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Geheimreport

Question: Are you of Jewish Blood?

Michael Bauer | 07.04.2002
    Answer: No.

    Deutsche Exilautoren mußten sich in der Vereinigten Staaten viel gefallen lassen. Zunächst von der Einwanderungsbehörde, dann von den verschiedenen Geheimdiensten. Nein, "jüdischen Blutes" war Carl Zuckmayer nicht, ob er aber zum Zeitpunkt seiner Einreise in die USA staatenlos, Deutscher oder Österreicher war, konnte er nicht so genau beantworten. Wie deutsch waren seine Papiere? Wie deutsch sein Denken und Fühlen? Es war deutsch. Sehr deutsch sogar. Gerade das machte den gebürtigen Rheinhessen zum leidenschaftlichen Gegner der Nationalsozialisten. Nur geistig und charakterlich Minderbemittelte konnten nach seiner Überzeugung begeisterte Nazis werden. Zum Beispiel der Prophet des Irrationalismus Hermann Graf Keyserling:

    eine sonderbare Mischung aus Universalgelehrter […] und Narr, Grandseigneur und Literat, Snob und Weltmann. Er ist bei alledem kein Nazi geworden und in seiner Substanz viel zu gut um einer sein zu können.

    Niveaulosigkeit war in den Augen Zuckmayers eine Grundvoraussetzung dafür, Nationalsozialist zu sein. Sein Haß, nein, seine Verachtung galt nicht den im Deutschen Reich Gebliebenen, sondern den "Anschmeissern", die hinter Parteiabzeichen und Hakenkreuzfahnen mangelndes Talent und eine nichtige Persönlichkeit zu verbergen suchten. Für ihn gab es keine Kollektivschuld der Deutschen, wohl aber die politische Verantwortung jedes Einzelnen.

    Carl Zuckmayer hatte nach mehreren Verhören durch die Einwanderungsbehörde der USA das Glück, nur sporadisch in den Akten des FBI aufzutauchen und - anders als viele seiner Kolleginnen und Kollegen - nicht bis in die Intimsphäre hinein von der amerikanischen Bundespolizei ausgekundschaftet zu werden. Warum der Exilant vom FBI unbehelligt geblieben ist, wird nicht mehr zu klären sein…

    Weshalb Zuckmayer hingegen aus freien Stücken mit dem amerikanischen Auslandsgeheimdienst, dem "Office of Strategic Services", zusammengearbeitet hat und warum er für das OSS 150 Charakterstudien in Nazi-Deutschland gebliebener Schriftsteller, Verleger, Musiker, Regisseure, Schauspieler, Tänzerinnen und Journalisten verfaßt hat, begründete der Autor 1947 in der "Neuen Zeitung" selbst: Ihm sei es kurz vor Kriegsende darum gegangen,

    die künftige Besatzungsmacht in Form von möglichst objektiven Charakterstudien über führende Persönlichkeiten des deutschen Kulturlebens zu informieren.

    Dem Literaturwissenschaftler Gunther Nickel ist es zu verdanken, daß Carl Zuckmayers "Geheimreport" nun erstmals vollständig und ausführlich kommentiert als Buch erscheint.

    Nickels wissenschaftliche Neugier und seine ungezügelte Begeisterungsfähigkeit zusammen mit Zuckmayers Literatur gewordener Menschenkenntnis machen aus dem im Wallstein Verlag erscheinenden "Geheimreport" eine kleine literarische Sensation: Hier schreibt ein Dramatiker über reale Figuren der Zeitgeschichte.

