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Geis: Reform des Unterhaltsrechts braucht Zeit

Der CSU-Rechtsexperte Norbert Geis hat vorgeschlagen, die umstrittene Drei-Jahres-Frist aus dem Gesetzestext zum Unterhaltsrecht herauszunehmen. Geis betonte, man müsse alles tun, um die Bedenken des Verfassungsgerichtes auszuräumen. Um die Norm sicher zu formulieren, müssten jetzt zunächst Experten zu Rate gezogen werden.

Moderation: Bettina Klein | 24.05.2007
    Klein: An Rechtssicherheit ist wohl vorerst nicht zu denken. Die Koalition ha t die geplante Entscheidung über das Unterhaltsrecht verschoben. Keine Überraschung mehr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gestern. Karlsruhe hatte den Gesetzgeber angehalten, eheliche und nicht eheliche Kinder auch bei der Frage gleichzubehandeln, wie viel und wie lange der erziehende Elternteil vom anderen Part Betreuungsgeld bekommt. Der Entwurf, der morgen im Deutschen Bundestag verabschiedet und am 1. Juli eigentlich hätte in Kraft treten sollen, hätte den Anforderungen der Verfassungsrichter offenbar nicht Genüge getan. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) heute Morgen dazu hier im Deutschlandfunk:

    O-Ton Zypries: Was das Bundesverfassungsgericht eindeutig gemacht hat ist, dass sie unserer These Recht gegeben haben, die da lautet: es kommt für die Kinder nicht darauf an, ob die Eltern verheiratet waren oder nicht, sondern für die Kinder kommt es darauf an, dass sie eine ordentliche Betreuung haben und dementsprechend auch das dazugehörige Geld. Das war ja immer unser Ansatz und den hat das Bundesverfassungsgericht voll umfänglich bestätigt, indem sie eben gesagt haben - das steht wörtlich im Urteil; sinngemäß kann ich es jetzt nur zitieren -, für das Kind ist es unerheblich, welchen Rechtsstatus die Eltern haben.

    Klein: Brigitte Zypries war das heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Die SPD-Politikerin sieht die Position der eigenen Partei also grundsätzlich durch Karlsruhe bestätigt.

    Erstaunlicherweise sehen das Politiker der Union genau anders herum. Fraktionsgeschäftsführer Röttgen glaubt die Position der Union gestärkt. Die Besserstellung geschiedener Frauen im Vergleich zu ledigen sei weiter möglich nach dem Urteil, so Röttgen, und der familienpolitische Sprecher der Fraktion Singhammer sieht bei dem Entwurf, der jetzt in Rede stand, keinen Änderungsbedarf nach dem Urteil aus Karlsruhe.

    Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages sollte heute zu einer Sondersitzung zum Thema zusammenkommen. Mitglied im Ausschuss ist der CSU-Abgeordnete Norbert Geis, den ich jetzt am Telefon begrüße. Guten Tag Herr Geis!

    Geis: Ich grüße Sie!

    Klein: Findet die Sitzung des Ausschusses statt?

    Geis: Nein! Sie ist abgesagt worden.

    Klein: Weshalb?

    Geis: Ich gehe davon aus, dass morgen über die Gesetzgebungsvorlage dann nicht entschieden wird, sondern dass das vertagt wird. Also ich kann mir nicht vorstellen, dass es anders läuft. Ich bin aber noch nicht ganz auf dem neuesten Stand der Informationen.

    Klein: Das heißt man hat das Thema als nicht so dringlich erachtet, so dass man heute schon darüber sich hätte unterhalten können. Dazu gibt es ja vielleicht auch genug Grund?

    Geis: Ja. Man hätte sich heute darüber unterhalten können, wie man weiter vorgeht, denn es sind in der ganzen Sache zwei Auffassungen. Die einen sagen, wir sind jetzt schon weit genug an dem, was das Verfassungsgericht will. Das ist auf Initiative der Union so weit vorangetrieben worden. Die anderen sagen, das ist unter Umständen noch nicht genug, und darüber muss man sich beraten. Darüber müssen auch Experten gehört werden. Deswegen ist es wohl richtiger, zunächst einmal abzuwarten und die Sache noch einmal in Ruhe zu beraten.

    Klein: Das ist die Frage, die ich Ihnen gerne stellen wollte, Herr Geis. Ist denn das Urteil aus Karlsruhe so interpretationsfähig, dass sich hier jeder bestätigt fühlen kann, auch wenn es ganz unterschiedliche Auffassungen gibt?

    Geis: Sie müssen nun folgendes wissen. Das Urteil aus Karlsruhe greift eine Norm an, die jetzt im Gesetz steht und aus 1997 stammt. Diese Norm wurde aber schon abgeändert.

    Klein: Welche Norm meinen Sie jetzt konkret?

    Geis: Das ist die Norm des § 1615L Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches.

    Klein: Das müssen Sie jetzt erklären.

