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Geis: Bundeskanzlerin hat "einen Fehler gemacht"

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis hat in der Debatte um Papst Benedikt XVI. seine Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkels Äußerungen Richtung Vatikan bekräftigt. Sie habe ihre Kompetenz überschritten und einen Fehler gemacht, sagte Geis. Er hoffe, dass Frau Merkel ihren Schritt korrigiere.

Norbert Geis im Gespräch mit Gerd Breker | 05.02.2009
    Gerd Breker: Der Papst ist offenbar verärgert über die offene Kritik aus Deutschland an seinem Umgang mit dem britischen Holocaust-Leugner, mit Bischof Richard Williamson. Im Vatikan sei man über die Diskussion in Deutschland geradezu entsetzt, erklärte der CDU-Politiker Georg Brunnhuber der "Financial Times Deutschland" nach einem persönlichen Gespräch mit Benedikt XVI. Der deutsche Papst ärgert sich also auch über die deutsche Bundeskanzlerin, die öffentlich eine eindeutige Klarstellung des Papstes angemahnt hatte, dass es keine Leugnung des Holocaust geben darf. Mischt sich da Politik in etwas ein, was gar nicht ihre Sache ist? – In der Partei mit dem C vorne dran wird darüber heftig diskutiert.
    Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis. Guten Tag, Herr Geis!

    Norbert Geis: Ich grüße Sie.

    Breker: "Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist", heißt es. Hat die Bundeskanzlerin ihre Kompetenz mit ihrer Kritik an den Papst überschritten?

    Geis: Ich glaube schon. Ich glaube, es war nicht sehr glücklich, was die Frau Bundeskanzlerin da von sich gegeben hat. Sie hätte ja auch sagen können, dass für sie kein Zweifel daran besteht, dass Benedikt XVI. und auch der Vatikan insgesamt ganz klare Position hat zur Frage des Holocaust. Das hat Benedikt XVI., der in Auschwitz gewesen ist, als Papst ja immer betont und er hat es ja auch schon letzte Woche ganz klargestellt. Am Mittwoch letzter Woche hat er ganz klar gesagt, dass er nichts mit den Äußerungen von Bischof Williamson zu tun haben will, dass diese Rücknahme der Exkommunikation nichts zu tun hat mit einer eventuellen Anerkennung dieser verrückten Äußerungen des Bischof Williamson. Das hätte die Frau Bundeskanzlerin sagen können. Sie hätte sagen können, ich habe keinen Zweifel an der Position des Papstes und an der Position des Vatikans in dieser Frage. Und ich bin sicher, dass die Frage Piusbruderschaft von klugen Leuten im Vatikan vernünftig geregelt wird. Das ist eine innerkirchliche Sache und da hat sich die Bundeskanzlerin natürlich nicht reinzumischen. Um die Sache also auf den Punkt zu bringen: meiner Meinung nach hat Frau Merkel einen Fehler gemacht und ich hoffe, dass sie diesen Fehler so schnell als möglich korrigiert.

    Breker: Aber ist es nicht, Herr Geis, tatsächlich eine Grundsatzfrage, ob in der Katholischen Kirche Holocaust-Leugner etwas zu suchen haben oder nicht?

    Geis: Ja, natürlich. In der Katholischen Kirche haben Holocaust-Leugner nichts zu suchen, weil sie die Wahrheit leugnen. Es ist jetzt aber nicht eine Frage: wenn ich die Exkommunikation zurücknehme, dann ist das eine Aufforderung zum Gespräch. Der Papst wollte hier versöhnen und wollte doch keinen Krieg beginnen. Ihm wird ja gewissermaßen seine Motivation herumgedreht. Es ist ja ein völliges Missverständnis, was da passiert. Das muss auch der Zentralrat der Juden doch so sehen. Der Papst wollte versöhnen, er wollte doch nicht beleidigen, er wollte doch keinen Angriff machen und schon gar nicht gegen die Juden. Das liegt ihm doch total fern. Das muss man doch sehen. Wenn man ein bisschen die Augen aufmacht, ein bisschen lesen und schreiben kann, weiß man doch, dass der Papst und dass der Vatikan eine ganz klare Position zur Frage des Holocaust hat.

    Breker: Der Vatikan hat eine klare Position zum Holocaust, allerdings die Piusbruderschaft offenbar nicht. Spielt es bei dieser ganzen Diskussion jetzt, Herr Geis, nicht auch eine dominierende Rolle, dass der Papst deutscher Herkunft ist?

    Geis: Das kann natürlich schon eine Rolle spielen, weil man dann beides versucht zu vermischen. Aber gerade deswegen hätte die Frau Bundeskanzlerin sich eigentlich auf die Seite des Papstes schlagen müssen. Sie hätte klar sagen müssen, für mich ist völlig eindeutig, dass der Papst eine ganz klare Position zum Holocaust hat. Und dass sie das nicht getan hat, sondern dass sie eigentlich in das Gegenteil gerudert ist, das halte ich für einen Fehler. Fehler macht man, aber Fehler kann man auch wieder korrigieren.