    Das Ergebnis ist weniger ein brauner Reigen aus NS-Verbrechern und Mitläufern als vielmehr ein literarisches Plädoyer für Schriftsteller und Künstler, denen es nach Zuckmayers Ansicht gelungen zu sein schien, unterm Hakenkreuz "anständig" zu bleiben. Ein wichtiger Aspekt seiner Beurteilungen war auch, wen er für befähigt hielt, nach einem Sieg über die Nazis am Aufbau einer deutschen Republik mitzuwirken. Im übrigen ist Zuckmayers "Geheimreport" eine amüsante, recht rheinisch-katholische Mischung aus Moral, Humor und Klatsch:

    Nachtrag […]: Jannings in seinem nur anscheinend gefrässigen Geschlechtsleben ist von einer geradezu pittoresken Altmodischkeit. […] Seine Idealvorstellung, die er oft in trunkener Stunde schwärmerisch und wunschvoll ausmalt: faire l'amour im Boudoir einer Dame, die vollständig fertig zum Ausgehen angezogen ist, grosse Abendtoilette, er selbst im Frack, […] die Dame vollständig überrascht und wie vom Blitz getroffen. Dann - rasch rearrangiert - […] gemeinsamer vornehmer Eintritt in eine konventionell vornehme Gesellschaft, ›als sei nichts gewesen‹ […] - Auf die Frage, ob das nicht ein bischen hastig sei, - würde er sagen: Für das Gemütliche hat man ja den Puff. - (Arme Dame.)

    Was mögen seine prüden Auftraggeber vom OSS, dem Vorläufer der CIA, gedacht haben, als Sie in Zuckmayers Dossiers den Spitznamen von Leni Riefenstahl lasen, "Reichsgletscherspalte"? Und wie übersetzt man so was ins Amerikanische? Als Anlaß für die geheimdienstliche Tätigkeit des Autors bezeichnet Herausgeber Gunther Nickel im Vorwort seiner Edition die Gründung eines "Nationalkomitees Freies Deutschland" 1943 in Moskau.

    Im Sommer 1943 hatte die Schweizerin Emmy Rado im Auftrag des OSS damit begonnen, Informationen über namhafte Persönlichkeiten des Dritten Reiches in schwarzen, weißen und neutralen Listen abzulegen. Überschrieben als "U.S. Government / Biographical Records" entstanden allein im ersten Jahr ihrer Tätigkeit mehr als 5000 Berichte über Deutsche, Österreicher und Emigranten aus den beiden Ländern. Warum Carl Zuckmayer der leidenschaftlichen Antikommunistin Emmy Rado bei ihrer emsigen Sammeltätigkeit half, begründet Gunther Nickel mit den Aufgaben des OSS: Spionage, Unterstützung von Widerstandsgruppen, Sabotage sowie das Sammeln und Auswerten von Informationen aus Hitler-Deutschland. In seiner Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst habe Zuckmayer

    die einzigartige Möglichkeit" gesehen, "einen aktiven Beitrag zum Kampf gegen das NS-Regime in Deutschland zu leisten.

    Natürlich hielt sich der auskunftswillige Emigrant nur vage an die formalen Vorgaben des US-Geheimdienstes. Er erfand sich selbst vier Kategorien.

    1. Aktive Nazis und böswillige Mitläufer. Unter böswilligen Mitläufern würde ich solche verstehen, die gegen ihre Überzeugung und ihr besseres Wissen sich den Nazis angeschmissen und für sie gearbeitet haben, bis zur Denunziation und Gefährdung anderer. […]

    2. Gutgläubige Mitläufer, die sich dem Nazi-Zauber nicht entziehen konnten, oder Solche denen die Nazi's ihre berufliche ›Chance‹ gegeben haben, die aber trotzdem versuchten, persönlich anständig zu bleiben.

    3. Indifferente und Hilflose, die ihres Berufs und ihrer Existenz wegen dableiben und das Maul halten mussten, ohne über die äusserlichen ›Pflichten‹ hinaus mitzumachen. […]

    4. Die bewussten Träger des inneren Widerstands, - Solche, die ihre Mission darin sahen, dazubleiben und den Versuch zu machen, gewisse Werte des deutschen Kulturlebens durch die Nazizeit hindurch zu retten oder möglichst intakt zu erhalten […].

    Natürlich hielt sich Zuckmayer auch nicht allzu streng an seine eigenen Kategorien. Das Schöne an der Lektüre seines Geheimreports ist gerade die Absage an jede Schwarzweißmalerei, sein Humor, die ungekünstelte Subjektivität seiner Charakterstudien und sein unerschütterbarer Glaube an ein "anderes" Deutschland, auch unterm Hakenkreuz:

    Nach der Tragödie Furtwängler - das Satyrspiel und die Rüpelkomödie: Emil. Ich muss vorausschicken, dass ich in diesem Fall Partei bin. Ich liebe die alte Sau.

