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Geheimdienst-Affäre
"Das Parlament schadet sich selbst"

CDU-Fraktionsvize Franz-Josef Jung fordert für die Aufklärung der BND-Affäre die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten. Es brauche eine Vertrauensperson, die gewährleiste, dass geheime Informationen während der Ermittlungen nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Das Parlament habe diesbezüglich sein Vertrauen verspielt, sagte er im DLF.

Franz-Josef Jung im Gespräch mit Dirk Müller | 20.05.2015
    Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU).
    Der frühere Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). (Imago / Eibner)
    Jung kritisierte die Debatte über die Zusammenarbeit zwischen BND und NSA. Er betonte, wie sehr die deutschen Dienste auf die amerikanischen angewiesen seien. Ohne sie hätte in der Vergangenheit beispielsweise der geplante Anschlag der Sauerland-Attentäter nicht verhindert werden können.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Ob das in den Vereinigten Staaten noch jemanden interessiert, das Gerangel hierzulande um ein paar Tausend Datensätze, die angeblich von deutscher Seite an den amerikanischen Geheimdienst weitergegeben worden sind, die zur Verfügung gestellt worden sind oder umgekehrt. Datenselektoren, Suchbegriffe, um europäische Firmen, Sicherheitsbehörden, vermeintlich auch Politiker auszuspionieren. Genau dafür sind sie ja da, die Geheimdienste, ist von vielen Seiten in den USA zu hören. Aber eben nicht bei uns: Ein Riesentheater in der Großen Koalition um eine Kanzlerin, die laut Sigmar Gabriel endlich mehr Rückgrat gegenüber Washington zeigen soll, Theater um einen SPD-Chef wiederum, der sich laut Horst Seehofer völlig inakzeptabel verhält. Misstrauen ist gesät, der Nimbus der unfehlbaren Kanzlerin ein wenig angeknackst, Vertrauensverlust für alle Beteiligten. Gestern waren sogar Stimmen in der CDU zu hören, die mit Neuwahlen gedroht haben.
    Einer, der beide Seiten gut kennt, nämlich die amerikanische wie auch die koalitionsinterne, ist Franz-Josef Jung, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, dort auch zuständig für Außenpolitik. Guten Morgen!
    Franz-Josef Jung: Guten Morgen!
    Müller: Herr Jung, wie ernst ist die Sache noch?
    Jung: Ich denke, es beruhigt sich langsam wieder die Situation innerhalb der Koalition. Alles was dort passiert ist, war natürlich wenig koalitionsfreundlich. Und man muss Herrn Gabriel auch daran erinnern, dass die Vereinbarung der Zusammenarbeit, die Intensivierung der Zusammenarbeit der deutschen Nachrichtendienste mit den amerikanischen insbesondere nach dem Anschlag im Jahre 2001 noch von der Regierung Schröder/Fischer erfolgt ist, und von daher, denke ich, war das völlig überzogen, was dort an Kritik geäußert wurde.
    Müller: Sie haben sich auch über Sigmar Gabriel geärgert?
    Wir sind auf die amerikanischen Dienste angewiesen
    Jung: Ja! Es war einfach unangemessen. Und ich will Ihnen eines sagen: Wissen Sie, wir sind dringend auf die amerikanischen Dienste angewiesen im Hinblick auf Informationen für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Es ist die vornehmste Aufgabe des Staates, seine Bürger zu schützen. Und wissen Sie, ich habe noch gut in Erinnerung: Die Sauerland-Attentäter hatten 500 Kilogramm Sprengstoff hier. Dort war geplant, im Kaufhaus eine kleine Bombe zünden zu lassen, um dann alle Menschen, die rausströmen, mit einer Bombe, die im Lastwagen deponiert war, hier entsprechend zu töten. Das wurde nur verhindert dadurch, dass wir die Informationen des amerikanischen Dienstes hatten.
    Oder ich habe in meiner Verteidigungsministerzeit erlebt, dass wir 19 Anschläge auf Soldaten verhindern konnten, bis einen geplanten Anschlag auf mich persönlich, nur durch die Informationen der NSA. Oder jetzt nehmen Sie die Situation mit dem Radrennen in Frankfurt, wo wir natürlich durch Nachrichtendienste hier diesen Anschlag verhindert haben. Das sind alles Dinge, die man hier sehen muss. Deshalb ist es notwendig, dass hier immer korrekt vorgegangen wird. Das wird auch jetzt entsprechend geprüft und auch aufgeklärt. Aber meine große Sorge ist, dass wir die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger nicht aufs Spiel setzen dürfen durch eine Diskussion, die völlig unangemessen hier zurzeit geführt wird.
    Müller: Jetzt muss ich Sie fragen, Herr Jung. Was hat das alles, was Sie jetzt sagen, Anti-Terror-Kampf und Anti-Terror-Aufklärung zur Verhinderung von Anschlägen, beispielsweise mit dem Ausspionieren von europäischen Firmen zu tun?
    Eine Vertrauensperson soll das gegebenenfalls überprüfen
    Jung: Leider Gottes ist es immer wieder ein Punkt, dass man mit denjenigen, die die geheimen Informationen bekommen, darüber nicht offen sprechen darf, denn Geheimdienste heißen deshalb so, weil es geheim bleiben muss. Und ich sage noch einmal: Die Dinge werden aufgeklärt. Es ist ja auch zurzeit eine Abstimmung mit den Amerikanern, was gegebenenfalls hier auch an Informationen gegeben werden kann. Im Übrigen ist das ein Vertrag, der geschlossen wurde zwischen Deutschland und der amerikanischen Regierung, dass nur Informationen weitergegeben werden dürfen mit Zustimmung der Amerikaner. Auch das wurde vereinbart. Damals war übrigens unser Außenminister Chef des Kanzleramtes. Von daher muss ich sagen, da gibt es klare vertragliche Regelungen.
