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Gegen die Regionalitis in Spanien

Die "Union für Fortschritt und Demokratie" hat in Spanien die Parteienbühne betreten. Sie macht gegen die wachsende Eigenständigkeit der Regionen mobil. Hans-Günter Kellner berichtet.

02.10.2007
    Keine Partei kommt mehr ohne eine eigene Hymne aus, so auch nicht die neue spanische Gruppierung "Union für Fortschritt und Demokratie". Deren Spitzenpolitikerin Rosa Díez, ehemals Europaabgeordnete der spanischen Sozialisten, gibt sich trotz der harmonischen Klänge kämpferisch:

    "Damit Spanien nicht kaputt geht. Es geht nicht darum, dass ein Stück von der Landkarte fehlt, sondern um die Gleichheit der Bürger. Wir müssen diejenigen am Kragen packen, die diese Gleichheit nicht verteidigen, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Wir müssen den spanischen Staat und die Spanier verteidigen."

    Die Gefahr für das Land sieht sie vor allem im wachsenden Einfluss der baskischen, katalanischen und galicischen Nationalisten, der sich auch bei den gegenwärtigen Haushaltsverhandlungen zeigt. Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero ist dabei auf die Stimmen der Nationalisten angewiesen, und so wird heftig um staatliche Investitionen in der einen oder anderen Region gerungen. Auch der Philosoph Fernando Savater gehört zu den Unterstützern der neuen Partei.

    "Überall im Land macht sich eine Regionalitis breit, ein Lokalpatriotismus, bei dem es nur noch darum geht, was man aus dem Staat noch herausholen kann. Es geht nicht mehr darum, wie das Land regiert wird. Selbst in Madrid: Da verlangt der Madrider Bürgermeister von seiner Partei, den Konservativen, einen Listenplatz für die nächsten Parlamentswahlen. Er sagt, Madrid brauche eine Stimme im Parlament. Zu glauben, jemand müsse ins Parlament, nicht weil er politisch rechts oder links steht, sondern nur weil er aus Madrid kommt, das ist nationalistisches Denken."

    Dafür macht der baskische Querdenker den sozialistischen Regierungschef Zapatero mitverantwortlich. Dieser regiere mit Hilfe der katalanischen Separatisten, habe eine unnötige Debatte um ein katalanisches Autonomiestatut vorangetrieben und sogar der ETA ein neues baskisches Statut in Aussicht gestellt.

    "Es deutet doch alles darauf hin, dass da eine Reihe von Zugeständnissen gemacht wurden. Die ETA wurde zum politischen Verhandlungspartner gemacht, allein das war schon ein Fehler. Es mangelte an politischer Klarheit. Da wurde über einen Runden Tisch gesprochen. Dabei gibt im Baskenland für politische Gespräche schon ein demokratisches Parlament. Inzwischen haben die Sozialisten diesen Kurs korrigiert. Auch wenn sie es nicht anerkennen, sie wissen, dass sie einen Fehler gemacht haben."

    Und ein neuer Konflikt zeichnet sich ab: Das spanische Parlament hatte bereits zu Beginn der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode ein erweitertes baskisches Autonomiestatut mit einem unabhängigen Justizwesen und eigenen diplomatischen Vertretungen abgelehnt. Dennoch möchte der baskische Ministerpräsident Juan José Ibarretxe die Basken genau darüber nun abstimmen lassen. Regierungschef Zapatero hat schon erklärt, Ibarretxes Nationalismus gehöre ins vergangene Jahrhundert. Sollte es aber dennoch zum Referendum kommen, müsse Zapatero zu einem in der Geschichte der spanischen Demokratie noch nie benutzten Mittel greifen, fordert der Philosoph Savater:

    "Der baskische Ministerpräsident übt sein Amt im Rahmen des spanischen Staates aus. Wenn er gegen Gesetze und Verfassung verstößt, muss Zapatero dagegen vorgehen oder das baskische Autonomiestatut außer Kraft setzen. Im Baskenland werden viele Menschen von der ETA bedroht, darunter ich. Wenn trotz alle dem ein solches Projekt von nur einer politischen Gruppe gegen den Rest durchgesetzt wird, muss der Staat das verhindern."
    Die Chancen der neuen "Partei für Fortschritt und Demokratie" auf einen Parlamentssitz bei den Wahlen zu Beginn nächsten Jahres sind zwar nicht hoch. Aber wenn sie Zapateros Sozialisten nur ein paar tausend Stimmen abnimmt, könnten im Kopf an Kopf-Rennen der beiden großen Parteien die Konservativen die Nase schließlich vorn haben. Fernando Savater habe dann jedoch seine politische Unabhängigkeit als streitbarer Intellektueller verloren, werfen ihm manche jetzt schon vor. Er weißt das zurück:

    "Ich war mein ganzes Leben lang politisch engagiert. Die Franco-Diktatur sperrte mich dafür ins Gefängnis. Meine ganze Generation hat politische Positionen bezogen. Sich für eine Partei auszusprechen, ist natürlich noch ein Schritt weiter. Ich werde keinem Gremium der Partei angehören. Aber ich wollte mithelfen, dass es bei der Wahl mit dieser Partei eine weitere Alternative gibt. Das ist mir wichtig."