Freitag, 19. April 2024

Archiv


Gegner aller Konventionen

Der Lyriker Friedrich Hebbel wurde am 18. März 1813 in ärmsten Verhältnissen geboren. Umstritten war der Autodidakt sein Leben lang, bekannt vor allem durch seine leidenschaftlichen Tragödien, von denen einige - wie "Maria Magdalena" - auch heute noch gerne gespielt werden.

Von Eva Pfister | 18.03.2013
    "Ich fange dieses Heft nicht allein meinem künftigen Biographen zu Gefallen an, obwohl ich bei meinen Aussichten auf die Unsterblichkeit gewiss sein kann, dass ich einen erhalten werde."

    Als Friedrich Hebbel im Alter von 22 Jahren mit diesem Satz sein Tagebuch begann, war das blanker Sarkasmus. Bis dahin hatte er nur einige Gedichte in Lokalzeitungen veröffentlicht; nun lebte er vom Gnadenbrot einer Gönnerin in Hamburg, um sein Abitur nachzuholen. Den Plan ließ er bald fallen, er blieb ein eigensinniger Autodidakt.

    Geboren wurde Christian Friedrich Hebbel am 18. März 1813 als Sohn eines verarmten Maurers in Wesselburen im nördlichen Dithmarschen, das damals zu Dänemark gehörte. Dass er seine Jugend als eine Hölle in Erinnerung behielt, lag vor allem am Charakter seines Vaters.

    "Mein Vater hasste mich eigentlich, auch ich konnte ihn nicht lieben. Er … hasste aber auch die Freude; zu seinem Herzen war ihr durch Disteln und Dornen der Zugang versperrt, nun konnte er sie auch auf den Gesichtern seiner Kinder nicht ausstehen …"

    Mit 15 Jahren kam Friedrich Hebbel als Botenjunge und Schreiber zum örtlichen Kirchspielvogt. In dessen Bibliothek fand er Zugang nicht nur zu Bibel und Brockhaus, sondern auch zur deutschen Literatur und er begann selbst zu schreiben. 1829 erschien im Dithmarscher Boten anonym seine Erzählung "Der Traum", die wie manche der frühen Gedichte eine extreme existenzielle Verlorenheit vermittelt:

    "Grässliches, entsetzliches Weiß allenthalben rings um mich, und in mir alles so öde, so leer, die Glieder so kalt, das Herz erfroren, das Gehirn Eis; ich meine, ich bin nicht Ich, bin kein Mensch mehr, ich bin ein wandelnder Schneemann, den die spielenden Knaben aufstellten, und der nun scheu und zitternd durch die einsame Nacht davonschreitet."

    Mit seinem Frühwerk steht Hebbel zwischen der schwarzen Romantik und dem Realismus. Seine Erzählungen, die man gerade neu zu entdecken beginnt, sind sozialkritisch unterfütterte Horrormärchen: Da gehen Häuser oder ganze Dörfer in Flammen auf, Teufelsgestalten geistern herum und bedrohen ewig hungernde Kinder.

    Friedrich Hebbels Hunger- und Wanderjahre, die ihn nach Heidelberg, München, Frankreich und Italien führten, endeten in Wien, wo er die vermögende Hofburgschauspielerin Christine Enghaus heiratete. Nach seinem Tod am 13. Dezember 1863 hinterließ er ein umfangreiches lyrisches Werk und ein Dutzend Dramen; auf ihnen beruht sein Nachruhm, vor allem auf "Maria Magdalena", der ersten deutschen Tragödie, die im Kleinbürgertum spielt.

    "Mein Vater schneidet sich die Kehle ab, wenn ich … heirate mich! – Dein Vater… – Er hat‘s geschworen! Heirate mich, nachher bring mich um! – Liebst du mich? Kommst Du, weil dich dein Herz treibt? Bin ich der Mensch, ohne den du nicht leben und sterben kannst?"

    Das realistische Trauerspiel wurde mit der 1848er Revolution zum Stück der Stunde. Friedrich Hebbel begrüßte zunächst den Aufbruch, wandte sich aber bald wieder vom liberalen Zeitgeist ab. Drei Jahre später schilderte er in seinem Drama "Agnes Bernauer", wie eine Frau für die Staatsraison geopfert wird. Er wollte damit zeigen,

    "dass das Individuum, wie herrlich und groß, wie edel und schön es immer sei, sich der Gesellschaft unter allen Umständen beugen muss … Das ist eine ernste, bittere Lehre, für die ich von dem hohlen Demokratismus unserer Zeit keinen Dank erwarte …"

    Es ist diese Haltung, die Hebbel später für die Nationalsozialisten so anziehend machte. Allerdings konnten sie den widersprüchlichen Dichter nicht ganz vereinnahmen. So stießen sie sich am christlichen Schlusswort der Trilogie "Die Nibelungen", und verboten die beiden Dramen "Judith" und "Herodes und Mariamne" wegen ihres jüdischen Stoffes. "Judith" wird heute noch gerne gespielt, weil Hebbel die Protagonistin mit einem besonders interessanten, ambivalenten Charakter ausstattete. Um ihr Volk zu retten, will die selbstbewusste Jüdin sich dem Feldherrn Holofernes als Frau anbieten und ihn dann ermorden. Aber sie weiß auch um die Gefahr, dass sie sich in diesen starken Mann verlieben könnte.

    "Holofernes, dieses alles ist dein; ich habe keinen Teil mehr daran … – Gott, lass ihn Gräuel begehen unter meinen Augen, blutige Gräuel, aber schütze mich, dass ich nichts Gutes von ihm sehe!"