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Geflohen aus Afghanistan in den Krisenherd Pakistan

In keinem Land der Erde leben so viele Flüchtlinge wie in Pakistan. Die meisten von ihnen stammen aus Afghanistan: 1,7 Millionen sollen es laut UNO sein. Wer da Taliban oder Extremist ist, lässt sich nicht feststellen. Von Pakistan haben die Heimatlosen keine Hilfe zu erwarten - wie so oft sind es private Hilfsorganisationen, die sich kümmern.

Von Jeanette Seiffert | 12.07.2011
    Gadab im Süden Pakistans – ein Flüchtlingslager am Rande der Zehnmillionenmetropole Karachi. Gadab, das ist sonnenverbrannte, aufgebrochene Erde, das sind Steine und Sträucher und eine unübersehbare Zahl an Lehmhütten, viele halb verfallen. Dazwischen: eine Krankenstation. Eine niedrige, weiß gestrichene Baracke, davor zwei lange Steinbänke. Dort sitzen zwei Dutzend afghanische Frauen und warten geduldig, bis die Krankenstation öffnet und sie an der Reihe sind. Die meisten haben Babys oder Kleinkinder auf dem Schoß, einige ältere Kinder spielen am Boden mit Steinen und Müll.

    Es ist drückend heiß an diesem Morgen, um neun Uhr zeigt das Thermometer fast fünfunddreißig Grad. Ruth Pfau wischt sich den Schweiß von der Stirn, unter dem Baumwolltuch, das sie sich über den Kopf gelegt hat, staut sich die Wärme. Die Ordensschwester steht vor der Krankenstation und sieht nach dem rechten. Sie ist 81 Jahre alt – aber das ist der energischen Frau nicht anzusehen. Mehrmals wöchentlich kommt sie hierher, sie hat die Krankenstation aufgebaut. Doch wie groß das Gelände genau ist, wo es anfängt, wo es endet, weiß nicht einmal sie. Auch nicht, wie viele Flüchtlinge hier in Gadab leben.
    "Wir haben es nie gewusst. Wir haben mehrmals versucht, irgendwelche Informationen über die Bevölkerung zu kriegen – kriegen sie aber nicht. Die sind ja nicht auf einer Stelle. Wenn die sehen, dass das Leben irgendwo anders leichter ist, dann ziehen die über Nacht aus. Also wir haben angefangen, da meinten die, 50.0000. Die behaupten jetzt, mehr als 100.000, und ich glaube das."

    Ruth Pfau begrüßt ihre Mitarbeiter, zwei Ärzte und eine junge Helferin. Am Eingang wartet ein halbwüchsiges Mädchen auf sie, 14 oder höchstens 15 mag sie sein. Sie trägt ihren fünfjährigen Bruder auf dem Arm.

    "Er hat als kleines Kind hohes Fieber gehabt, und da sind Teile seines Gehirns zerstört worden."

    Schicksale wie dieses sind Alltag für die Deutsche, seit sie vor über 50 Jahren nach Pakistan gekommen ist. Angefangen hat sie mit einem Lepra-Krankenhaus in Karachi, mittlerweile betreibt ihre Hilfsorganisation "MALC" Dutzende von Projekten, die über das ganze Land verteilt sind: Überall dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Zum Beispiel hier in Gadab. Für die Bewohner, seien es nun 80.000 oder 100.000, gibt es keinerlei Hilfen von der Regierung in Islamabad. Niemand interessiert sich dafür, wer hier lebt, und unter welchen Bedingungen und warum er gekommen ist. Afghanische Flüchtlinge gibt es schon lange in Pakistan, viele kamen Ende der siebziger Jahre, nach dem Einmarsch der Sowjets in Afghanistan. Dann nahm der Flüchtlingsstrom immer weiter ab, bis er im Herbst 2001 wieder anschwoll, kurz nach den Anschlägen vom 11. September, als die USA Afghanistan angriffen, um gegen Osama Bin Laden und die Hintermänner der Terroranschläge vorzugehen. Ruth Pfau erinnert sich.

