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Geldpolitik
Das Dilemma der Euro-Hüter

Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank soll den wirtschaftlich schwachen Staaten helfen. Doch die Niedrigzinsen bringen nicht nur Vorteile: Unternehmer fürchten sich vor Fehlinvestitionen, Geschäftsbanken nutzen das billige Geld angeblich zur Eigensanierung. Und Geldanlagen werfen für Sparer kaum noch was ab.

Von Michael Braun und Jannis Papadimitriou | 23.07.2014
    Euro-Skulptur vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main.
    Euro-Skulptur vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main. (picture alliance / dpa - Arne Dedert)
    Brainstorming auf Griechisch: Eine Team-Besprechung bei der Werbeagentur "Newtons Laboratory" im Athener Vorort Chalandri. Die Kreativen reden laut und gestikulieren viel bei hochsommerlichen Temperaturen. Geschäftsführer Stelios Zontos und seine Mitarbeiter entwickeln eine Online-Kampagne für eine Bank, die jüngere Zielgruppen ansprechen will. Banken haben derzeit nicht den besten Ruf in Griechenland und Zontos soll ihn für den Kunden aufbessern. Der Chef delegiert nur das Nötigste an seine Mitarbeiter, beobachtet alles genau. Er erkundigt sich persönlich nach dem letzten Stand, teilt Lob und Tadel aus, mischt kräftig mit.
    Die Wachsamkeit hat ihren Grund: Zontos trägt ein hohes Risiko. Im September 2011 hat er seinen gut bezahlten Job bei einer großen Werbeagentur an den Nagel gehängt. Dann machte er sich selbstständig - mitten in der Wirtschaftskrise. Zusammen mit zwei Geschäftspartnern investierte Zontos seine Ersparnisse in die neue Firma. Jeder gab satte 200.000 Euro. An Bankkredite war im Krisenjahr 2011 nicht zu denken.
    "Es war von vornherein klar, dass keine Bank bereit wäre, uns ein Darlehen zu geben. Damals sind wir, allen voran die Banken, durch das Tal der Tränen gegangen. Der ehemalige Zentralbankchef (Giorgos Provopoulos) brachte es neulich perfekt auf den Punkt: Es gab schlaflose Nächte, weil wir gar nicht wussten, mit welcher Währung wir aufwachen würden, sagte er. Genau so war es. Unter diesen Umständen käme ein Bankdarlehen nicht in Frage, zumal wir keinerlei Unternehmenserfahrung vorweisen konnten."
    "Bei einer Verzinsung von 9 Prozent kommt ein Darlehen nicht infrage"
    Und wie sieht es heute aus mit einem Kredit für den griechischen Unternehmer, drei Jahre nach der Gründung?
    "Unser Kapital sind die Menschen. Ich würde gerne mehr Leute einstellen und ausbilden. Zudem erwägen wir eine Expansion ins Ausland. Dafür braucht man Geld, doch bei einer Verzinsung von 9 Prozent kommt ein Darlehen gar nicht infrage. Bei 4 oder 4,5 Prozent könnte man darüber nachdenken."
    Dabei sollte es mittlerweile einfacher sein, an Geld zu kommen. Das zumindest ist das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Die hat ihren Zinssatz im Juni auf ein Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt. Und wenn eine Bank ihr Geld bei der EZB parkt, anstatt es zu verleihen, muss sie nun sogar Strafzinsen zahlen. Der Gedanke dahinter: Wenn die Banken billig an Geld kommen, sollten sie es ebenfalls zu günstigen Konditionen an Unternehmen weitergeben. Vor allem kleine und mittelgroße Betriebe im Süden könnten davon profitieren. Die haben bislang besonders darunter gelitten, dass ihnen kaum günstige Darlehen zur Verfügung stehen. Und auf sie kommt es an. Nur wenn die Unternehmen mehr investieren, kommen die Krisenstaaten langfristig wieder auf die Beine. Doch bislang scheint der Plan, Unternehmen mit Geld zu versorgen, nicht aufzugehen. Stelios Zontos hat eine Erklärung dafür:
    "Sämtliche griechische Unternehmen müssen erst einmal Darlehen aus früheren Zeiten umstrukturieren. Ich denke, dafür wird ein Großteil der billigen EZB-Kredite genutzt. Erst wenn die Umstrukturierung ihrer Altschulden gelingt, können Unternehmen in neue Wachstumsmöglichkeiten investieren."
