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CSU
An Seehofers Erfolg will jeder teilhaben

CSU-Chef Horst Seehofer sieht sich derzeit auf Erfolgskurs. Seine Umfragewerte steigen, die der Kanzlerin sinken. Kommende Woche gibt es wieder eine Gelegenheit, Angela Merkel klar zu machen, wo die CSU steht: Der politische Aschermittwoch. Dort präsentiert sich die CSU traditionell in trauter Einigkeit. Aber wie einig ist die Partei wirklich?

Von Katharina Hamberger | 04.02.2016
    CSU-Parteivorsitzender Horst Seehofer vor Beginn des Parteitags in München.
    Weiß die Partei zur Zeit hinter sich: Horst Seehofer. (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    Der größte Stammtisch der Welt. So bezeichnet die CSU gerne ihren politischen Aschermittwoch in Passau. Am kommenden Mittwoch ist wieder Zeit, sich selbst zu feiern.
    "Diese CSU ist großartig, ist einzigartig, ist löwenstark."
    "Wo wir sind, liebe Freund, ist oben, ganz oben."
    Im Moment scheint die CSU sich sogar soweit oben zu wähnen, dass man sich zutraut als Regionalpartei auf der Bühne der großen Weltpolitik mitzuspielen. Warum also nicht mal nach Russland fliegen und mit Putin reden, wie Horst Seehofer es diese Woche getan hat? So umstritten diese Aktion auch ist, die Partei steht hinter ihrem Vorsitzenden. Auch in Passau wird sich das wieder zeigen. Während andere Parteien sich über die Flüchtlingspolitik zerstreiten, zeigt die CSU sich geschlossen wie selten:
    "Also, wenn ich jetzt mal mich persönlich nehme, ich sag das ganz offen, da muss ich wirklich sagen, wir sind da näher zusammen gerückt." Barbara Stamm ist Präsidentin des bayerischen Landtags. Seit 40 Jahren ist die 71jährige schon im Parlament. Auch sie steht ohne Wenn und Aber hinter der Flüchtlingspolitik ihrer Partei, also unter anderem der Forderung nach schärferen Grenzkontrollen und einer nationalen Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr. Selbst, wenn Stamm, die sich selbst als "links der Mitte" bezeichnet, vielleicht manchmal einen anderen Ton gewählt hätte, als Parteichef Seehofer: "Ja gut, da kann man sich natürlich überlegen, ob das eine oder andere in der Wortwahl zum jeweiligen Zeitpunkt auch angemessen gewesen ist."
    Die CSU hat sich in den vergangenen Monaten in Berlin wie eine innerkoalitionäre Opposition benommen. Seehofers Androhung, seine Verfassungsklage gegen die Bundesregierung, der seine Partei angehört, womöglich bis Ende Februar einzureichen, ist die höchste Eskalationsstufe. Hinzu kommen die vielen Drohungen in Richtung Kanzlerin, die vom CSU-Chef über Bande gespielt werden. Seehofer zeigt zum Beispiel Verständnis für Rücktrittsforderungen gen Angela Merkel, die Spekulation seine Bundesminister im äußersten Fall aus Merkels Kabinetts zurückzuziehen, hat er nie dementiert lassen. Und die Partei? Steht hinter ihrem polternden Vorsitzenden – noch. Barbara Stamms Anmerkungen zum Ton in der Debatte kann man schon fast als "weit aus dem Fenster lehnen" werten. Michael Weigl, Politikwissenschaftler an der Uni Passau: "Natürlich gibt es auch innerhalb der CSU sehr unterschiedliche Interessen, das ist ganz klar, aber sie sind eben nicht so fest organisiert. Und was noch mehr zählt, ist sozusagen das Gesamtinteresse der Partei, hinter dem man sich, wenn es denn sein muss, auch schart und wieder versammelt."