    Geis: Damit kann natürlich kein Zuhörer etwas anfangen. Es ist die Norm, die regelt, dass eine Mutter, die ein uneheliches Kind betreut, also eine nicht eheliche Mutter einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Erzeuger, dem Vater hat, und zwar einen Betreuungsunterhaltsanspruch drei Jahre lang. Diese drei Jahre - das sagt das Verfassungsgericht -, diese Befristung stellt einen Unterschied dar zu der Regelung, die für die geschiedene Frau gilt, die ein Kind betreut. Die kann nämlich - nach der Rechtsprechung so entwickelt - acht Jahre lang mindestens einen solchen Unterhaltsanspruch geltend machen.

    Das Verfassungsgericht sieht darin eine Ungleichbehandlung und diese ungleiche Situation haben aber gerade wir von der Union versucht zu beseitigen. Denn der Entwurf, den Frau Zypries zunächst vorgelegt hat, sieht das zunächst noch gar nicht vor. Erst aufgrund unserer Initiative hin ist dann in den Entwurf hineingekommen, dass diese Frau, die ein nicht eheliches Kind betreut, also die nicht eheliche Mutter mindestens drei Jahre - also nicht höchstens drei Jahre, wie jetzt im Gesetz steht, sondern mindestens drei Jahre - einen solchen Unterhaltsanspruch hat und danach den Unterhaltsanspruch weiter hat, wenn es der Billigkeit entspricht. Das Verfassungsgericht sagt, wir wollen überhaupt keinen Unterschied mehr haben zwischen dem Kind aus ehelichen Verhältnissen und dem Kind aus nicht ehelichen Verhältnissen, und da muss man sich überlegen, ob diese Formulierung, die wir, die Union, jetzt in den Entwurf hineingebracht haben, den Vorstellungen des Verfassungsgerichts ganz entspricht.

    Da gibt es zwei Meinungen. Die einen sagen jawohl und die anderen sagen, da ist dann vielleicht doch da und dort eine Formulierung drin, die falsch ausgelegt werden könnte oder die Anlass geben könnte zu einem neuen Verfassungsstreit, und deswegen müsste man oder muss man diese Norm noch einmal neu formulieren, und zwar angleichen an die Norm oder das Gesetz, das gilt für das eheliche Kind beziehungsweise die Mutter, die ein eheliches Kind betreut. Beide Positionen sollen also gleichgestellt werden.

    Klein: Lassen Sie uns einen Augenblick bei diesem Punkt bleiben. Was denken Sie ist in Ihrer Fraktion auf der einen Seite, was ist in der Großen Koalition an Kompromiss da möglich?

    Geis: Ich kann mir gut vorstellen, dass wir aufgrund der Vorgabe des Verfassungsgerichts zu dem gemeinsamen Ergebnis kommen werden. Da bleibt auch gar nichts anderes Übrig, denn das Verfassungsgericht ist letztzuständig für die Auslegung der Verfassung und es sagt Artikel VI Absatz 5 ist verletzt. Dann müssen wir alles tun, um diese Bedenken des Verfassungsgerichts auszuräumen.

    Klein: Mit welchem Ergebnis? Was könnten Sie sich vorstellen?

    Geis: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich kann mir zum Beispiel aber vorstellen, dass man den Wortlaut etwa angleicht, dass man also die Drei-Jahres-Frist herausnimmt und sagt, das Kind hat diese Drei-Jahres-Frist nicht mehr zu beachten beziehungsweise die Mutter, sondern es hat die Mutter genau denselben generellen Anspruch wie die geschiedene Frau, die ein eheliches Kind hat.

    Klein: Keine Festlegung mehr auf Jahre. - Herr Geis, wir müssen noch auf einen anderen Punkt kommen, und da hat die Ministerin Zypries, die Sie gerade angesprochen haben, sich schon vor dem Urteil dafür eingesetzt, dass bei der Rangfolge, wenn es konkurrierende Ansprüche gibt zwischen einer ledigen und einer geschiedenen Erziehungsberechtigten, diese beide gleich zu behandeln seien. Da hat sich wiederum die Union durchgesetzt, indem sie eine Rangstellung, eine Rangfolge hat festschreiben lassen, die jetzt von Karlsruhe eben auch als verfassungswidrig erklärt worden ist. Da müssen Sie sich offenbar bewegen?

    Geis: Ja. Verfassungswidrig ist die Rangfolge jetzt noch nicht erklärt worden, weil die Rangfolge ist ja noch gar nicht Gesetz. Sie konnte gar nicht verfassungswidrig erklärt werden. Aber natürlich müssen wir aus dem jetzt vorliegenden Urteil dort schon Schlussfolgerungen ziehen. Die müssen wir auch bedenken und es muss darüber nachgedacht werden. Dazu müssten auch Experten gehört werden und es kann dann durchaus sein, dass die Union diese Vorstellungen unter Umständen aufgrund der jetzigen Lage, die durch das Urteil des Verfassungsgerichts entstanden ist, so nicht ganz halten können wird. Aber darüber kann ich heute und will ich auch gar nicht ein letztgültiges Urteil, eine letztgültige Meinung abgeben. Die könnte ich sowieso nicht, aber meine eigene Meinung abgeben. Ich bin da erst noch am suchen und ich möchte darüber auch Experten hören und dann werden wir entscheiden.

    Klein: Norbert Geis war das, CSU-Bundestagsabgeordneter, Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Geis.

    Geis: Danke, Ihnen auch. Danke schön!