    Das würde den Skeptikern recht geben. Die behaupten, dass auch die Geschäftsbanken das frisch gepumpte Geld lieber zur Eigensanierung nutzen. Schließlich steckten die selbst in einer kritischen Situation. Oder dass die Finanzminister der Krisenländer noch viel stärker von den EZB-Billigkrediten profitieren, indem sie künftig niedrigere Zinsen auf ihre Schuldenberge zahlen müssen. Für Unternehmen sind Kredite vor allem im Norden Europas billiger geworden, auch in Deutschland. Doch hier haben viele Unternehmer ein anderes Problem mit der Zinspolitik.
    Wer zu einem deutschen Maschinenbauer will, muss häufig raus aufs Land. Aus Handwerksbetrieben, kleinen Klitschen entstanden, viele seit Jahrzehnten in Familienbesitz, produzieren sie heute für den Weltmarkt, sitzen aber noch tief in der Provinz. In Hückeswagen zum Beispiel, im Bergischen Land, rund 40 Kilometer östlich von Köln. In der Peterstraße.
    Gut 100 der mehr als 900 Jahre Hückeswagener Stadtgeschichte hat die Firma Klingelnberg mitgeprägt. Gegenüber, den Hang hinaufgebaut, typische, schmale bergische Häuser, verschiefert, mit Dachgauben und weißen Holzfenstern.
    Diether Klingelnberg, Firmenchef der sechsten Generation, geht voraus in die Werkshalle. Er beschränkt sich mittlerweile auf den Aufsichtsratsvorsitz. Sein Sohn führt den Betrieb von der Schweiz aus, der Erbschafts- und Vermögensteuer wegen. Von den rund 1.100 Beschäftigten arbeiten 650 in Hückeswagen.
    "Hier, auf dem Horizontalbohrwerk werden Maschinenbetten bearbeitet. Da werden die ganzen Bohrungen, die ganzen Löcher, die ganzen Gewinde geschnitten, und dies möglichst komplett, dass praktisch möglichst wenig aufgespannt werden muss und dass möglichst dieses Werkstück in einer Aufspannung fertig bearbeitet wird."
    "Kaum Zinsen für die Guthaben"
    Heraus kommt eine Zahnradfräsmaschine. Die fräst sogenannte Kegelräder - Zahnräder, die die Kraft einfach gesagt um die Ecke herum übertragen. Die Autoindustrie braucht die für ihre Getriebe, besonders für den Allradantrieb.
    "Für diese kleinen ist die Autoindustrie der größte Abnehmer. Es gibt auch eine größere. Die ist für den LKW, für Busse, aber auch für den allgemeinen Getriebebau. Und wenn Sie dann noch größer werden, sind es Schiffsantriebe, Stahlwerksantriebe, Bugstrahlruder, Eisbrecher und Spezialschiffe zur Versorgung der Erdölbohrinseln, wo wir unsere Zahnräder einsetzen. Diese Maschinen werden praktisch auf der ganzen Welt geliefert. Und wir haben einen Marktanteil auf der Welt von über 60 Prozent."
    Ein Planeten-Radlager
    Mittelständler wie Maschinenbauer Klingelnberg profitieren nicht von den Niedrigzinsen. (picture alliance / dpa)
    Der Senior von Anfang 70 hat die Präsidentschaft im Maschinenbauverband, die Vizepräsidentschaft im Bundesverband der deutschen Industrie und manchen Rotwein mit Gerhard Schröder hinter sich. Mit 25, damals mit dem Studium noch nicht fertig, musste er in die Firma, hat den Umsatzanteil (mit der Autoindustrie) von acht auf bis zu 70 Prozent gesteigert. Mit der Zunahme von Autos mit Vierradantrieb stieg die Nachfrage nach Fräsmaschinen. Der Export läuft gut, angetrieben durch neue Autofabriken in China, den Vereinigten Staaten und neuerdings Mexiko. Alles spürbar in den Zahlen des Hückeswagener Maschinenbauers?