    Gemeint war Emil Jannings mit den plüschigen Männerphantasien und der Diseuse Gussy Holl, die privat das Pech hatte, ihn geheiratet zu haben.

    Aber obwohl meine persönliche Freundschaft mit ihr, die ich seit 1920 kannte, im Grund tiefer und enger war als die mit dem Emil, - wenn ich mich frage wen ich von Beiden am liebsten wiedersehen möchte, würde ich unbedenklich sagen: die alte Sau - nämlich ihn.

    Zuckmayer mochte Jannings nicht erst, seitdem er Heinrich Manns "Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen" zum Drehbuch für "Der Blaue Engel" umgearbeitet und Jannings die Rolle des lüsternen Lehrers auf den dicken Leib geschrieben hatte. Warum er die "alte Sau" liebte, war 1966 schon in "Als wär's ein Stück von mir" nachzulesen. Überraschend ist allerdings, daß Zuckmayers Charakterstudien für das OSS - nicht nur im Fall von Emil Jannings - seiner Autobiographie an deftiger Anschaulichkeit der Sprache in nichts nachstehen. Unmißverständlich verurteilt Zuckmayer im "Geheimreport" politische Konvertiten wie Hans Reimann, charakterlose Überzeugungstäter wie Sigmund Graff und "Anschmeisser" wie Richard Billinger:

    Billinger kommt aus der gleichen Ecke Österreichs wie Hitler […] - zwischen Passau, Schärding, Wasserburg und Burghausen, - scheint ein besonderer Boden für das Wachstum zwielichtiger zweitgesichtiger medialer oder auch pathologisch deformierter Halb-Genies oder Ganz-Charlatane zu sein…

    Während er in seiner Autobiographie ein wesentlich positiveres Bild des zwielichtig-zweitgesichtigen Richard Billingers abgab, kam Leni Riefenstahl in "Als wär's ein Stück von mir" erst gar nicht vor - wohl aber im "Geheimreport":

    "schwer hysterische Person - masslos ehrgeizig. Ihr ist zu gute zu halten dass sie keine Renegatin ist, sondern immer an Hitler glaubte als an den Erlöser. Ihrer Karriere ist aber die Erlösung gut bekommen - nachdem vorher ihre Gesinnung sie nicht gehindert hat beim ›Juden‹ saftige Filmhonorare zu beziehen und sich mit Antinazis für alle Fälle zu stellen.

    Zuckmayer war alles andere als jener Denunziant, als den ihn Altnazis 1947 zu denunzieren suchten. Gunther Nickel:

    Carl Zuckmayer lieferte niemanden ans Messer, vielmehr bemühte er sich, den künftigen Siegermächten jene Künstler und Intellektuellen im Dritten Reich für den Tag X ans Herz zu legen, von denen er es sich nicht vorstellen konnte und wollte, daß sie zu Nazis verkommen waren. Meist behielt er recht, wie etwa in seiner Einschätzung Carl Valentins:

    Karl Valentin mit seinem skurrilen und völlig eigenbrödlerischen bayerischen Dickschädel wird sich nie in eine offizielle Fassung des ›deutschen Humors‹ einfügen sondern immer Wege finden, wenn auch nur durch ein saublödes Lächeln oder eine Handbewegung, seiner Meinung Ausdruck zu geben. […] Valentin […] ist durchaus Volkskomiker, er ist in der ›Au‹, den "slums" von München, geboren und begann als Biergartenmusikant in einer Blechkapelle. Er bildete seinen eigenen Stil aus, der im wesentlichen auf dem Sich-Dumm-Stellen, einem sonderbar hinterhältigen, immer etwas doppelbödigen bayerischen Volkswitz gegründet ist. Innerhalb dieses Stils in Verbindung mit einer artistisch sehr raffinierten und ganz persönlichen Excentrik, erreichte er eine klassische Meisterschaft.