    "Als die Afghanen 2001 rüberkamen, da waren die nicht anerkannt als Flüchtlinge. Die lebten in einem Zustand, das konnte einem das Herz umdrehen. Aber Pakistan weigerte sich, die Tatsache zu sehen, dass die eben hier sind. Und da bin ich damals nach Islamabad. Da kannte ich ein paar Leute. Und die sagten dann: Wir könnten aber nicht kommen, weil das sind ja Taliban. Wer da nun ein Taliban ist und wer Waffen im Haus hat, das weiß ich ja nicht. Ich kann nur sagen: Wir haben nie Schwierigkeiten gehabt, nie."

    Ruth Pfau fragt nicht nach dem Woher. Sie fragt nur nach dem Wohin. Und sie fragt auch nicht nach der Gesinnung. Nur nach dem Befinden. Viele nennen sie die "Mutter Theresa Pakistans". Taliban hin oder her: Sie hilft dort, wo sich sonst keiner hinwagt. Zum Beispiel ins Grenzgebiet zwischen Pakistan und Afghanistan. Zuflucht für Tausende von Flüchtlingen. Und Rückzugsgebiet für militante Islamisten. Für Taliban. Al-Qaida-Aktivisten. Hier hatte Osama Bin Laden sein Hinterland. In keinem Land der Erde leben so viele Flüchtlinge wie in Pakistan: Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen schätzt ihre Zahl auf 1,9 Millionen. Eine enorme Belastung für das Land, zumal die meisten von ihnen aus dem afghanischen Kriegsgebiet stammen: 1,7 Millionen sollen es sein. Aber wer weiß das schon. Niemand hat die, die auf den trostlosen Brachflächen am Rande der Städte lagern, jemals gezählt. Auch nicht die, die es bis nach Gadab geschafft haben.

    "Da sind Leute, die sind jetzt schon das 30. Jahr hier, da sind Leute, die sind fünf Tage hier. Das hat eigentlich immer angehalten. Manchmal wegen der Wasserknappheit. Da erzählen uns Mütter, sie hätten nicht mal eine Tasse Wasser gehabt, um sie den Kindern zu geben, wir mussten weg."
    Für die pakistanische Regierung sind die Flüchtlinge aus Afghanistan nicht nur ein soziales Problem, sondern vor allem dieses: ein Sicherheitsrisiko. Die meisten von ihnen sind Paschtunen – und die Paschtunen sind bei den Taliban in der Mehrheit. Deshalb gilt den Paschtunen die besondere Aufmerksamkeit der pakistanischen Sicherheitskräfte.

    Ein Problem, das sich durch den aktuellen Streit zwischen den USA und Pakistan um Militärhilfen noch zuspitzen könnte: Es geht dabei um Geld, das die USA jedes Jahr nach Islamabad überweisen, um Pakistan beim Anti-Terror-Kampf zu unterstützen. Washington hat dieser Tage angekündigt, die Auszahlung von 800 Millionen zurückzuhalten, das entspricht einem Drittel der versprochenen Hilfen für Pakistans Militärhaushalt. Im Gegenzug droht die pakistanische Regierung damit, einen Teil der Truppen aus dem Grenzgebiet zu Afghanistan abzuziehen: Das könnte dazu führen, dass gewaltbereite Extremisten Pakistan noch ungehinderter als Rückzugsgebiet nutzen können – und die Sicherheitslage in der Region noch instabiler machen, als sie ohnehin schon ist.
    Gegen Mittag ist der Andrang vor der Krankenstation noch größer geworden. Doch Dr. Razar lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, er impft Kinder, legt Verbände an, beruhigt schreiende Säuglinge. Der Afghane ist Arzt in der Krankenstation – und hat täglich mit den verschlossenen, bärtigen Männern zu tun, die selbst behandelt werden wollen oder ihre tief verschleierten Frauen in den undurchsichtigen Burkas zu ihm bringen. Weiß er etwas von Taliban hier im Lager? Von gewaltbereiten Islamisten, die sich hier möglicherweise immer noch verstecken?

    "Wir wissen es nicht – vielleicht! Hier leben ganz unterschiedliche Menschen, wir wissen nicht viel über sie."