    "Wir haben ein ordentliches Vermögen in der Firma. Wir haben auch mehr Guthaben als Kredite. Wir kriegen natürlich für die Guthaben heutzutage kaum Zinsen. Wir zahlen natürlich auch für die Kredite weniger. Aber insgesamt wird damit der Faktor Kapital zu billig, was leicht zu Fehlinvestitionen führt."
    Das ist die Kehrseite der niedrigen EZB-Zinsen: Konservative Geldanlage wirft deutlich weniger ab. Das trifft neben den klassischen Sparern auch solide finanzierte Unternehmen wie Klingelnberg. Ihm hilft das billige Geld kaum, es stört eher. Das geparkte Vermögen des Unternehmens bringt nicht viel ein.
    "Wir haben das Geld angelegt größtenteils in Euro und legen es an bei den Banken in relativ sicheren, langfristig guten Papieren. Oder aber auch in Festgeld. Nur: Viel Geld dafür bekommen wir im Augenblick nicht. Und große Risiken gehen wir mit Firmengeldern nicht ein."
    "Niedrigzinsen der EZB werden Euroraum keine neuen Impulse geben"
    Schließlich sei das Geld nicht zum Spekulieren da, sondern zum Investieren. Vor allem Mittelständler, die für die Pensionen ihrer Mitarbeiter Geld zurückgelegt haben, spüren die niedrigen Zinsen. Hier steckt ein Dilemma der europäischen Zinspolitik. Sie soll der Konjunktur der südeuropäischen Staaten auf die Beine helfen, die von der Krise im Euro-Raum besonders geschüttelt wurden. Deshalb hat EZB-Chef Mario Draghi den Zins im Juni noch einmal gesenkt. Das ist aber nicht im unmittelbaren Interesse derer, die für ihr angelegtes Geld Zinsen sehen wollen. Entsprechend harsch ist die Reaktion der betroffenen Branchen: Uwe Fröhlich, Präsident des genossenschaftlichen Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken, war selbst lange Kreditvorstand einer Bank.
    "Auf die im Juni beschlossenen geldpolitischen Maßnahmen hätte die EZB besser verzichtet. Die Wirksamkeit weiterer Lockerungsschritte ist zweifelhaft: Weder die im Juni beschlossene Leitzinssenkung noch der negative Einlagenzins oder die neuen Langfristrefinanzierungsgeschäfte werden den geschwächten Volkswirtschaften im Euroraum wesentliche neue Impulse geben."
    Auch die Bundesbank steht dem EZB-Kurs kritisch gegenüber. Würde Deutschland eigenständig Geldpolitik betreiben, sähe sie anderes aus, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Er ist auch Ratsmitglied der EZB. Da Deutschland Teil der Währungsunion sei, müssten die geldpolitischen Entscheidungen am gesamten Währungsraum ausgerichtet werden. Das ist das Problem des Euroraums.
    "Nichts im Leben ist ideal, auch der Euroraum ist kein idealer Währungsraum,"
    sagt Holger Schmieding, der Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Es sei schwierig, die aktuellen Spannungen auszugleichen, die durch die gemeinsame Währung entstehen. Daraus dürfe man aber nicht folgern, dass Europas Staaten ohne den Euro besser zurechtkämen.
    "Ich glaube, wir haben eine sehr gute Basis in der Eurozone für mehr Wirtschaftswachstum. Wir sind ja dabei, unter dem Zwang der Krise, Land für Land, Reformen durchzuziehen. Der Euro zwingt uns zu Reformen, weil er es nicht mehr erlaubt, sich durch eine einfache Abwertung kurzfristige Vorteile zu verschaffen. Insgesamt sind mit wir mit dem Euro und den Reformen in Randeuropa auf dem richtigen Wege. Den Euroraum aufzulösen, wäre eine Katastrophe."
    Eine neue Ära im Kampf gegen die Euro-Krise
    Die EZB-Politik ist nicht allein ein Konjunkturprogramm für den Süden. Im Kern soll der niedrige Zins den Geldwert stabil halten. Das ist die rechtlich festgelegte Verpflichtung der Notenbank. EZB-Chef Draghi macht die niedrige Inflation in der Eurozone Sorgen. Ein sinkendes Preisniveau droht Wachstum und Beschäftigung zu zerstören.
