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Gegenentwurf zu "Monopoly"

Der Protest gegen Stuttgart 21 ist ungebrochen. die Kreativität der Bewegung scheint unerschöpflich: Lieder sind entstanden, Videos, Bücher, Kalender - und ein Brettspiel namens "Millionenspiel". Sieger ist nicht, wer die meisten Straßen besitzt, sondern wer am erfolgreichsten Bürgerprojekte verwirklicht.

Von Thomas Moser | 17.12.2012
    "Oben bleiben – oben bleiben!"

    Stuttgart - vor dem Hauptbahnhof – Montagabend – wöchentliche Kundgebung gegen das Projekt Stuttgart 21. Zwei- bis dreitausend Leute sind versammelt. Der Protest gegen den Milliarden-Bau ist ungebrochen. An den Infoständen am Rande Protestdevotionalien: Aufkleber, Anstecker, Pfeifen, Taschen, Schals – und etwas ganz Neues: ein Spiel, das "Millionenspiel".

    "Ist das das Spiel?
    Das ist das Millionenspiel, jawoll. Das kriegen Sie komplett mit. Hier drin da ist der Spielplan, Geld, Würfel, Figur.
    Super!"
    "Ist das so was wie Monopoly? Man muss gewinnen und viel Geld machen?
    Nein, das ist gerade der Gegenentwurf!
    Man muss das Geld möglichst sinnvoll ausgeben.
    Für kommunale und soziale Zwecke."

    Ein Spiel über Deutschlands meistdebattierten Bahnhof – die schwäbische Bürgerbewegung bleibt kreativ. Die Spielidee: was könnte man mit dem Geld anstelle des Bauprojektes alternativ machen, und wie könnte man es durchsetzen. Bei Monopoly wird der Reichtum privatisiert, monopolisiert, hier beim stuttgarter Millionenspiel soll er verteilt werden, sozialisiert. – Erfinder ist Jürgen Franke, von Beruf Chemiker, in der Freizeit S21-Gegner der ersten Stunde:

    "Es ist Monopoly insofern, dass es um viel Geld geht. Aber es stellt letztlich die Konkurrenz dar, diese vielen kleinen Projekte zu dem großen Geldstaubsauger hier am Hauptbahnhof. Es geht halt ums Gemeinwohl, und Monopoly, da geht's ja mehr so um den Eigennutz."

    Soziale, kulturelle, ökologische Projekte: Für die Stadtbibliothek, die Renovierung von Bädern und Schulen, für Schulküchen, häusliche Pflege, Lärmschutz und, und, und.

    Es wird gewürfelt und eine gemeinsame Spielfigur wandert, wie bei Monopoly, am Rand entlang über die Felder. Bleibt sie auf einem Projekt stehen, kann der Spieler dafür sein Geld ausgeben. Das Projekt wird verwirklicht, sobald die Spielfigur auf dem Feld "Rathaus" landet. Die Spieler bekommen Punkte gutgeschrieben, die mehr oder weniger werden, je nachdem, wie die öffentliche Stimmung für oder gegen Stuttgart 21 sich verändert. – Nicht ganz unkompliziert das Ganze, aber die Testläufe zeigten, dass es funktioniert.

    "Hast du das schon gespielt?
    Ja.
    Taugt das was?
    Ja.
    Gib halt eines her!"

    "Es funktioniert auf jeden Fall. Das Spiel ist ja auch von uns und vom Erfinder seiner Familie durchgetestet worden."

    Sieger ist nicht, wer die meisten Straßen besitzt und das meiste Geld scheffelt, wie bei Monopoly, sondern, wer am erfolgreichsten Bürgerprojekte verwirklicht. Also: nicht der reichste Mensch der Stadt, sondern der sozialste. Gewinner ist damit die ganze Stadt. – Millionenspiel-Erfinder Jürgen Franke:

    "Es ist Spielgeld, aber wenn wir Stuttgart 21 endlich vom Tisch kriegen, dann ist das ja reales Geld. Und dann kämen diese Projekte durchaus zum Zug."

    Infos zum Spiel
    Das "Millionenspiel" ist nicht im Handel erhältlich, sondern nur an den Infoständen der Stuttgart 21-Gegner und wird gegen eine Spende ab 5 Euro abgegeben.