    Und setzt er lächelnd hinzu: Wir wollen es auch gar nicht wissen.

    "And we don't want to know."

    Das Schicksal Pakistans ist eng mit dem Afghanistans verknüpft. Geht es dam afghanischen Patienten schlecht, hat der Nachbar Pakistan Schnupfen: Afghanistan ist der Schauplatz für den Stellvertreterkrieg zwischen Pakistan und Indien – beide versuchen, ihren Einfluss auf Afghanistan geltend zu machen, um den Gegner in Schach zu halten. Hinzu kommen die Stammesverbindungen, die familiären Beziehungen über die Grenzen hinweg – eine Grenze, die mitten durch das Stammesgebiet der Paschtunen führt und Familien trennt: Sie scheren sich nicht um Schlagbäume oder Militärpatrouillen. Sie folgen ihren uralten Handelswegen. Und lassen sich nicht auseinanderdividieren in Afghanen oder Pakistaner: Sie sind Paschtunen. Das ist ein Grund, weshalb bisher alle Bemühungen der pakistanischen Regierung gescheitert sind, das Flüchtlingsproblem dauerhaft zu lösen. Islamabad verfolgt seit vielen Jahren eine Politik der "Repatriierung" - mehr oder weniger konsequent. Die Afghanen sollen mit allen Mitteln dazu gebracht werden, wieder in ihre Heimat zurückzukehren.

    "Wir hatten ja zwischendurch geholfen, die Leute zu repatriieren, also massenhaft. Die wollten alle zurück"

    ,erzählt Ruth Pfau vom Beginn ihrer Arbeit im Lager vor vielen Jahren.

    "Und dann war das zu Ende, und dann hat die Regierung diese Camps gebulldozt, und da habe ich gedacht, jetzt ist das Problem zu Ende. Dann haben wir uns ein paar Jahre nicht drum gekümmert. Dann bin ich zufällig bei Gadab vorbeigefahren - da standen die Camps wieder."

    Einen Flüchtlingspass, der ihren Status und ihren Aufenthalt legalisieren würde, besitzen die Wenigsten. Die meisten halten sich faktisch illegal in Pakistan auf. Und geraten immer wieder in die Fänge der pakistanischen Sicherheitskräfte, wie Ruth Pfau, die 81-jährige Ordensfrau, oft genug selbst erfahren hat.

    "Dann haben die das zwischendurch wieder probiert und jeden, der Afghane war und keine Einreisegenehmigung hatte, ins Gefängnis gesteckt. Da haben wir uns dann dagegen gewehrt. Und dann haben wir die alle für nur 300 Rupies ausgelöst."

    Drei Euro pro Mann hat ihre Organisation für die Freilassung bezahlt– vor zwei Jahren war das. Nun leben die Männer wieder im Camp - bis sie das nächste Mal verhaftet werden und Ruth Pfau wieder tief in die Tasche greifen muss, um sie freizubekommen. Afghanen stehen auf der sozialen Leiter in Pakistan ganz weit unten – und das will etwas heißen: Schließlich sind auch die meisten Pakistaner finanziell abhängige und damit verarmte Bauern. Fast jeder zweite kann nicht lesen und schreiben. So zeigen sich in afghanischen Flüchtlingscamps wie dem in Gadab die sozialen und politischen Probleme des Landes wie in einem Brennglas: Razar, der afghanische Arzt in Ruth Pfaus Krankenstation, sieht die Folgen dieser Probleme jeden Tag in seinem Behandlungszimmer:

    "Die meisten leiden an Hautkrankheiten, weil es nicht genügend Wasser gibt. Es gibt Wassertanks, die das Wasser an die Menschen verteilt, die Menschen müssen es kaufen. Wir wissen auch nicht, woher das Wasser stammt, und wir wissen nicht, ob es sauber ist. Wir benutzen es auch hier im Krankenhaus."