    Müller: Gegen die könnte aber jetzt verstoßen worden sein. Das räumen Sie schon ein?
    Jung: Ja, das ist genau der Punkt. Das ist genau der Punkt und das muss auch jetzt aufgeklärt werden. Dafür haben wir auch entsprechende Institutionen, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Wir haben die Parlamentarische Kontrollkommission. Es gibt jetzt die Diskussion, weil ja leider Gottes Informationen, die geheim sind, auch in die Öffentlichkeit gelangt sind, was einen deutlichen Verstoß auch gegen die Rechtsvorschriften beinhaltet, dass hier eine Vertrauensperson gegebenenfalls das überprüfen soll. Das muss aufgeklärt werden, da gibt es überhaupt keinen Zweifel, aber in Übereinstimmung mit der amerikanischen Regierung.
    Müller: Herr Jung, wir hören vielleicht mal zu diesem Ermittler, Sonderermittler, wie immer er auch genannt werden mag, die Stimme der Opposition oder eine Stimme aus der Opposition, der Grüne Hans-Christian Ströbele.
    Den Aufklärungsauftrag im Grunde genommen abgegeben
    O-Ton Hans-Christian Ströbele: "Ermittlungsbeauftragter geht gar nicht. Damit würden die Rechte des Parlaments und der Abgeordneten im Untersuchungsausschuss und auch im Parlamentarischen Kontrollgremium ausgehebelt."
    Müller: Jetzt fühlt Hans-Christian Ströbele sich tatsächlich außen vor, obwohl er Mitglied in diesem Parlamentarischen Kontrollgremium ist. Können Sie das nachvollziehen?
    Jung: Ich kann es deshalb nicht nachvollziehen, weil leider Gottes geheime Informationen sowohl aus der Parlamentarischen Kontrollkommission als auch aus dem Untersuchungsausschuss in die Öffentlichkeit gelangt sind. Sie wissen, was in der "Süddeutschen Zeitung" stand, Sie wissen, was in anderen Medien stand, und wenn nicht mehr geheime Informationen dann auch geheim bleiben, dann muss man leider Gottes sagen, dann muss man sich nicht wundern, wenn es dann eine Diskussion gibt, dass es eine Vertrauensperson sein muss, die gegebenenfalls hier diese Informationen bekommt und das fürs Parlament überprüft.
    Müller: Sie meinen, das Parlament schadet da ein bisschen dem Aufklärungsprozess, weil es zu stark kontrolliert?
    Jung: Das Parlament schadet sich selbst, indem es geheime Informationen in die Öffentlichkeit gibt. Das ist das Problem, über das wir zurzeit diskutieren.
    Müller: Deswegen soll es jetzt außen vor bleiben?
    Jung: Deshalb soll es nicht außen vor bleiben, sondern deshalb soll eine Vertrauensperson gegebenenfalls hier die Aufklärung betreiben. Denn es kann nicht sein, dass geheime Informationen - und das steht auch unter strafrechtlichen Vorschriften - immer wieder über diese Gremien in die Öffentlichkeit gelangen. Damit schadet sich das Parlament selbst und hat auch seinen Aufklärungsauftrag damit im Grunde genommen selbst abgegeben .
    Müller: Herr Jung, Sie haben aber auch immer wieder gesagt, auch in Ihrer Zeit als Verteidigungsminister, in bestimmten politischen Konstellationen: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Die wäre ja dann weg, die Kontrolle.
    Geheime Informationen müssen auch geheim bleiben
    Jung: Nein, das denke ich nicht, denn das soll in Übereinstimmung mit den vertraglichen Regelungen, sprich Nachrichtendienste, eine Vertrauensperson sein. Das könnte gegebenenfalls ein Verfassungsrichter sein, oder auch eine andere Person, die im Grunde genommen hier zur Aufklärung beiträgt und die gewährleistet, dass es dann auch geheim bleibt, denn das ist der entscheidende Punkt. Ich sage noch einmal: Wenn alles in die Öffentlichkeit gelangt über die Kontrollgremien des Parlaments, dann ist eine entsprechende Aufklärung im Hinblick auf Nachrichtendienste nicht mehr möglich.
    Müller: Das bedeutet dann auch in der Konsequenz, dass die Untersuchungsausschüsse in erster Linie, die sich damit befassen, NSA-Untersuchungsausschuss beispielsweise, kosmetische Funktion haben.
    Jung: Nein, das sehe ich nicht so, denn auch der NSA-Untersuchungsausschuss hat ja einige Dinge bereits aufgeklärt und die Arbeit geht auch voran. Man könnte sich gegebenenfalls auch verständigen, dass der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses gegebenenfalls hier als Vertrauensperson in Betracht kommt. Mir und uns geht es darum, dass dann auch gewährleistet wird, was die Aufgabe von Nachrichtendiensten ist, dass geheime Informationen auch geheim bleiben, und das ist leider Gottes durch die Informationen in die Öffentlichkeit aus den Ausschüssen nicht mehr gewährleistet.
    Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Franz-Josef Jung, stellvertretender Vorsitzender der Unions-Fraktion im Bundestag. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.