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Gegenwind auf der Seidenstraße
Widerstand gegen 一带一路

Kritik am Projekt "Neue Seidenstraße" - auf Chinesisch "Yi Dai, Yi Lu" (一带一路), ist in China unerwünscht. Nichtsdestotrotz regt sich Widerstand gegen das Lieblingsvorhaben der chinesischen Staats- und Parteiführung - nicht nur im Westen. Auch die Schwellenländer sind zunehmend skeptisch.

Von Steffen Wurzel | 10.11.2018
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    Die "Neue Seidenstraße" - die belt and road Initiative - ist ein Millarden-Projekt, in dem Transportwege vor allem im Ausland erschlossen werden (Picture Alliance (Xinhua/Ahmad Kamal) )
    Chinas so genannte "Neue Seidenstraße": In jeder Sonntagsrede kommt sie vor, landesweit wird sie mit Medienkampagnen, Postern und Imagefilmen massiv beworben und die staatliche Propaganda hat sogar ein gutgelauntes Kinderlied produzieren lassen.
    Staats- und Parteichef Xi Jinping:
    "Die Seidenstraße soll eine Straße des Wohlstands werden. Wirtschaftliche Entwicklung ist der Schlüssel zur Lösung aller Probleme.
    Das Seidenstraßen-Projekt heißt auf Chinesisch "Yi Dai, Yi Lu" (一带一路), auf Englisch "Belt and Road Initiative". Es ist das wichtigste wirtschaftspolitische Projekt der chinesischen Staats- und Parteiführung. Es handelt sich um ein hunderte Milliarden Euro schweres Investmentprogramm, in dessen Rahmen China Autobahnen, Hafenanlagen, Flughäfen, Eisenbahnstrecken, Brücken und so weiter baut, und zwar vor allem im Ausland. Zhu Ning, Finanzwissenschaftler an der Tsinghua-Universität in Peking:
    "Zum einen geht es um Wirtschaft und Handel, also um mehr Investitionen und um wirtschaftlichen Austausch. Zweitens geht es um Infrastruktur. Es gibt viele Länder, die diese dringend benötigen, aber kein Geld und kein Fachwissen dafür haben. China wiederum hat beides."
    Seidenstraßenprojekte in 60 Staaten
    Chinesische Architekten, Ingenieure und Arbeiter haben in den vergangenen Jahren Bauprojekte in rund 60 Staaten geplant und teils schon verwirklicht: von Sri Lanka über Malaysia bis nach Äthiopien und Sambia. Doch Chinas Staats- und Parteiführung geht es nach Auffassung der meisten Experten nicht nur um Wirtschaftsförderung und internationalen Austausch.
    "Chinas Führung versucht mit der 'Neuen Seidenstraße' auch ihr Regierungsmodell weltweit zu exportieren," erklärt der kritische Historiker und politische Kommentator aus Peking, Zhang Lifan. "Die Pekinger Führung gibt vor, dass es ihr darum gehe, die Globalisierung zu fördern und die Welt mit chinesischen Weisheiten zu beglücken. Chinas Führung redet dabei auch von einer ‚Schicksalsgemeinschaft der Menschheit‘. Chinas Absichten sind sehr deutlich."
    China hat nichts zu verschenken
    "Es ist etwas, wo die Chinesen ein ganz klares strategisches Ziel haben."
    Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. "Hier versucht man, mit einer schönen Geschichte – neue Seidenstraße klingt einfach nett – Dinge zum eigenen Vorteil zu machen. China wird hier nichts verschenken."
    Die Projektstaaten müssen für die Mega-Bauten häufig Milliarden-Kredite bei staatlichen chinesischen Banken aufnehmen. Deswegen steigt die Schuldenlast in den betroffenen Schwellen- und Entwicklungsländern. Gleichzeitig wächst der politische Einfluss der Pekinger Führung auf diese Staaten.
    Pekings Einfluss und die Schulden der anderen
    Auch, wenn die chinesische Propaganda unablässig so tut, als sei das Seidenstraßenprojekt völlig unumstritten: Das Gegenteil ist der Fall. In vielen Seidenstraßen-Ländern passiert ironischerweise inzwischen genau das Gegenteil von dem, was die Staats- und Parteiführung in Peking eigentlich vorhatte: Das Ansehen Chinas in den Projektländern nimmt häufig ab, statt zu wachsen.
    Ein Beispiel sind die Malediven. Dort hatte der pro-chinesische Machthaber Abdulla Yameen seinem 400.000-Einwohnerland ein chinesisches Flughafen- und Brückenprojekt verordnet. Doch der Bevölkerung waren die nötigen Milliardenschulden zu viel, sie wählten Abdulla Yameen Ende September überraschend ab. In Malaysia gab es im Mai einen Regierungswechsel, auch dort wächst seitdem der Widerstand gegen chinesische Seidenstraße-Bauprojekte. Die neue Regierung in Kuala Lumpur hat eine geplante Gaspipeline und eine Schnellzugverbindung kurzerhand gestrichen. Sie hätten Malaysias Steuerzahler zusammen rund 20 Milliarden Euro kosten sollen.
    Zweifel in Schwellen- und Entwicklungsländern
    Lebhafte Diskussionen über das Kosten-Nutzen-Verhältnis chinesischer Kredite und Investments gibt es inzwischen auch in Sambia, Uganda und vielen weiteren Schwellen- und Entwicklungsländern. Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft:
    "Länder, die in diesem Projekt schon länger mitmachen, werden inzwischen auch zögerlicher. Diese Staaten erleben nun, dass sie sich selbst auch mit großen Eigenmitteln beteiligen müssen und sie am Ende einer Standardisierung und einer Struktur unterworfen sind, die sie selbst gar nicht mehr im Griff haben."
    Auch wenn in China echte Kritik am Seidenstraßenprojekt von der Zensur verhindert wird: In Online-Foren taucht immer häufiger die Frage auf, weswegen die Staatsführung die vielen Milliarden im Ausland investiert, statt sie in Chinas marodes Gesundheits- und Sozialsystem zu stecken.