    Auch stand er trotz seines anarchischen Witzes unter dem Schutz einiger bayerischer "Obernazis":

    Valentin ist ein Spintisierer, Eigenbrödler, Hypochonder wie viele Komiker, und natürlich kein politischer Kämpfer, sondern im Grund ein bayrischer Partikularist, der am liebsten südlich der Mainlinie seine Ruh haben möchte und dem preussischer Tonfall körperlich weh tut wie einem Hund ein hoher Sopran. Der Instinkt für alles ›was nicht stimmt‹, das Aufspüren der grossen Fehlerquelle im kleinen alltäglich menschlichen Verhalten, die Kritik am Dummen, Verblödeten, Stupiden, Hirnverrammelten, durch seine schlau verschlagene Darstellung, liegt in der Natur seines bayrischen Witzes und findet selbstverständlich im Nazitum ein Ziel, an dem er garnicht vorbei treffen könnte und das er gradezu zwangsläufig aufs Korn nehmen muss: denn er ist ein wirklicher, und kein bestellter, Charakter-Ausdruck seines Volkes.

    Worum es Carl Zuckmayer in seinen "Personal Traits" auch ging, war, gegen die "generelle Diskriminierung des deutschen Volkes" gegenüber der künftigen Siegermacht USA vehement Stellung zu nehmen. Heftig widersprach er in einem Brief an die Schriftstellerin und FBI-Mitarbeiterin Erika Mann in punkto Kollektivschuld: Es sei "absurd, zelotisch, kurzsichtig", das deutsche Volk pauschal zu verurteilen - die Annahme einer Kollektivschuld sei ebenso "wirklichkeitsfremd" und "wahrheitsfern" wie "jedes moralische Gesamturteil über ein Volk oder eine ‚Rasse'".

    Seine Einschätzung der Weltanschauung eines Emil Jannings, Karl Valentin, Erich Kästner oder der Brüder Friedrich Georg und Ernst Jünger stammten meist aus den späten zwanziger, seltener aus den frühen dreißiger Jahren. Überraschend: die hohe "Trefferquote", die Menschenkenntnis, die Zuckmayer selten täuschte.

    Im Anmerkungsteil des vorbildlich edierten "Geheimreports" kommentiert Herausgeber Gunther Nickel ausführlich auch die wenigen, allerdings recht gravierenden Irrtümer Carl Zuckmayers:

    Ohne potentielle oder politisch aktive Nazis zu sein, machte das Ehepaar Veit Harlan und Hilde Körber im Dritten Reich eine gewisse Karriere. Besonders im deutschen Film. Die Dinge liegen hier ähnlich wie in manchen früher ausführlich erklärten Fällen anständiger Leute, die unter den Nazis Erfolg hatten ohne sich nazimässig zu benehmen oder zu kompromittieren.

    Ein fataler Irrtum, nicht nur mit Blick auf Harlans NS-Propagandafilm "Jud Süß"…

    Harlan war eine Zeitlang jugendlicher Held des Staatstheaters, immer recht gut ohne mehr sein zu können, und wechselte später zur Regie, hauptsächlich Film, hinüber. Er mag als Filmregisseur sehr geschickt und geschmackvoll sein.

    "Geschmackvoll" war er gerade nicht… Ein zweites, gravierendes Fehlurteil fällte Carl Zuckmayer in Bezug auf den bayerischen Komiker Weiß Ferdl, der heute bestenfalls noch südlich des Mains bekannt ist, ansonsten aber ein rechtsradikaler Nationalist übelster weißblaubrauner Provenienz war.

    Von einer an Prophetie reichenden Weitsicht liest sich Zuckmayers Meinung über die zukünftige Rolle von Erich Kästner, vor allem aber sein Bericht über Ernst Jünger und die künftige Rezeption seines Werkes nach Kriegsende:

    Ernst Jünger halte ich für den weitaus begabtesten und bedeutendsten der in Deutschland verbliebenen Autoren. Ich glaube dass sowohl seine wie seines jüngeren Bruders Opposition gegen das Naziregime echt ist und mit jener nur sehr bedingten Opposition aus anderen konservativen oder Offizierskreisen nicht identisch ist. [...]