    Breker: Herr Geis, Sie haben es gesagt: der Papst wollte mit der Aufhebung der Exkommunikation dieser vier Bischöfe ein Zeichen der Einheit der Kirche setzen. Doch das Zweite Vatikanische Konzil wird von der Piusbruderschaft nicht anerkannt. Und just in diesem Konzil gibt es das offene Bekenntnis zur Ökumene, zum Dialog der Religionen. Wenn nun die Piusbruderschaft wieder in die Kirche geholt wird, ist das nicht ein gegenteiliges Signal, eben halt nicht das der Einheit?

    Geis: Da muss man erst einmal die Entwicklung abwarten. Die Piusbruderschaft ist ja mit der Aufhebung der Exkommunikation nicht wieder schon in die Kirche eingegliedert, aber jetzt muss man eben einfach beginnen, das Gespräch beginnen. Man muss auf der einen Seite sehen, dass das fromme Leute sind, die kein Dogma der Kirche je geleugnet haben, die im Gegenteil für sich in Anspruch nehmen, wir halten daran fest. Man muss jetzt auf der anderen Seite sehen, dass da bei dieser Piusbruderschaft Entwicklungen in Gang gesetzt worden sind. Nach allem, was man lesen und hören kann – ich weiß nicht genau; ich habe es selber nicht prüfen können -, sind da Tendenzen vorhanden, die nicht gebilligt werden können, und natürlich kann die Piusbruderschaft nach meinem Verständnis der Kirche und des Kirchenrechtes nicht am Konzil vorbei. Das Konzil hat eine Entscheidung in Fragen auch der Bekenntnisfreiheit gesprochen. Das war ein großes Thema des vormaligen Papstes Karol Wojtyla, als er noch als Kardinal im Konzil war. Diese Dinge kann jetzt die Piusbruderschaft nicht einfach wegtun. Sie haben ja immer gesagt, wir wollen ja gar nicht aus der Kirche heraus. Wenn sie selber wieder in die Kirche hinein wollen, dann müssen sie ein paar Ansichten, die sie haben, verändern – nach meinem bescheidenen Verständnis. So genau kenne ich mich da auch nicht aus, um mir ein Urteil erlauben zu können.

    Breker: Herr Geis, auf jeden Fall muss man feststellen, dass diese Affäre, dieser Fall, dieses Vorkommnis den Dialog zwischen Katholiken und Juden beeinträchtigt hat.

    Geis: Das scheint so der Fall zu sein, aber jetzt muss man auch ein bisschen noch einmal an die Vernunft appellieren. Der Papst wollte nicht die Juden beleidigen oder wollte nicht irgendwo auch nur den geringsten Zweifel an seiner Position gegenüber dem Holocaust zum Ausdruck bringen, sondern er wollte einen Akt der Versöhnung machen. Diese Motivation kann man doch nur herauslesen aus seiner Äußerung, seiner Haltung und seiner Rücknahme der Exkommunikation, und das muss man doch auf Seiten auch der Juden sehen. Auch da muss jetzt Vernunft einkehren. Die beiden großen Religionen, Judentum und christliche Religion, die können sich doch nicht erlauben, in einer Zeit, wo immer mehr Glaubensfremdheit um sich greift, gegeneinander zu gehen. Hier muss man miteinander reden, muss so schnell als möglich Missverständnisse wieder beseitigen. Dazu sind wir Menschen auf der Welt, wenn wir uns zerstreiten oder wenn irgendwo Missverständnisse auftauchen, dass wir sie auch wieder wegholen, dass man wieder aufeinander zugeht. Das wünschte ich mir eigentlich, auch von Seiten der Juden, um es mal auch ganz sachte und ruhig zu sagen.

    Breker: Herr Geis, der Papst wollte ein Zeichen der Versöhnung setzen, haben Sie gesagt. Ist nun nicht ein neues Zeichen der Versöhnung vonnöten, etwa gegenüber den Juden, indem der Papst eine Synagoge besucht oder indem der Israel-Besuch nun angelegt wird?

    Geis: Das würde ich sehr begrüßen. Ich meine, von Seiten des Papstes wird sicherlich alles getan, um auf die Juden zuzugehen und sie als Brüder zu sehen und das auch zu betonen. Ich denke und hoffe sehr darum, dass ein solches Zeichen so bald als möglich geschieht und dass dies auch anerkannt wird. Ich habe jetzt die Präsidentin des Zentralrates im Radio gerade auch bei Ihnen gehört. Ich glaube, dass da auch viel Vernunft da ist und dass man gar nicht miteinander streiten will und auf bestimmten Standpunkten beharren will, sondern dass da der Weg aufeinander vorgezeichnet ist und auch der Wille da ist, aufeinander zuzugehen. Das glaube ich schon auch von beiden Seiten.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das der CSU-Abgeordnete Norbert Geis. Herr Geis, danke für dieses Gespräch.

    Geis: Danke Ihnen auch.