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Geht doch!

Seit dem 18. Dezember 1884 erscheint in Schweden das "Svenska Dagbladet". Es ist die drittgrößte Zeitung des Landes und sie steckte in einer tiefen Krise. Doch seit einiger Zeit geht es deutlich bergauf mit dem Blatt. Das "Svenska Dagbladet" hat sich so überzeugend neu erfunden, dass das dem European Newspaper Congress 2009 einen Preis wert war.

Von Marion Ammicht | 23.05.2009
    Die Lösung ist handlich, funktional und schick. Sie kommt aus Schweden. und während die anderen noch basteln, lesen die Stockholmer schon. Ein kontinuierlicher Auflagenanstieg über acht Jahre. Ann Axelsson, Chefredakteurin des traditionsreichen "Svenska Dagbladet", kurz: SvD, ist sichtlich stolz.

    But how it comes? Wie kann das sein in Zeiten, da sich die größten amerikanischen Zeitungen in der Todesspirale drehen?

    Für die Jury des zehnten European Newspaper Award ist die Sache klar: Bereits im vergangenen Jahr sei das schwedische Blatt aufgefallen, heißt es in der Begründung: Mit einer sinnvollen Print- und Online-Kooperation, einem schlüssigen Design und einer Wochenendbeilage, die Elemente des Tageszeitungsdesign aufgreift und mit Magazin-Elementen kombiniert. Aktuelle Nachrichten laufen online, das Blatt selbst bietet verstärkt Hintergrund, Analyse und Meinung zu ausgewählten Themen im hochwertigen und leserfreundlichen Magazin-Outfit.

    Ein Konzept, wie es auch der Medienforscher Carlo Imboden, der immer wieder das Leserverhalten crossmedialer Mediennutzer - also Angehöriger der sogenannten Internet-Generation untersucht hat - für zukunftsträchtig hält:

    "Die Zeitung muss als Tageszeitung den Charakter einer Wochenzeitung bekommen. Sie muss Hintergrund bringen, Erklärung bringen, Kommentierung bringen von dem, was dieser crossmediale Nutzer bereits am Vortag als Nachricht im Onlineportal geholt hat."

    "Wir wussten einfach, dass wir unsere Hausaufgaben ganz neu machen mussten"," berichtet SvD-Chefdesignerin Ann Thurfiell. ""Eine Umfrage hatte gezeigt, dass man uns als langweilige, komplizierte und selbstzufriedene Morgenzeitung für die Elite betrachtete. Wir wussten aber auch, dass wir sehr vorsichtig vorgehen mussten, um nicht unsere Marke als Qualitätszeitung zu verlieren."

    Als erste europäische Tageszeitung wechselte "Svenska Dagbladet" zum kleineren, sogenannten Tabloid-Format, das auch für den Relaunch der Frankfurter Rundschau im Krisenjahr 2001 Pate stand. Doch der Formatwechsel allein konnte die so begehrten jüngeren Internet-sozialisierten Leser nicht aus der Reserve locken. Jedes Jahr ging der Relaunch des einstigen Traditionsblattes einen Schritt weiter. "Form followed function" und umgekehrt:

    "Das Design spielt eine ganz entscheidende Rolle. Stellen Sie sich einen Superdiscounter vor, der die besten Produkte mit der höchsten Marge auf der Fußhöhe aufstellt, der gräbt sich damit ein Grab. In der Zeitung ist das aber heute noch so, dass viele gute Dinge versteckt werden auf einer Seite, in einem Buch, in der ganzen Architektur, sodass die Leute das gar nicht finden können."

    Wie auch die anderen Award-Preisträger in diesem Jahr setzt das "Svenska Dagbladet" darum auch auf klare Farb- und Bildführung: Blau für News, pink für Wirtschaft und grün für die Kultur. Themen werden klar hierarchisiert, Schwerpunkte gesetzt. Die Sonntagsausgabe wurde mit je einer Beilage aus Wirtschaft und Kultur zusätzlich ausgebaut. Die Kulturbeilage wird künftig gar wegen des großen Erfolgs an zwei weiteren Tagen erscheinen.

    Das "Svenska Dagbladet" - Ein beispielhaftes Modell für die Zeitung der Zukunft, egal ob diese nun auf Papier oder einem elektronischen Lesegerät erscheinen wird. Und der Aus- und Umbau in Stockholm geht weiter, allen Krisen zum Trotz. Genau der richtige Weg, wie Medienforscher Carlo Imboden meint :

    "Das ist zweifellos eine der großen Herausforderungen der Zeit, dass auf der einen Seite ein Journalismus erwartet wird, der aufwändiger ist, der kostenintensiver ist, dass sie auf der anderen Seite, die Redaktion, immer weniger Mittel hat. Und deshalb bin ich auch der Meinung, anstatt das Geld bei der Redaktion jetzt weg zu nehmen, dann wird es noch weniger marktgerecht, der crossmediale Nutzer wird es nicht kaufen wollen, bereit sein, dafür zu bezahlen, sondern wir müssen in das Produkt und in die Redaktion investieren, auf die Chance, auf das Risiko hin, dass ich Geld in die Hand nehme, aber mir dann der Leser, der Abonnent das kauft wegen des Produkts und nicht wegen der Kaffeemaschine, die ich gratis verteile."