    Ernst Jüngers Kriegsverherrlichung hat nichts mit Agression und Weltbeherrschungsplänen zu tun - sein Herren-Ideal nichts mit demagogischem Unsinn a la Herren-›Rasse‹. Ohne Pazifist oder Demokrat zu sein ist es ihm bestimmt ernst mit der Vorstellung einer Weltgestaltung vom Geist her und durch das Medium der höchstentwickelten und höchstdisziplinierten Persönlichkeit. Eine isolierte und sehr unbequeme Position - vielleicht bedeutsamer und mindestens interessanter als verwaschene Durchschnittsvorstellungen von Demokratie…

    Solche Urteile dürften Zuckmayers Kontaktperson beim OSS, Emmy Rado, begeistert haben. Ihre Abneigung gegen Kommunisten und Sozialisten bereiteten den Boden für McCarthys Tribunale:

    Solche Erscheinungen wie E[rnst] und F[riedrich Georg] W. Jünger mögen in einem gegen die Nazis gewandten Nachkriegsdeutschland noch isolierter sein als jetzt, und werden […] vermutlich von der Mehrheit der Linkskreise als ›reaktionär‹ abgetan und abgelehnt werden. In Wirklichkeit sind sie […] weniger reaktionär als viele der ›Progressiven‹ die nichts dazu gelernt haben. Es wäre ein grosser Fehler sie nicht ernst zu nehmen und ihr Schaffen <nicht> mit grösster Aufmerksamkeit und Vorurteilslosigkeit zu beobachten. </nicht>

    Diese Einschätzung gewinnt unter dem Aspekt Carl Zuckmayers politischer Überzeugung noch an Gewicht. Zwar lehnte er alles Ideologische und Doktrinäre ab, seine Sympathie und Bewunderung dürften jedoch in erster Linie dem Stil des Schriftstellerkollegen, nicht der Weltanschauung Ernst Jüngers gegolten haben.

    Ein Grund, Carl Zuckmayers "Geheimreport" zu lesen, sind aphoristische Einschübe, etwa über das Wesen von Schauspielern:

    Schauspieler sind ja überhaupt psychologische Zwischenstufen. Ich bin der Ansicht, dass der Schauspielerberuf solche Eigenschaften und Haltungen wie" -- im Text gestrichen:

    allgemeine Intelligenz, Selbstkontrolle, Verantwortungsgefühl, geistige Klarheit, charakterliche Zuverlässigkeit, nicht […] unbedingt ausschliesst, wohl aber meistens vernebelt, untergräbt, doppelbödig macht. […] Die meisten Schauspieler neigen zu einer Art von Infantilismus, der ihnen auch die Vorgänge des realen Lebens, die blutige Wirklichkeit, zum Spiel, zur rasch wandelbaren Szene, zur Inszenierung, und ihre eigne Position oder Aktivität darin zur Rolle werden lässt.

    Heinrich Heine hat mit den Gegnern der deutschen Reaktion paktiert, Hemingway kundschaftete Nazis auf Kuba aus und auch George Orwell trieben Ängste vor einem allgegenwärtigen Sowjetstaat in die Arme des britischen Geheimdienstes. Carl Zuckmayer hatte sich nichts vorzuwerfen. Im Gegenteil. Seine im Krieg gegen Nazi-Deutschland geschriebenen Einschätzungen für den amerikanischen Geheimdienst OSS haben nichts mit den ekelhaften IM-Berichten ehemaliger DDR-Autoren zu tun. Totalitarismus einerseits und Menschenrechte andererseits markieren die Grenze zwischen Aufklärung und Denunziation.

    Carl Zuckmayer begegnen wir im "Geheimreport" als fröhlichem Aufklärer. Seine Personenporträts sind anschaulich, pointiert und - erstaunlich zeitlos! Wen wundert's? Bestimmten Charaktertypen begegnen wir eben - nicht erst seit Shakespeare - immer wieder, auf der Bühne wie im Leben.