    25 Liter kosten fünf bis zehn Rupien, das entspricht etwa zehn Cent – viel Geld für Menschen, die so gut wie kein Einkommen haben und buchstäblich von der Hand in den Mund leben oder von dem, was sie sich irgendwo zusammen betteln. Keine ausreichende Wasserversorgung, kaum sanitäre Anlagen, Strom höchstens stundenweise, viel zu wenig Bildungsangebote – ein Leben ohne jede Perspektive, ohne jede Hoffnung auf Veränderung. Und doch haben die gesellschaftlichen Traditionen und sozialen Unterschiede auch hier im Lager ihre Gültigkeit: Wer aus einer großen, namhaften Familie stammt, hat es allemal besser als die namenlosen Habenichtse. Ruth Pfau kümmert sich vor allem sie, um diese Benachteiligten, ihre "Sozialfälle", wie sie sie nennt.

    Ein paar hundert Meter von der Krankenstation entfernt: Müll, so weit das Auge reicht. Haufen mit Abfällen aus Metall, Kunststoff, Pappe. Hadschi Hallal Edim steht bis zu den Knöcheln zwischen den Müllresten. Das Gesicht unter dem weißen Turban ist sonnengegerbt, die Hände tiefschwarz. Der bärtige Afghane lebt seit 28 Jahren im Camp, mit zwei Ehefrauen und insgesamt acht Kindern. Irgendwann ist er auf die Idee mit dem Müll gekommen: Mit Abfällen lässt sich Geld verdienen. Den Unrat kauft er den unzähligen Müllsammlern in Karachi ab und karrt ihn hierher, ins Lager, wo er sortiert und handverlesen wird. Dann wird er exportiert – bis nach China geht die vermeintlich wertlose Ware, die dort weiterverarbeitet wird. Mittlerweile arbeiten mehrere Männer für Hadschi Hallal Edim. Auch Halbwüchsige und Kinder sind damit beschäftigt, den Müll zu sortieren. Fünf Rupien verdienen sie pro Stunde, das sind etwa fünf Cent. Als Ruth Pfau ihn fragt, was er verdient, weicht er aus:

    "Das hängt vom Dollar ab. Wenn der Dollar runtergeht, verdiene ich mehr, sonst weniger. Das kommt eben drauf an, wie die Geschäfte stehen. Und dann habe ich ja noch viele Kosten. Das Geschäft hat mir keiner beigebracht. Ich habe nur versucht, irgendwie Geld zu verdienen, um meine Kinder satt zu bekommen. Angefangen habe ich mit Papier. Dann hat sich zu meinem Erstaunen herausgestellt, dass sich fast alles verkaufen lässt."

    Ruth Pfau will von ihm wissen, wie das Müllgeschäft funktioniert. Sie weiß, dass die Menschen hier nur wenige Möglichkeiten haben, Geld zu verdienen: Mit dem Müll gelingt das bisher aber nur ein paar wenigen wie Hadschi Hallal Edim.

    Schon seit einiger Zeit denkt sie darüber nach, selbst mit ihrer Organisation ins Müllgeschäft einzusteigen: Damit mehr Menschen im Lager davon profitieren. Doch der Afghane, ganz Geschäftsmann, lässt sich nicht in die Karten schauen:

    "Sie bekommen niemals ein Ja oder Nein von einem richtigen Afghanen. Sie bekommen eine Geschichte."

    Die Nonne fragt ihn auch nach seiner Familie, nach seinen Kindern, nach der Schule und ob sie überhaupt Unterricht haben. Ja, sagt er – das Leben sei zwar hart im Lager; es gebe kein Wasser, manchmal zu wenig zu essen. Aber es ist ihm wichtig, dass die Kinder in die Schule gehen. Das findet Ruth Pfau bemerkenswert.

    "Ich bin ja froh, dass sie jetzt endlich daran denken, dass die Kinder was lernen sollen, da haben die ja überhaupt nicht dran gedacht – von denen ist ja keiner in der Schule gewesen. Also da haben wir jetzt wirklich Boden unter den Füßen. Aber da müssen wir jetzt drauf bauen."

    Und das meint Ruth Pfau ganz wörtlich. Nur wenige Meter entfernt soll eine neue Schule entstehen, direkt neben den Müllbergen. Zwei Schulen gibt es bereits im Lager, eine für 600 Kinder, eine weitere, kleinere nimmt behinderte Schüler auf. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt Ruth Pfau – die gerne noch viel mehr Schulen bauen würde, um den Kindern Bildung und damit eine Zukunft zu geben. Damit begibt sie sich in Konkurrenz zu den Koranschulen, den Madrassas, die überall dort entstehen, wo es Moscheen gibt – und es stehen 36 Moscheen in Gadab.

