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Geis: Wulff hat nichts Falsches gesagt

Der CSU-Rechtsexperte Norbert Geis glaubt, dass hinter der Kritik an Bundespräsident Christian Wulff (CDU) auch eine Kampagne stecken könnte. Prinzipiell ist es für ihn nicht verkehrt, sich als Politiker von einem Freund helfen zu lassen.

Norbert Geis im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 16.12.2011
    Tobias Armbrüster: Zwei Tage hat Christian Wulff, der Bundespräsident, gewartet; gestern ist er zum ersten Mal mit einer persönlichen Erklärung an die Öffentlichkeit gegangen. Es ging um den umstrittenen Immobilienkredit, den Wulff von der Ehefrau eines befreundeten Unternehmers erhalten hat. Umstritten ist vor allem die Tatsache, dass er den Kredit bei einer Anfrage im Landtag von Niedersachsen nicht erwähnt hatte. In der Erklärung heißt es nun, er, Wulff, bedauere, dass ein falscher Eindruck entstanden sei, und weiter, es wäre besser gewesen, diesen Kredit schon eher bekannt zu machen. – Am Telefon ist jetzt Norbert Geis, Rechtsexperte der CSU. Schönen guten Morgen, Herr Geis.

    Norbert Geis: Guten Morgen.

    Armbrüster: Herr Geis, kam diese Erklärung von Christian Wulff gestern zwei Tage zu spät?

    Geis: Darüber kann man streiten. Es wäre vielleicht besser gewesen, diese Erklärung gleich abzugeben und nicht zu warten, aber er hat sie abgegeben und damit gut.

    Armbrüster: Drängt sich denn hier nicht der Eindruck auf, dass er es lieber verborgen gehalten hätte?

    Geis: Ja es ist natürlich so: Sie müssen ja die Situation sehen. Die Anfrage in Niedersachsen, im niedersächsischen Landtag, als er noch Ministerpräsident war, kam ja oder zielte darauf ab, ist hier unter Umständen Korruption im Spiel. Und dass man da natürlich vorsichtig ist, nicht nur wegen der eigenen Person als Ministerpräsident, sondern auch wegen der Person, mit der man freundschaftliche Beziehungen seit Jahren unterhält und die das Geld gegeben hat, da, glaube ich, hat er zunächst einmal auch die Pflicht, gegenüber dieser Person etwas vorsichtiger zu sein. Mag sein, dass dies der Grund war, weshalb er in Niedersachsen schon zurückhaltend reagiert hat. Damit ist natürlich, als dann später herauskam, dass er tatsächlich Geld empfangen hat, ein gewisser Geruch entstanden, den er dann allerdings ganz klar widerlegt hat, indem er gesagt hat, es bestehen keinerlei geschäftliche Beziehungen, wir haben freundschaftliche Beziehungen und innerhalb dieser freundschaftlichen Beziehungen ist damals dieser Kredit gezahlt worden, mit Korruption hat dies im entferntesten nichts zu tun. Das hat er damals schon klargestellt. Deswegen ist mir nicht ganz klar, weshalb jetzt diese ganze Geschichte noch einmal aufgerollt wird. Ich habe auch so ein bisschen den Verdacht, oder nicht nur ein bisschen, sondern ich habe den Verdacht, dass dahinter natürlich auch eine Kampagne stecken kann.

    Armbrüster: Wie soll Christian Wulff denn noch künftig glaubwürdig reden über Werte wie Ehrlichkeit, Vertrauen und Bescheidenheit?

    Geis: Also er hat den Kredit eines Freundes oder einer freundschaftlichen Verbindung ... Innerhalb dieser freundschaftlichen Verbindung hat er einen Kredit erhalten. Geschäftliche Vorteile sind dadurch nicht entstanden. Wären die da, wären sie längst aufgeklärt.

    Armbrüster: Aber können wir zumindest festhalten, Herr Geis, er hat falsch gehandelt, als er die Frage nach dieser Beziehung verneint hat?

    Geis: Nein, er hat überhaupt nichts Falsches gesagt. Das wissen wir ja inzwischen. Er hat vollkommen der Wahrheit gemäß gesagt, er hat nicht die Unwahrheit gesagt. Das Gegenteil von Wahrheit ist Unwahrheit. Er hat lediglich nicht jetzt erklärt, dass er auch noch freundschaftliche Beziehungen hat, ... Das hat er erklärt ... Nein! Er hat nicht erklärt, dass er deswegen Geld bekommen hat. Das hat er nicht erklärt. Das war sicherlich im Nachhinein falsch.

    Armbrüster: Aber er hat doch einen Teil der Wahrheit verschwiegen!