    Geschlossenheit habe die CSU 2008 gelernt, als sie ihre absolute Mehrheit in Bayern für fünf Jahre eingebüßt hat, erklärt Weigl. Das will kein Christsozialer wiederholen: "Es darf kein links gegen rechts, oben gegen unten, sozial gegen was auch immer geben."
    Tobias Zech, 34 Jahre alt, ist der Vorsitzende der JU Oberbayern. Mehrfach war er schon in Flüchtlingscamps im Libanon. Und weiß wie es den Menschen dort geht. Zech ist keiner, der nur in nationalen Grenzen denkt. Aber im Sinne des Parteiinteresses. Dazu gehört der Machterhalt, was bei der CSU absolute Mehrheit in Bayern sowie Einfluss in Berlin heißt. Getragen von der Stimmung in der Bevölkerung ist die CSU - und ihr Parteichef im Moment mit ihrer Flüchtlingspolitik auf einem Erfolgskurs. Im aktuellen Deutschlandtrend der ARD sagen 45 Prozent der Deutschen, sie seien mit Seehofer zufrieden. Im September waren es noch 28 Prozent. Er gewinnt, während die Kanzlerin verliert. In Berlin ist die CSU so stark, wie selten zuvor in dieser Legislaturperiode. Vor wenigen Monaten sah das noch ganz anders aus - nachdem die PKW-Maut auf Eis gelegt werden musste und das Betreuungsgeld vom Verfassungsgericht gekippt worden war, galt die CSU als geschwächt, Seehofer als Wackelnder und Dobrindt als gescheiterter Verkehrsminister. Mittlerweile strapaziert Letzterer bewusst die Grenzen seines Amtes, er poltert im Münchner Merkur gegen die Politik der Kanzlerin, deren Richtlinienkompetenz er als Mitglied ihres Kabinetts eigentlich unterliegt. "Da verstehen sich doch alle der Gesamtheit unserer Politik verbunden."
    Doch Merkel schluckt Dobrints Polterei. In anderen Zeiten hätte die Kanzlerin ihrem Minister vielleicht mitgeteilt, dass er auch um seine Entlassung bitten könne, wenn er ihre Politik nicht mehr mittragen würde. Derzeit aber würde ihr offene Kritik an der CSU mehr schaden als nützen. Das gilt auch für diejenigen, die innerhalb der Partei ihre Zweifel haben. Hört man in die CSU hinein, gibt es durchaus welche, die über Seehofers Vorgehen schimpfen und sich beim Wort Klage an den Kopf fassen. Und trotzdem: Keiner schert aus, keiner übt öffentlich Kritik. Denn Seehofer ist erfolgreich. Daran will jeder teilhaben. Noch. Es kann sich, glaubt der Politikwissenschaftler Weigl, aber auch eine für Seehofer gefährlich Eigendynamik entwickeln: "Man hat natürlich gedacht, dass Merkel beziehungsweise die Bundesregierung sozusagen schneller auf Kurs gehen wird. Das ist nicht passiert. Und dann muss man sozusagen immer mehr zünden, damit auch weiterhin noch glaubhaft bleibt. Das ist schon sehr schwierig."
    Eine Eskalationsspirale, die in sich zusammenfallen kann, spätestens, wenn die Klage des Freistaates in Karlsruhe scheitern sollte. Auch ein Bruch mit der CDU oder die CSU-Minister anweisen, selbst um ihre Entlassung zu bitten, um Merkel in die Vertrauensfrage zu treiben und Neuwahlen riskieren ist bei genauerer Betrachtung keine wirkliche Optionen. Denn zum Beispiel bei Neuwahlen ist im Moment die Gefahr einer starken AfD und einer geschwächten Union zu groß. Tatsächliche Druckmittel bleiben Seehofer - wenn man vom Ende her denkt - nur wenige. Von Merkel weiß man, sie denkt vom Ende her. Auch sie wird wissen, dass Seehofer den Rückhalt in den eigenen Reihen spätestens dann verlieren wird, wenn er sich nicht in allen Punkten gegen sie durchsetzen kann.