    "Wir verlieren die Kinder an die Madrassas. Die können weder die Schulbücher noch das Schulgeld bezahlen, und deshalb gehen sie dorthin. Obwohl sie hier kein Essen kriegen wie in vielen anderen Madrassas. Wir sind ja auch dafür, dass sie die Madrassas besuchen, aber eben nicht nur. Was nützt ihnen das, wenn sie nur den Koran beten lernen?"

    Die Schule, die Ruth Pfau mit aufgebaut hat, liegt ein paar Autominuten von den Müllbergen entfernt, in einer Art Geschäftsstraße. Aus einer Werkstatt dringt Lärm, an Markständen werden Lebensmittel angeboten: Gemüse, Käse, große Fleischstücke baumeln an Haken. In einer Hofeinfahrt spielen Kinder an einem Tischkicker. Gegenüber liegt der Eingang zur Schule – fast versteckt hinter all den Buden und Ständen.

    In mehreren offenen Klassenzimmern sitzen Kinder unterschiedlichen Alters auf Kissen am Boden. Unter ihnen sind ganz kleine, aber auch schon größere Jungen und Mädchen werden getrennt unterrichtet, alle tragen blaugraue Schuluniformen, die der Mädchen mit Schleier. Sobald ein Gast den Raum betritt, grüßen die Schüler ohne jede Aufforderung im Chor, ansonsten sitzen alle mucksmäuschenstill da, lauschen der Lehrerin: Auch sie ist von Kopf bis Fuß in schwarzen Stoff gehüllt, der nur das Gesicht freigibt. In Klasse 7 bereiten sich Schüler auf einen Mathematiktest vor, einer rechnet an der Tafel vor:

    Shamar Hamad, der Schulleiter, in Hemd und Hose gekleidet, macht einen gebildeten und weltoffenen Eindruck: Er stammt aus einer afghanischen Politikerfamilie, also aus der Oberschicht. Hier im Lager musste er viel Überzeugungsarbeit leisten für diese Schule:

    "Wir haben mit vielen Eltern hier gesprochen, um sie zu bitten, ihre Kinder in die Schule zu schicken, und Inshallah, nun haben wir hier sogar eine 8. Klasse. Zu Anfang war es schwierig für mich, Jungen und Mädchen zusammen zu unterrichten, aber jetzt ist auch Koedukation möglich."

    Das Geld für die Schule stammt von der deutschen Regierung – was allerdings genau hier gelehrt wird, kontrolliert keiner. Die Wände der Klassenräume sind frisch gestrichen, an einigen Stellen schimmern bunte Disneyfiguren unter der weißen Farbe durch – sie sind einfach übermalt worden. Über den Lehrplan kann Shamar Hama nicht viel sagen, aber das schon: Immerhin komme den Kindern hier das zugute, was ihnen zuhause in Afghanistan bestimmt fehlen würde: ein Mindestmaß an Bildung. Ob ihnen ein Schulabschluss allerdings später tatsächlich etwas nutzen wird, kann auch der Schulleiter nicht sagen.

    "Ich weiß es nicht. In Pakistan dürfen sie nicht arbeiten, die Regierung erlaubt das nicht. Sie werden nach Afghanistan gehen und dort ihr Bestes geben. Ich hoffe es, Inshallah. Ich kenne die Situation in Afghanistan. Ich hoffe, dass sie es schaffen werden."

    Er hat sich fest vorgenommen, hier im Lager zu bleiben, bis die ersten Schüler ihr Abschlusszeugnis in ihren Händen halten. Vor allem eine Hoffnung treibt ihn dabei an: Dass die Menschen, die Bildung haben, nicht kämpfen werden.

    "Menschen, die Bildung haben, werden nicht kämpfen."

    Fragen- und Antwortkatalog der Bundesregierung zum Afghanistan-Einsatz