    "Vergessen Sie nicht: Unser oberstes Ziel ist Preisstabilität. Wir sind bemüht, bei Wahrung dieses Ziels das Geld aus den Banken als Kredit in die Realwirtschaft, in die Unternehmen fließen zu lassen. Die Essenz ist, die privaten produzierenden Unternehmen mit Krediten zu versorgen."
    Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), äußert sich am 05.06.2014 während der EZB-Pressekonferenz in Frankfurt am Main (Hessen) vor Journalisten.
    Mario Draghi: "Wir werden alles tun, um den Euro zu retten." (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
    Schon einmal hatte Draghi eine markante Entscheidung getroffen und damit Spekulationen über den Zusammenbruch der Währungsunion ein Ende bereitet. Vor zwei Jahren kündigte er in London an, die Zentralbank werde alles in ihrer Macht Stehende tun, um den Euro zu retten. Und glauben Sie mir, hatte er noch hinzugefügt: Es werde reichen.
    "And believe me: It will be enough."
    Von da an traute sich niemand mehr, gegen den Euro zu spekulieren. Soviel Geld, wie eine Zentralbank drucken kann, kann ein Spekulant gar nicht aufbieten. Die EZB begleitete diese aggressive Politik nicht nur mit sinkenden Zinsen. In Draghis Amtszeit seit November 2011 gingen sie von 1,5 auf die heutigen 0,15 Prozent zurück. Zudem zeigte die EZB Bereitschaft, Anleihen schlingernder Euro-Staaten aufzukaufen. Das sicherte deren Finanzierung im Notfall, ist aber politisch und juristisch umstritten. Draghis Bedingung dabei war, dass sich solche Staaten unter den europäischen Rettungsschirm stellen - verbunden mit harten Spar- und Reformauflagen. Die EZB-Politik habe eine neue Ära im Kampf gegen die Euro-Krise eingeläutet, lobt Panagiotis Petrakis, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Athen.
    "Endlich geschieht das, was wir schon immer wollten: Die EZB dient quasi als Kreditgeber in letzter Instanz. Ihre niedrigen Zinsen sorgen dafür, dass die Preise für Kreditabsicherungen fallen und die Krisenländer sich frisches Geld zu günstigen Konditionen beschaffen. Erst wenn der Staat günstiger an Geld kommt und dadurch das Krisenrisiko wegfällt, werden auch die Unternehmen Sicherheit bekommen und neue Kredite aufnehmen."
    Unternehmen trauen den Krediten nicht
    Bislang sind die Zahlen zur Kreditvergabe allerdings ernüchternd. Insgesamt vergaben die Geldhäuser in der Eurozone im Mai sogar zwei Prozent weniger Darlehen als im Vorjahresmonat. Offenkundig wirkt die EZB-Politik bisher nicht wie gewünscht. Reinhard Cluse, Chefvolkswirt der UBS Europa, meint sogar, sie wirke an der falschen Stelle. Er beobachtet,...
    "...dass die EZB-Geldpolitik insbesondere im Kern von Europa, der gesund ist, wirkt, wohingegen die lockere Geldpolitik in der Peripherie, also in den südeuropäischen Staaten, wo vieles noch im Argen liegt, weniger gut ankommt. Das hat damit zu tun, dass viele Banken in diesen Ländern nach wie vor mit ihren eigenen Problemen kämpfen und auch dem Kreditrisiko, das insbesondere kleine und mittlere Unternehmen darstellen, nicht trauen und deswegen Kredite nicht vergeben wollen."
    Auch die griechische Regierung bezweifelt, dass die Banken ihr Soll erfüllen: Vize-Finanzminister Christos Staikouras forderte die Geldinstitute des Landes in aller Öffentlichkeit auf, die Unternehmen mit ausreichend Geld zu versorgen. Wenige Tage später kündigte die National Bank (NBG) an, ab dem 1. Juli ihren Zinssatz für Unternehmenskredite um 0,35 Prozent zu senken. Griechenlands älteste und größte Bank machte damit einen bescheidenen Anfang. Allerdings seien nicht nur Regierungen und Banken, sondern auch die Unternehmer selbst gefordert, mahnt Professor Panagiotis Petrakis von der Universität Athen.
