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Gefangen im Libanon

605 Tage verbrachte der Hoechst-Manager Rudolf Cordes Ende der 80er Jahre in der Gewalt libanesischer Terroristen. Das Ziel der Hisbollah-Anhänger: den Libanesen Mohammed Ali Hamadi aus deutscher Gefängnishaft freizupressen.

Von Otto Langels | 17.01.2007
    "Rudolf Cordes, der Repräsentant der Frankfurter Hoechst-Werke im Libanon, Syrien und Jordanien, gilt seit gestern in Beirut als vermisst. Der einzige Hinweis darauf, dass der deutsche Geschäftsmann entführt worden sein könnte, ist ein anonymer Anruf bei der Deutschen Botschaft in Beirut."

    Was ein Rundfunkreporter aus Beirut meldete, wurde kurz darauf zur Gewissheit: Der Hoechst-Manager Rudolf Cordes war am 17. Januar 1987 entführt worden. Eine Gruppe, die sich "Kämpfer für die Freiheit" nannte, hatte den Deutschen verschleppt. Dahinter stand die libanesische Hisbollah, die Partei Gottes. Die Hisbollah war seit 1982 vom Iran aufgebaut und finanziell unterstützt worden, um für eine radikale Erneuerung der islamischen Welt einzutreten.

    Die Entführer hatten, wie sich bald herausstellte, den Hoechst-Manager in ihre Gewalt gebracht, um den Libanesen Mohammed Ali Hamadi freizupressen. Dieser war kurz zuvor auf dem Frankfurter Flughafen festgenommen worden, weil er versucht hatte, Sprengstoff in die Bundesrepublik zu schmuggeln. Um den Druck zu erhöhen, verschleppten die Terroristen am 21. Januar einen zweiten Deutschen, den Siemens-Techniker Alfred Schmidt. Die Bundesregierung lehnte die Freilassung Hamadis jedoch ab, denn er war inzwischen als Entführer eines amerikanischen Flugzeugs im Juni 1985 identifiziert worden. Der Pilot schilderte damals über Funk die dramatischen Ereignisse an Bord:

    "Er hat eine Handgranate gezogen. Wir müssen in Beirut landen, wir müssen.”

    ”Der Flughafen ist geschlossen.”

    ”Jetzt fangen sie an, die Passagiere zu schlagen.”"

    Weil Hamadi einen amerikanischen Passagier erschossen haben sollte, verlangten die USA seine Auslieferung. Der Forderung nachzukommen, hätte aber möglicherweise den Tod für die entführten Cordes und Schmidt bedeutet. Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble erklärte dazu im Juni:

    ""Die Strafverfolgung von Mord, Flugzeugentführungen und anderen Delikten in der Bundesrepublik Deutschland entspricht in gleicher Weise wie eine Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten den Forderungen der Gerechtigkeit. Auf Hamadi wird die volle Strenge der deutschen Gesetze Anwendung finden."

    Hamadi wurde nicht ausgeliefert. Daraufhin ließen die Hisbollah-Kämpfer im September Alfred Schmidt laufen, gegen ein Lösegeld in Millionenhöhe, das die Firma Siemens zahlte. Bis dahin hatten die beiden Deutschen sieben Monate gemeinsam in verdunkelten Verstecken verbringen müssen, die meiste Zeit an den Fußgelenken aneinandergekettet. Während Schmidt frei kam, behielt die Hisbollah Rudolf Cordes weiter als Geisel. Die Bundesregierung schaltete Vermittler ein, zunächst ohne Erfolg.

    Anfang des Jahres 1988 betonte Bundeskanzler Helmut Kohl bei der 125-Jahrfeier der Firma Hoechst:

    "Ich denke mit Sorge und herzlicher Sympathie an den immer noch im Libanon in Geiselhaft befindlichen Rudolf Cordes. Wir werden als Bundesregierung alles uns Mögliche tun, um seine Freilassung zu erreichen."

    Bonn versuchte durch informelle Gespräche mit dem Iran, Kontakt zu den Entführern im Libanon aufzunehmen. Die Machthaber in Teheran übten besonders dann Druck auf die Hisbollah aus, wenn sie sich davon wirtschaftliches Entgegenkommen der westlichen Industriestaaten versprachen. Öffentlich bestritt der stellvertretende iranische Außenminister Ali Akbar Velayati jedoch jeden unmittelbaren Einfluss auf die Terroristen:

    "Im Namen Gottes des Barmherzigen und Gnädigen: Der Iran tut sein Möglichstes, um die Freilassung der deutschen Geisel im Libanon zu erreichen. Die Geiselfrage ist ausgesprochen delikat. Wir versuchen aber, nach unseren Möglichkeiten zu vermitteln, so gut wir eben können."

    Im Sommer 1988 schließlich, anderthalb Jahre nach der Entführung von Rudolf Cordes, erhielt Bonn Hinweise aus Teheran, dass die Freilassung bevorstand. Nach 605 Tagen, am 12. September, war das Geiseldrama beendet.

    "'Die Entführer haben mich auf einer Straße abgesetzt. Ich bin dann zu einem Haus in der Gegend gegangen und habe den Leuten dort erklärt, ich bin die Geisel Rudolf Cordes, und ich habe sie um Hilfe gebeten.' Mit diesen Worten hat Rudolf Cordes in der Nacht dem libanesischen Innenminister seine Freilassung geschildert."

    Fast zeitgleich wurde in Düsseldorf der Libanese Mohammed Ali Hamadi wegen Flugzeugentführung und Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde nach 19 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Rudolf Cordes hat über seine Entführung nie öffentlich gesprochen.