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"Gefallen und Gefälligkeiten"

Verfehlungen von Politikern und Managern werden in den Medien schnell skandalisiert. Auch Journalisten lassen sicher gerne von Automobilkonzernen und Reiseveranstalter einladen. Immer mehr Medienunternehmen geben sich deshalb einen internen Ethik-Kodex.

Von Claudia van Laak | 20.07.2013
    Die Internetseiten heißen presserabatte.com, pressekonditionen.de oder auch journalismus.com – sie werben mit "1115 überprüften Presserabatten" oder mit der aktuellen Toprabatt-Liste: Condor und Sixt stehen ganz oben. Viele Unternehmen versprechen sich von den gewährten Rabatten eine freundliche Berichterstattung über ihr Unternehmen. Das Netzwerk Recherche ist strikt gegen solche Sonderkonditionen für Journalisten. Medienvertreter machen sich dadurch unglaubwürdig – sagt Geschäftsführer Günter Bartsch.

    "Wir fordern, dass die Presserabatte von denen, die sie anbieten, eingestellt werden. Natürlich sollten Journalisten sie auch nicht von sich aus nutzen, weil sie sich damit angreifbar machen und weil sie dem Ansehen eines unabhängigen Journalismus schaden."

    Die Deutsche Bahn und Airberlin haben ihre Sonderkonditionen für Medienvertreter im letzten Jahr gestrichen. Andere Unternehmen werben nicht mehr offensiv damit. So müssen sich Journalisten erst bei Volkswagen registrieren, um zu erfahren, dass der Neuwagen 15 Prozent billiger ist und sie außerdem einen dreißigprozentigen Nachlass auf die Sonderausstattung erhalten. In roter Schrift weist Volkswagen Interessenten daraufhin, doch bitte die internen Regularien des Arbeitgebers oder Dienstherren einzuhalten.

    Denn: Immer mehr Medienunternehmen geben sich einen internen Ethik-Kodex. Der Norddeutsche Rundfunk erweitert derzeit seine Verhaltensregeln. Für alle festen und freien NDR-Mitarbeiter heißt es künftig: "Wir nutzen keine Journalistenrabatte". Jürgen Marten, stellvertretender Vorsitzender der Antikorruptionsvereinigung Transparency International:

    "Medienunternehmen müssen die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Bedingungen von Korruption, das die Ursachen von Korruption verhindert werden. Dass die Wurzeln von Korruption aufgedeckt werden. Die beste Regel taugt ja nichts, wenn sie nicht eingehalten wird oder wenn die Einhaltung dieser Regeln nicht kontrolliert wird. Und wir stellen fest, dass in den großen Medienunternehmen dies nur sehr gering entwickelt ist."

    Die internen Regeln zur Verhinderung von Korruption hätten in den meisten Fällen nur appellierenden Charakter, enthielten keine konkreten Vorgaben, außerdem fehlten verbindliche Konsequenzen, wenn sich Mitarbeiter nicht daran hielten, kritisiert Jürgen Marten von Transparency.

    Das Problem: Die journalistischen Etats gerade in Tageszeitungsredaktionen schrumpfen. Für aufwendige, zeitintensive Recherchen steht nur wenig Geld zur Verfügung. Dadurch wächst die Verlockung, Einladungen anzunehmen. Sei es die des Ministerpräsidenten, der Hilfsorganisation oder des Tourismusverbandes. Eine Gratwanderung für viele Journalistinnen und Journalisten. Günter Bartsch vom Netzwerk Recherche ist der Ansicht: Einladungen dürfen angenommen, müssen aber in der Berichterstattung kenntlich gemacht werden.

    "Dass man wirklich auch transparent macht, wer hat uns da jetzt unterstützt, wie kam diese Recherche überhaupt zustande? Es muss ja keine ausführliche Erklärung sein. Es reicht ja vielleicht ein kurzer Hinweis. Ich könnte mir vorstellen, dass es da für die Journalisten sogar ein Vorteil bringen könnte, also eben ein Plus an Glaubwürdigkeit."

    Im Pressekodex des Deutschen Presserates – einem Zusammenschluss der großen Verleger und Journalistenverbände - heißt es unter dem Stichwort Vergünstigungen:

    "Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich."

    Allerdings halten sich nur wenige Redaktionen an diese Vorgabe. Die "Süddeutsche Zeitung" veröffentlicht seit einiger Zeit einen Hinweis im Kleingedruckten:


    "Ein Teil der im 'Mobilen Leben' vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden."

    Welche Reise oder welches Luxushotel gesponsert wurde oder welcher Motorjournalist drei Wochen lang den neuen Porsche testen durfte, das bleibt allerdings Geheimnis der "Süddeutschen Zeitung". Hendrik Zörner vom Deutschen Journalistenverband DJV ist der Ansicht:

    "Es ist gut, wenn einzelne Zeitungen und Zeitschriften das inzwischen vereinzelt einsetzen. Häufiger passiert es allerdings auch nicht. Da darf man sich keine Illusionen hingeben. Dass dann aber in einer Schrift zu machen, die nur noch mit der Lupe lesbar ist, sieht dann mehr nach einem Feigenblatt als nach wirklicher Information des Lesers aus."

    Dabei könnten die Medien ein Plus an Glaubwürdigkeit durchaus gebrauchen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Umfrage halten die Deutschen die Medien für korrupter als das Parlament oder die öffentliche Verwaltung.