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Gegen Lehrermangel in den USA
Weniger Standardtests als Weihnachtsgeschenk

In vielen Staaten Amerikas fehlt es an Lehrern. Die Universitäten bilden weniger Lehrkräfte aus, und wenn die erst mal im Beruf sind, bleiben viele nicht lange. Zuviel Druck und zu viele Standardtests sind oft der Grund. Doch ein neues Bildungsgesetz soll das jetzt ändern.

Von Susanne Capelouto | 18.12.2015
    Schulbusse in Los Angeles stehen auf einem Parkplatz.
    Um ein guter Lehrer in den USA zu sein, arbeitet man von 6 Uhr morgens bis manchmal um Mitternacht, das soll sich jetzt ändern. (Paul Buck, dpa picture-alliance)
    Als Präsident Obama vor einigen Tagen ein neues Bildungsgesetz unterschrieb war er in guter Stimmung.
    "This is an early Christmas Present. A Christmas Miracle."
    Ein vorzeitiges Weihnachtgeschenk sei es, denn ab nächstem Schuljahr sollen weniger Standardtests von Washington verlangt werden. Seit mehr als zehn Jahren müssen Lehrer an öffentlichen Schulen in den USA ihre Fähigkeiten durch eine Reihe von vorgeschriebenen Tests jährlich beweisen. Und zum Teil hängt sogar ihr Gehalt vom Ergebnis ab. Amerikas Politiker fordern Rechenschaft über das Geld, das sie in die Bildung stecken.
    An einer Schule in Atlanta im Süden der USA ist wieder einmal ein Testtag. Der Dritte in dieser Woche. Hunderte von Schülern verteilen sich auf die ihre Klassenzimmer. Es herrscht eine nervöse Stimmung.
    " You have two minutes, two minutes."
    Permanenter Druck
    Alle Schüler der 6. und 7. Klasse werden hier zur gleichen Zeit getestet. Jeden Tag in dieser Woche ein anderes Fach. Diese Schule liegt in einem sozial schwachem Viertel der Stadt und muss deshalb noch einige extra Prüfungen absolvieren, denn wegen der Armut der Kinder bekommt diese Schule mehr öffentliche Gelder. Für Clara Green, die hier seit zwei Jahren unterrichtet, raubt das ständige Testen den Spaß am Job.
    "Die Tests sind staatlich vorgeschrieben. Das heißt, dass sie meinen Unterrichtsinhalt bestimmen. Man weiß, dass die Schüler die Tests bestehen müssen, und das macht unheimlich viel Druck. Man lehrt nur noch was im Test vorkommt."
    Green sagt sie hat viele Kollegen schon verloren, die den Stress einfach nicht mehr ausgehalten haben. Als Lehrerin für Geschichte und Sozialwissenschaft will sie ihren Schülern auch kritisches Denken beibringen und das kann sie nur durch extra Arbeit.
    "Ich verstehe total, dass es so viel Burn-out unter Lehrern gibt. Die Menge an Arbeit, die erforderlich ist, um ein guter Lehrer zu sein ist verrückt. Man arbeitet von 6 Uhr morgens bis manchmal Mitternacht."
    Burn out ist Standard
    Und für Junglehrer wie Green ist die Bezahlung noch gering. Im Bundesstaat Georgia, wo Green unterrichtet, steigen mittlerweile 45 Prozent aller Junglehrer in den ersten fünf Jahren wieder aus dem Beruf aus. Darum hat das staatliche Bildungsministerium eine Umfrage unter Lehrern und Ex-Lehrern gestartet. Politiker wollen schwarz auf weiß wissen, warum so viele so schnell aufgeben.
    "When so many people..."
    Wenn so viele Leute in den ersten fünf Jahren abspringen, wie viele fangen das Studium zum Lehramt erst gar nicht an? Das fragt sich Matt Cordoza, der Sprecher des Georgia Bildungsministeriums. Und an den Universitäten hier ist die Zahl der Lehramtsstudenten zurückgegangen sagt er.
    In New York gibt es mittlerweile 22 Prozent weniger Lehramtsstudenten. Eine Studie in Georgia gibt einen Rückgang von 16 Prozent an. Der Lehrerberuf bekommt einfach nicht genug Anerkennung in den USA, meint Richard Ingersoll, Pädagogik-Professor an der University of Pennsylvania.
    "You have to improve retention of existing teachers."
    Nicht genug Anerkennung
    Man muss dafür sorgen dass Lehrer im Beruf bleiben, meint er, aber ob Obamas neues Gesetz dazu führt, den Beruf Lehrer schmackhafter zu machen, ist ein großes Fragezeichen.
    "In this case teachers could be given more say and input and autonomy,"
    Man könnte Lehrern zunächst einmal mehr Autonomie und Bestimmungsrecht einräumen, meint Ingersoll. Auch mehr Material und Unterstützung, und dann erst darf man Lehrer beurteilen. Jetzt kommt es darauf an wie die 50 Staaten Amerikas das Neue Bildungsgesetz umsetzen. Junglehrerin Green ist da skeptisch.
    "I'm not hopeful"
    Das Bildungssystem Amerikas hat sich an die Standardtests gewöhnt, und deshalb sind sie nicht komplett aus dem neuen Gesetz gestrichen. Aber die Testergebnisse, so wurde es wenigstens versprochen, sollen ab nächstem Schuljahr nicht mehr so wichtig sein.