gehört zu den heiß diskutierten Themen auf der Konferenz. Der Mathematiker Paul-Olivier Dehaye ist skeptisch, ob sich eine direkte Linie zwischen Populismus und moderner Technik ziehen lässt:
    "Ob man eine solche Verbindung herstellen kann, da bin ehrlich gesagt nicht so sicher. Aber natürlich stimmt es, dass Populisten wie Trump ganz bewusst die Unsicherheiten und Ängste der Menschen ausbeuten und daraus politisches Kapital schlagen."
    Die Macht der Konzerne und Rufschädigung im Internet
    Einig sind sich Dehaye und Hachmeister, dass totale Vernetzung und der Umgang mit persönlichen Daten im Netz ein Problem sind. Die Macht der Konzerne hat Dehaye am eigenen Leib erfahren. Als er einen Online-Kurs gab, der sich mit Datenschutz im Internet beschäftigte, bekam er prompt Ärger mit dem Anbieter des Kurses.
    "Mein Ratschlag für jeden in so einer Situation ist folgender: Wenn du eine Idee hast, die möglicherweise kontrovers ist, die den Status Quo hinterfragt - lass es bleiben, oder dein Ruf im Internet wird vollständig ruiniert sein."
    Eine Google-Suche nach Dehaye fördert eine Reihe von Artikeln zutage, in denen darüber spekuliert wird, weshalb er - so gut es ging - alle Informationen zu diesem Kurs aus dem Internet gelöscht hat. Verheerend sind dabei vor allen Dingen die Leserkommentare unter den Artikeln. Darunter Beschimpfungen, die im Netz ein Eigenleben entwickeln - eine Folge der vermeintlich intelligenten Technik:
    "Und dann gibt es Websites, die aus diesen Kommentaren bestimmte Begriffe herausfischen und auf deren Basis Profile erstellen. Aus diesem Grund habe ich online einen katastrophalen Ruf, ich werde mit Begriffen wie "Psychopath" assoziiert... and that's not so good."
    Gefahren auf individueller und globaler Ebene
    Informationen und Daten bahnen sich ungehindert ihren Weg durch das Internet; wohin ist fast unmöglich nachzuvollziehen. Die komplette Vernetzung der Gesellschaft hat weitrechende Konsequenzen. Nicht nur für das Individuum, sondern auch auf globaler Ebene, sagt Lutz Hachmeister. Cyber-Terrorismus, zum Beispiel. Computerviren, die Stromnetze abschalten oder eine iranische Nuklearanlage zerstören, wie es vor ein paar Jahren Hackern im Auftrag der US-Geheimdienste fast gelungen wäre. Lutz Hachmeister:
    "Die spannendste Frage ist, ob man noch aussteigen kann. Sind wir so gefangen in der technologischen Dynamik, in der Bestimmtheit, dass die Mehrheit der Bevölkerung das willenlos mitmachen wird? Oder gibt es irgendwann einen kritischen Moment, wo man sagt, die Bedrohung der Infrastruktur und der Individualität und der Privatheit ist so groß, dass wir uns einen Ausweg überlegen müssen?"