    Geis: Er ist ja gar nicht danach gefragt worden. Er wurde gefragt, und darauf hat er ganz konkret geantwortet. Und er ist nicht verpflichtet, jetzt noch weiter Antworten darüber hinaus zu geben. Dann setzt er sich und die Frau in den Verdacht der Korruption, und davor ist er zurückgeschreckt, und das mit Recht. Denn man muss ja wissen: Was man ihm eigentlich vorwerfen muss, ist, dass er die Bösartigkeit dieser ganzen Fragerei nicht richtig durchschaut hat. Sonst hätte er nämlich von Anfang an gleich reinen Tisch gemacht und hätte ganz klar alles offengelegt, was nur denkbar ist alles offengelegt. Das hätte er machen können, davor ist er zurückgeschreckt, aus ganz menschlichen Gründen, nicht, weil Korruption im Spiel war, sondern weil er natürlich sich nicht dem Geruch der Korruption überhaupt erst aussetzen wollte, und dass er vor allen Dingen auch Rücksicht nehmen musste auf die Frau, die ihm Geld gegeben hat. Das muss man doch auch einmal sehen. Es ist ja nicht ein großes Vergnügen, durch die Presse durchgezogen zu werden und bei jedem Gespräch erwähnt zu werden als jemand, der freundschaftliche Verbindungen zum Ministerpräsidenten hat und gleichzeitig ein Geschäft unterhält. Das sind ja Dinge, die werden doch natürlich auch von bösartigen Menschen gleich ins Gegenteil umgekehrt, und davor hatte er Bedenken. Diese Bedenken hätte er gleich wegschieben müssen und hätte gleich sagen müssen, es ist so und so und so. Das war wohl richtig, das sagt er ja auch selbst, aber aus menschlichen Gründen hat er so gehandelt, nicht aus bösartigen oder aus Gründen, um irgendetwas zu verdecken.

    Armbrüster: Dann würde ich Sie gern fragen, Herr Geis: Würden Sie vor einem Parlament genauso handeln?

    Geis: Ich bin nicht in der Situation, und man muss erst einmal in dieser Situation sein. Wenn selbst der politische Gegner wie Herr Trittin sagt, man muss selber, bei solchen Dingen kann man auch einmal falsch reagieren, ohne dass man sich deswegen einen moralischen Vorwurf machen muss, dann kann ich für mich in Anspruch nehmen, dass ich das zumindest nicht ganz gleich weiß und wissen kann. In einer solchen Situation kann man eine verkehrte Reaktion verursachen und man kann verkehrt reagieren. Das muss man einfach auch mit einkalkulieren, dafür sind wir alle Menschen. Ich möchte dazu jetzt nicht erklären, wie ich mich verhalten hätte. Ich weiß nicht, ob ich den Mut sofort aufgebracht hätte, alles auf den Tisch zu legen. Das weiß ich nicht. Vielleicht hätte mich die Klugheit vielleicht auf einen anderen Weg geführt.

    Armbrüster: Dann lassen Sie uns, Herr Geis, kurz noch über das Geld sprechen. Darf ein Spitzenpolitiker einen Kredit zu besonders günstigen Bedingungen von einer Privatperson annehmen?

    Geis: Das ist eine Frage, die ich eigentlich ... Zunächst ist der Politiker Mensch und er ist Mensch wie jeder andere auch. Wenn er von einer Privatpersonen einen Kredit – und zwar nicht einen kleinen Kredit – annimmt, muss er natürlich vorsichtig sein. Er muss ganz genau abschätzen, weshalb gibt der Privatmann oder die Privatperson mir einen Kredit. Ist dahinter vielleicht die Absicht, mich einzubinden und dann einen Vorteil daraus zu schlagen? – Wenn aber dieser Kredit gegeben wird aus reiner freundschaftlichen Verbindung heraus, dann muss man sagen, ein Politiker darf dies annehmen, muss aber mit allerhöchster Vorsicht handeln.

    Armbrüster: Muss er aber nicht gleichzeitig verhindern, auch nur den Anschein zu vermeiden, dass er hier sozusagen ein Geldgeschenk annimmt und sich somit käuflich macht?

    Geis: Ja, das muss er auf jeden Fall, denn man sieht ja, was jetzt dabei herausgekommen ist. Jetzt ist er in Schwierigkeiten geraten. Das muss ein Politiker mit bedenken. Es ist besser, er macht so etwas nicht, weil er sofort in ein falsches Licht gerät.

    Armbrüster: Können wir das dann vielleicht als Lektion aus diesem Fall festhalten, dass Privatkredite für Politiker Tabu sind?

    Geis: Tabu? – Ich meine, gut, jetzt wollen wir mal die Kirche im Dorf lassen. Es ist ja nichts Verkehrtes, von einem Freund einen Kredit aufzunehmen. Es ist nichts Verkehrtes, von einem Freund auch als Politiker sich helfen zu lassen. Nur muss ein Politiker immer auch mit bedenken, wie die Aasgeier draußen herumstehen und versuchen, ihm eins auszuwischen. Das muss man als Politiker mit bedenken. Deswegen ist es klug, sich in solchen Fällen besser zurückzuhalten und solche Kredite nicht aufzunehmen.

    Armbrüster: Herr Geis, letzte Frage: Steht Christian Wulff ab jetzt unter verschärfter Beobachtung?

    Geis: Er steht als Bundespräsident immer unter verschärfter Beobachtung und er war als Ministerpräsident unter verschärfter Beobachtung gestanden. An diese Situation hat er sich längst gewöhnt. Jeder von uns, der in der Politik tätig ist, hat sich daran gewöhnt. Natürlich ist ein einfacher Abgeordneter wie ich nicht jetzt so dem Blick in der Öffentlichkeit ausgesetzt wie ein Bundespräsident. Also er steht unter verschärfter Beobachtung, diese Frage in dieser Formulierung, die möchte ich nicht so gelten lassen.

    Armbrüster: ..., sagt hier bei uns im Deutschlandfunk heute Morgen Norbert Geis, Rechtspolitiker der CSU. Besten Dank, Herr Geis, für das Gespräch.

    Geis: Jawohl! Ich danke Ihnen auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.