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Geistlicher Maler des Freskos

Mit seinen gigantischen Kuppelausmalungen in der Benediktinerabtei Ottobeuren und im Kloster Ettal setzte Johann Jakob Zeiller seiner Zunft im deutschsprachigen Raum ein Denkmal. Der Freskomaler aus Tirol verband wie kaum ein anderer die notwendigen künstlerischen Fertigkeiten mit einer außergewöhnlichen Frömmigkeit. Seine Kirchenkuppeln wirken wie der Transitraum auf dem Weg ins Jenseits.

Von Carmela Thiele | 08.07.2008
    Die Freskenmaler des Barock schufen den Himmel auf Erden. Sie malten ganze Kuppeln aus mit biblischen Gestalten und schwebenden Heiligenfiguren. Aus starker Untersicht konzipiert, stellte sich bei diesen Gemälden für die Gläubigen die Illusion ein, die Kirchenkuppel sei gar kein Dach, sondern ein Transitraum auf dem Weg ins Jenseits.

    Das war ganz nach dem Geschmack eines Zeitalters, in dem der Hang zur theatralischen Inszenierung die Kirche in eine Bühne verwandelt hatte. Experten auf diesem Gebiet waren die Italiener, doch brachen viele deutsche Künstler nach Rom auf, um dort deren Meisterwerke zu studieren. Auch der knapp 16-jährige Johann Jakob Zeiller aus Tirol pilgerte in die ewige Stadt. Acht Jahre hielt er sich in Rom und Neapel auf. Peter Johann Denifle kolportiert eine Anekdote über seinen späteren Lehrer:

    "Sein Fleiß in Besuchung der Akademie, sowohl in Rom wie in Wien, war nicht nur ungemein, sondern fast übertrieben, welches andere Künstler, selbst seine Landsleute bestätigten. Wenn junge Leute aus seinem Lande sich recht lustig machen wollten, und ihn nur von Ferne wahrnahmen, flüchteten sie sich vor seiner Annäherung, weil er jedem, der ein Schüler der Akademie war, als Landsmann eine tüchtige moralische Predigt hielt, und ihn zum Fleiß und guter Anwendung der Zeit ermahnte."

    Für Zeiller lohnte sich die Mühsal. Als er sich 1732 in Wien niederließ, konnte sich der Maler bald vor Aufträgen nicht mehr retten. Zunächst arbeitete er mit dem Wiener Freskomaler Paul Troger im Stift Altenburg zusammen. Es folgten Kirchen in Fürstenzell, Aldersbach, Oberammergau, Füssen und Fischingen. Der fromme Zeiller spezialisierte sich auf sakrale Bildaufgaben, für die eine rege Nachfrage bestand.

    Mächtige Klöster wie Ottobeuren und Ettal erneuerten im
    18. Jahrhundert ihre Gebäude im barocken Stil. Und eben dort hinterließ Zeiller seine monumentalsten Werke. Für die Klosterkirche Ettal schuf er ein 1300 Quadratmeter großes Fresko, das rund 400 Figuren zeigt. Hans Steinberger beschrieb 1912 in der Zeitschrift "Das Bayernland" euphorisch die "Glorie des Benediktinerordens":

    "Der Blick fliegt hinauf zum Farbenhimmel, mit welchem die riesige Kuppel prunkt. In dem mächtigen, 1752 vollendeten Rundgemälde schildert Zeiller die Gemeinschaft der in seliger Verklärung um die Dreifaltigkeit gescharten Heiligen. Die technisch meisterhafte, spielend leichte Beherrschung der Perspektive, die geschickte Gruppierung des plastisch hervortretenden Figurenreichtums (…) wird von der gewaltigen Schöpfung Tiepolos im Treppenhaus von Würzburg nur wenig übertroffen."

    Mit der Ausmalung der Kuppel in Ettal brach Zeiller alle Rekorde. Doch bedeutete ihm der pure Erfolg wenig. Den Titel des kaiserlichen Hofmalers, den er aus Gründen der unternehmerischen Unabhängigkeit angestrebt hatte, wies er wieder zurück, weil ihm das höfische Leben in Wien nicht behagte. 1755 kehrte er nach Reutte in Tirol zurück, wo er am 8. Juli 1708 geboren worden war.

    Ein Schülerkreis umgab den Junggesellen, der durchdrungen von christlicher Nächstenliebe kein Lehrgeld nahm und die jungen Männer auch nicht ausbeuterisch zu Hilfsarbeiten heranzog. Einer von ihnen war Peter Johann Denifle. Ihm verdankt die Nachwelt auch das Wissen um die Umstände des Todes Zeillers am 8. Juli 1783:

    "Die Erkältung verursachte ihm eine schmerzliche Krankheit, welche von dem Frescomalen und der Feuchtigkeit des Orts und des Kalks in seinen Körper schlug, so dass wohl zehn Ärzte nicht im Stande waren, ihm zu helfen. Die meisten gaben zwar Hoffnung zur Besserung und taten ihr möglichstes, um ihn herzustellen, allein vergebens."

    Der Freskomaler hatte sich auch im Alter nicht geschont und zahlreiche kleinere Kirchen ausgestaltet. Nach Zeillers Tod endete bald die Ära der theatralischen Barockmalerei, die schon längst Züge des heiteren Rokoko trug. Das Tafelbild gewann wieder an Bedeutung, die Zeit gigantischer Gesamtkunstwerke war vorbei.

    Johann Jakob Zeiller setzte sich und seiner Zunft mit den Kuppelfresken in Ottobeuren und Ettal ein Denkmal, ein nahezu anonymes freilich, wie es sich in aller Demut für einen Diener Gottes gehörte.