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Gegen Lohndumping und prekäre Arbeitsbedingungen

Die Sozialdemokraten wollen die Arbeitsbedingungen in den Sozialberufen mit einem Branchentarif verbessern. Ein entsprechendes Gutachten stellte die SPD-Bundestagsfraktion jetzt vor. Für einen solchen Tarifvertrag müssten weltliche und kirchliche Träger zusammengeführt werden.

Von Stephan Maas | 18.04.2013
    Die SPD schlägt einen "Branchentarif Gesundheit und Soziales" vor, um die Arbeitsbedingungen in den Sozialberufen zu verbessern und Lohndumping zu verhindern. Grundlage dafür aber wäre, dass Kirchen und Gewerkschaften stärker als bislang zueinander fänden und sich nicht mehr als Gegner betrachten, erklärte die Kirchenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Kerstin Griese. Ziel sei ein Branchentarif, der aufgrund eines Tarifvertrages durch eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung festgelegt wird.

    "Wir müssen uns in unserer Gesellschaft die Frage stellen, was uns soziale Arbeit wert ist. Was uns die Arbeit von Menschen, die Dienst am Menschen leisten, in der Pflege, in der Betreuung und in der Hilfe für Alte, Kranke, für Jugendliche für Kinder wert ist,"

    sagt Kerstin Griese, in der SPD-Bundestagsfraktion Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften. Denn seit Mitte der 90er-Jahre im Sozial- und Gesundheitswesen das Kostendeckungsprinzip abgelöst worden sei von einem verschärften Wettbewerbsprinzip, seien die Folgen, so die SPD-Politikerin: Lohndumping und vielerorts prekäre Arbeitsbedingungen. Denn der Kostendruck sei vor allem über die Personalkosten abgefangen worden.

    "Und in diesem Bereich gibt es eine große Zahl von kirchlichen Trägern und Einrichtungen der Diakonie und der Caritas. Darüber hinaus die Träger der AWO, des Roten Kreuzes, des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Und wir suchen einen Weg, der für diese beiden Bereiche, die kirchlichen Wohlfahrtsverbände und die weltlichen und auch für die privaten Anbieter Standards setzt."

    Der Ausweg: ein Branchentarif Gesundheit.

    Den Weg dorthin zeichnet ein Gutachten auf, das die SPD-Bundestagsfraktion in Auftrag gegeben hat und heute das erstmals vorgestellt hat. Die Grundvoraussetzung, um einen solchen Branchentarifvertrag in Kraft zu setzen, ist, dass mindestens die Hälfte der beschäftigten einer Branche durch ihn vertreten werden. Ohne die Kirchen läuft da also nichts. Das heißt, es geht darum, weltliche und kirchliche Träger zusammenzuführen, sagt Professor Bernd Schlüter, einer der beiden Verfasser des Gutachtens:

    "Indem wir versuchen, zu sehen, inwieweit es in diesem System gute und schlechte Tarife gibt. Es gibt gute Tarifordnungen auf allen Seiten. Bei den Wohlfahrtsverbänden, auch bei den Kirchen. Wir würden gerne diese guten Tarife zusammenführen und schauen, ob wir darauf hin eine Allgemeinverbindlichkeit zustande kriegen."

    Keine ganz leichte Aufgabe, denn gerade in der Frage des Arbeitsrechts sind Kirchen und Gewerkschaften schwerlich ohne Streit an einen Tisch zu bekommen. Erst Ende des vergangenen Jahrs endete die Frage nach einem Streikrecht für kirchliche Mitarbeiter vor dem Bundesarbeitsgericht. Und dabei ist genau ein runder Tisch eine der zentralen Empfehlungen des Gutachtens, sagt Kerstin Griese:

    "Wir wollen das ja nicht staatlich vorschreiben, das geht auch rechtlich gar nicht, die Kirchen haben ein Selbstbestimmungsrecht, die Tarifpartner sind natürlich frei. Das achten wir alles, klar. Wir wollen zu einem runden Tisch einladen, an dem alle Beteiligten versammelt sind und an dem gemeinsam überlegt wird, wie könnte ein solcher Weg sein."

    So könne ein Tarifvertrag im weltlichen Bereich geschlossen werden, der auch vom kirchlichen Bereich übernommen wird. Dann könne der Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit gestellt werden. Damit könne für die ganze Branche, auch für die privaten Anbieter, ein allgemein verbindlicher Lohnbereich geschaffen werden.

    "Wir verlangen allen Seiten etwas ab, wir erwarten von den Kirchen, dass sie die Gewerkschaften besser beteiligen, dass sie sich auch an ihre Verträge verbindlich halten, wie es auch das Bundesarbeitsgericht vorgeschrieben hat. Wir erhoffen uns auch von den Gewerkschaften, dass sie sich wieder beteiligen an den arbeitsrechtlichen Kommissionen der Kirchen. Wir verlangen allen Seiten ab, aufeinander zu zugehen. Beziehungsweise schlagen eignen Weg vor, indem wir sie dazu einladen."

    Wichtig sei in der Folge natürlich, dass die Kostenträger die entsprechende Finanzierung auch bereitstellten.