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Geldpolitik
Debatte über Niedrigzinspolitik

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann halten die öffentliche Debatte über die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für gerechtfertigt. Dabei handele es sich aber keineswegs um Angriffe auf die Unabhängigkeit der Institution, betonte Schäuble am Rande Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Von Theo Geers | 16.04.2016
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (re.) und der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, nach dem IWF-Frühjahrstreffen in Washington.
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (re.) und der Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, nach dem IWF-Frühjahrstreffen in Washington. (dpa / picture alliance / Shawn Thew)
    Wolfgang Schäuble kommt voran bei seinem Vorstoß, nach der Veröffentlichung der Panama-Papers die Hintermänner von Briefkastenfirmen und ominösen Trusts und Stiftungen offenzulegen. Nun unterstützen die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer – kurz G20 – diese Initiative.
    Die "wirtschaftlich Begünstigten", die hinter solchen Briefkastenfirmen stehen, sollen künftig erkennbar sein. Dies sei entscheidend, um den Missbrauch solcher Konstrukte für Korruption, Steuerbetrug, Terrorfinanzierung und Geldwäsche zu verhindern. So steht es in der Erklärung der G20-Finanzminister und damit ist das Thema für die Zukunft gesetzt.
    Deutschland, das im kommenden Jahr den G20-Vorsitz übernimmt, will, dass schnell mehr Länder hinzustoßen, doch ein Problem sind dabei die USA: Denn mit dem kleinen Bundesstaat Delaware haben sie selbst eine Steueroase, die von Ausländern gern genutzt wird, weil der Informationsfluss von dort in ihre Heimatländer eher dürftig ist. Andererseits braucht Schäuble die USA für seinen Kampf gegen Briefkastenfirmen. Schon wegen ihrer schieren Größe, mit der sie Druck auf andere Länder ausüben können, die Briefkastenfirmen bislang eine Heimatadresse bieten. So windet sich der Finanzminister, als er auf die Sonderrolle der USA angesprochen wird.
    "Sie machen es für sich dann wieder ein bisschen anders, und dann doch und damit kommen wir dann eigentlich doch ganz gut voran. Die Amerikaner geben ihre Informationen auch, aber vielleicht in einer anderen Weise. Das ist vielleicht nicht 100 Prozent, aber better than nothing."
    Den Partner zu schonen und gleichzeitig auf Besserung zu hoffen – das ist Schäubles Maxime auch beim Thema Niedrigzinspolitik. Partner wie Ziel der Kritik ist hier die EZB mit ihrer Null-Zins-Politik. Deren Nebenwirkungen auf Sparer, auf Banken, auf die Altersvorsorge, auf Riester-Renten oder Lebensversicherungen verunsichern – nicht nur Politiker, sondern zunehmend auch Bürger und Wähler.
    Kritik ist kein Angriff auf die Unabhängigkeit der EZB
    Bundesbankpräsident Jens Weidmann weiß um diese Nebenwirkungen, und obwohl er selbst EZB-Präsident Draghi oft kritisiert hat, sieht sich diesmal gezwungen, diese ultralockere Geldpolitik zu verteidigen. Sie sei angesichts der niedrigen Inflationsaussichten und der Unsicherheiten im Euroraum angemessen:
    "Die Lage im Euroraum unterscheidet sich eben von der in Deutschland, die klar günstiger einzuschätzen ist."
    Doch der Finanzminister hält dagegen. Wenn derzeit viele alte Renditeversprechen zerplatzen, weil angesparte Guthaben etwa bei Lebensversicherungen bei Null Prozent Zinsen nicht mehr wachsen, dann sieht Wolfgang Schäuble schon Diskussionsbedarf.
    "Der entscheidende Punkt ist ja, man darf Hinweise auf schwierigen Auswirkungen der schwierigen geldpolitischen Situation derzeit in Deutschland nicht verwechseln mit einer Kritik an EZB oder gar mit Angriffen auf ihre Unabhängigkeit."
    Heißt übersetzt: Aus Sicht Schäubles reagiert die Notenbank – gemeint ist konkret Mario Draghi – reichlich dünnhäutig auf die immer bohrender werdenden Fragen nach den Folgen seiner Zinspolitik. Druck kommt auch deshalb auf, weil nicht die EZB, sondern die Politik das wachsende Unbehagen an der Null-Zins-Politik zu spüren bekommt – in Form sinkender Umfragewerte für etablierte Parteien und steigender Werte für Protestparteien wie die AfD. Doch Weidmann lässt auch diesen Ansatz nicht gelten:
    "Wir müssen unsere geldpolitischen Entscheidungen am Mandat der Preisstabilität ausrichten und dürfen uns nicht daran ausrichten, welche potenziellen Auswirkungen das auf die politische Landschaft hat."