    "Wir machen uns ständig Gedanken über die Angebotsseite, nämlich die Frage, ob Banken neue Kredite ausgeben. Dabei vernachlässigen wir doch die Nachfrageseite: Wollen die Unternehmen Kredite überhaupt aufnehmen? Ich fürchte, nein. Das ist kein rein griechisches, sondern ein gesamteuropäisches Problem."
    Aber besonders in Ländern wie Griechenland wagt es kaum jemand, Liquiditätsprobleme durch die Aufnahme neuer Kredite zu lösen. Obwohl die internationalen Geldgeber 50 Milliarden Euro in die griechischen Geldinstitute gesteckt haben, liegen die aktuellen Zinsen für Unternehmenskredite im Schnitt immer noch bei knapp 6 Prozent. Dass die Geldhäuser noch so zugeknöpft sind, hat mehrere Gründe. Viele sitzen auf gewaltigen Kreditausfällen, vor allem durch faule Unternehmenskredite. Im Frühjahr waren es rund ein Drittel der ausgegebenen Darlehen, die seit über 90 Tagen nicht mehr bedient worden waren. Zudem sind in der Krise die Einlagen bei den Banken geschrumpft. So besteht zwischen den Einlagen bei der Bank und den ausgegebenen Krediten ein gewaltiges Missverhältnis.
    Verleitet billiges Geld zu Fehlinvestitionen?
    Auch der griechische Werber Stelios Zontos setzt weiterhin auf eigene Kraft. Sein jüngster Coup: Wahlspots für Sponsoren der griechischen Fußball-Nationalmannschaft. Die liefen während der WM im Fernsehen und bescherten ihm eine Menge Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit kann er gut gebrauchen und mehr noch zahlungskräftige Kunden. Er weiß, warum er und seine Partner das Geschäft bei der Gründung auf solide Füße gestellt haben. Mit dem hohen Startkapital wollten sie nicht nur Anfangsinvestitionen und laufende Kosten decken. Sie wappneten sich damit auch gegen Zahlungsrisiken. Denn gerade in Krisenzeiten dürfe man nicht zu gutgläubig sein, sagt Zontos. Eine eigene finanzielle Rücklage sei in diesem Fall unverzichtbar.
    "Heutzutage zahlt praktisch niemand bei Lieferung. Ab Rechnungsstellung vergehen im Schnitt acht Monate, bis du dein Geld bekommst. Natürlich führt diese Verzögerung zu einem ernsthaften Cashflow-Problem."
    Seine Mitarbeiterzahl hat Zontos in den vergangenen drei Jahren verdoppelt. 72 Leute arbeiten heute für ihn. Dass sich die EZB mit billigem Geld gegen die Krise stemmt, findet er im Prinzip richtig und nützlich. Er denkt darüber nach, die Firma weiter zu vergrößern, auch mithilfe von Bankkrediten. Aber dafür müssten die Zinsen weiter sinken. Für Diether Klingelnberg, den Maschinenbauer aus Hückeswagen, der mit seinen Fräsmaschinen die ganze Welt beliefert, ist das weniger wichtig.
    "Für uns ist das nicht eine Frage der Zinsen, sondern für uns ist das eine Frage der Märkte. Wenn ein großer Bedarf sich irgendwo auftut, werden wir mühen, uns den zu sichern und werden auch dann investieren. Das ist relativ unabhängig von den Zinsen. Aber ich glaube, wenn die Zinsen steigen, werden einige Spieler Probleme kriegen."
    Da wird der Mittelständler ganz staatstragend. Denn er fürchtet, das billige Geld werde nicht sinnvoll genutzt, verleite zu Fehlinvestitionen, gar Passivität in der Politik:
    "Wir leben heute gut und wälzen die Risiken auf die nächste Generation und die übernächste Generation durch unsere Verschuldung. Wir lösen nicht die Energiefragen in Deutschland. Wir lösen nicht die Altersstruktur in Deutschland. Wir haben also viele Fragen, die nicht gelöst werden und die den Unternehmer vorsichtig sein lassen."