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Geheimdienst-Reform
Bundestag beschließt umstrittenes BND-Gesetz

Der Bundestag hat neue Regeln für den Bundesnachrichtendienst beschlossen: Weniger Spionage gegen europäische Ziele, aber Zugriff auf mehr Daten. Die Opposition stimmte geschlossen dagegen. Sie fürchtet einen Verfassungsbruch.

Von Gudula Geuther | 21.10.2016
    "Bundesnachrichtendienst" steht an einem Gebäude des BND in Berlin im Bezirk Steglitz/Zehlendorf unter einer Überwachungskamera und neben dem Bundesadler, aufgenonmmen am 20.12.2015.
    Der Bundesnachrichtendienst in Berlin (picture alliance / Wolfram Steinberg)
    Die Mehrheit für die Änderung des BND-Gesetzes im Bundestag war erwartungsgemäß groß. Was sie regelt, sehen allerdings die Abgeordneten von Opposition und großer Koalition ganz unterschiedlich. Für Martina Renner, Obfrau der Linkspartei im NSA-Untersuchungsausschuss, bekommt der Bundesnachrichtendienst neue Befugnisse - quasi als Belohnung für frühere Grenzüberschreitungen: "Dieses Gesetz ist ein Geschenk für den BND, weil er jetzt auch in Deutschland legal ans Kabel darf - und zwar auch dann, wenn es keinen konkreten Verdacht gibt. Nun braucht der BND nicht mehr Satellitendaten für außerirdisch zu erklären, um sie abzufangen. Er darf es jetzt einfach - ganz legal."
    Die Koalition dagegen sieht in den Gesetzesänderungen vor allem neue Schranken für die Arbeit des BND. Der Obmann der SPD im Ausschuss, Christian Flisek, zählt auf: "Jede Datenerfassung muss in Zukunft dem Auftragsprofil der Bundesregierung für den BND entsprechen. Wir legen heute Standards fest für den Schutz von EU-Bürgern und EU-Institutionen und stellen sie soweit Deutschen gleich. Wir verbieten ausdrücklich Wirtschaftsspionage, meine Damen und Herren."
    Verschiedene rechtlliche Bewertungen
    Der Grund für die unterschiedliche Sichtweise sind verschiedene rechtliche Bewertungen. Es geht um die Frage: Ist der BND an Artikel 10 des Grundgesetzes, der das Fernmeldegeheimnis schützt, auch gebunden, wenn er Ausländer im Ausland abhört? Grüne, Linke und viele Rechtsexperten glauben: Ja. Dann wären weite Teile der bisherigen Praxis des BND illegal gewesen. Und dann bliebe dieser Teil der Auslandsaufklärung möglicherweise auch weiterhin verfassungswidrig. Denn das neue Gesetz regelt nun zwar diese Befugnis. Nennt aber den Grundgesetzartikel 10 nach wie vor nicht.
    Die frühere Bundesjustizministerin, die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat unter anderem deshalb angekündigt, vors Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Die Koalition sieht dem gelassen entgegen - und verteidigt die Regelung. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums Clemens Binninger betont, "dass der BND - eine andere Chance hat er nämlich nicht - Datenströme im Ausland in einer Krisenregion zwischen zwei ausländischen Gesprächspartnern analysieren können muss. Wie wollen wir denn auf Terrorverdächtige kommen? Wie wollen wir sei denn entdecken, wenn nicht so?"
    Keine Immunitätsgarantie
    Und der CDU-Politiker verteidigt, dass unter bestimmten Umständen auch Europäer abgehört werden können: "Wir garantieren doch keine Immunität. Viele der Terrorverdächtigen kommen doch auch aus Europa." Binningers Stellvertreter im Kontrollgremium ist der Abgeordnete der Linkspartei André Hahn. Er kritisiert: "Wer der Massenüberwachung durch den BND Tür und Tor öffnen will, müsste wenigstens die parlamentarische Kontrolle stärken. Doch genau das passiert nicht."
    Denn gleichzeitig mit dem BND-Gesetz reformierte der Bundestag auch die parlamentarische Kontrolle. Es gehe darum, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, betont SPD-Fraktionsvize Eva Högl. Und auch sie gesteht zu: "Wir mussten feststellen, dass die Kontrolle nicht funktioniert hat bisher."
    Unabhängiges Kontrollgremium
    In Zukunft soll ein neues, unabhängiges Gremium mit Sitz in Karlsruhe die Auslandsüberwachung kontrollieren. Das Parlamentarische Kontrollgremium soll außerdem einen Bevollmächtigten samt einem Stab von 20 Mitarbeitern bekommen. Auch das kritisiert die Opposition. Der Grüne Christian Ströbele: "Statt das Parlamentarische Kontrollgremium und seine Arbeit wirkungsvoller zu gestalten, schaffen sie jetzt zwei zusätzliche Institutionen der Kontrolle zu den vieren, die wir bereits haben. Dadurch wird die Kontrolle nicht besser, sondern sie wird noch mehr zersplittert sein."
    Die Besetzung des neuen Postens lässt die Linkspartei zweifeln. Die Union, die das Vorschlagsrecht hat, will den CDU-Politiker Arne Schlatmann auf dem Posten sehen, bisher im Bundesinnenministerium zuständig unter anderem für die Terrorismusbekämpfung.