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Gemeinsam die Energiewende schaffen

Die Energieversorung liegt in Deutschland bisher in der Hand weniger großer Konzerne. Doch immer mehr Bürger schließen sich hierzulande zu Energiegenossenschaften zusammen und wollen damit die Energiewende aus eigener Kraft vorantreiben.

Von Dieter Nürnberger | 19.07.2012
    Ein Stichwort der Energiewende in Deutschland heißt ja auch Dezentralität – und hier gibt es in der Tat zuerst einmal einen regelrechten Boom in Deutschland zu beobachten: Derzeit, das zeigt eine Umfrage des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbandes, engagieren sich bereits rund 80.000 Bürger hierzulande in solchen Energiegenossenschaften.

    Das heißt, sie halten Anteile an gemeinschaftlich betriebenen Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung. Die meisten Energiegenossenschaften sind noch jung, im Schnitt 2 bis 3 Jahre, und seit 2008 hat die Anzahl in Deutschland enorm zugenommen. Waren es einst nur einige Dutzend Genossenschaften, sind es heute bereits rund 500. Klar ist: Es muss hier viel investiert werden, es geht um Milliardensummen im Großen, und da mag es verwundern, dass solche kleinen Genossenschaften überhaupt eine Rolle spielen können. Eckhard Ott ist Vorstandsvorsitzender des Raiffeisenverbandes.

    "Es hat mit der Grundidee der Genossenschaften zu tun: was einer alleine nicht kann, dass viele gemeinsam. Dieses Prinzip gibt es schon rund 150 Jahre, und es gilt auch für die Energiegenossenschaften. Man muss auch sehen, dass die Genossenschaft einfach die Möglichkeit ist, die Energiewende für die Menschen vor Ort erfahrbar zu machen. So, dass diese auch akzeptiert wird. Wer selbst mittut, Hand anlegt, ist auch eher bereit umzusteigen."

    Die hiesige Energieversorgung ist ja derzeit überwiegend noch in der Hand weniger großer Energiekonzerne, doch die kleinen Genossenschaften wollen das ändern. Beispielsweise die Genossenschaft "Neue Energien West". Hier haben sich 16 Städte und Gemeinden im Landkreis Neustadt an der Waldnaab in Bayern zusammengetan. Gleichzeitig wurde auch eine Bürgergenossenschaft West gegründet, mit inzwischen über 900 Mitgliedern. Das Ziel: eine eigene Energieversorgung ohne fossile Brennstoffe bis 2030. Helmut Amschler vom Aufsichtsrat der "Neue Energien West".

    "Die Bürger wollen auf Dauer bezahlbare Energie bekommen. Sie wollen regional Energie erzeugen und somit Verantwortung übernehmen. Und die Kommunen wollen die Energieversorgung mittelfristig rekommunalisieren."

    52 Prozent der Haushalte in der Region beziehen schon heute ihren Strom aus Photovoltaik-Anlagen. Und die Bürger haben investiert: Der verkauf von Genossenschaftsanteilen brachte eine Summe von rund 8,6 Millionen Euro zusammen. Der Grundstock für Investitionen in Solarparks - oder eben auch in Photovoltaik-Anlagen auf Schulen, Sporthallen, Kläranlagen etc. Damit liege diese Genossenschaft voll im Trend, sagt Raiffeisen-Vorstand Eckhard Ott.

    "Investiert wird vor allem im Bereich der Photovoltaik. Hier sind die allermeisten der rund 500 Energiegenossenschaften unterwegs – die im Bereich der erneuerbaren Energien in Deutschland wirtschaften."

    Im Landkreis Neustadt ist nun aber auch die Nutzung von Windenergie oder Nahwärmenetzen ein Zukunftsthema. Der Grundstock für Investitionen ist das Geld der Bürger, sicherlich auch die Erlöse aus der Einspeisevergütung für regenerativen Strom. Und zur konkreten Planung und Finanzierung der Projekte kommen dann die Genossenschaftsbanken vor Ort ins Spiel. Helmut Amschler.

    "Wir nehmen Kredite nur von regionalen Geldinstituten. Nicht von Großbanken. Die regionalen Institute schaffen bei uns Arbeitsplätze, sie bilden aus und sie zahlen Gewerbesteuer. Also: Nachhaltigkeit, Wertschöpfung und die Erträge bleiben in der Region."

    Und das Ganze scheint sich zu lohnen: So weist die "Neue Energien West" eine Rendite für 2011 von 3,8 Prozent aus, plus einem Bonus von 0,5 Prozent.

    Mitunter können sich die Bürger in den Energiegenossenschaften schon mit kleinen Beträgen auch unter 100 Euro beteiligen. Die Agentur für Erneuerbare Energien hat ausgerechnet, dass in den letzten Jahren rund 800 Millionen Euro investiert wurden. Zum Wohle vieler, sagt Geschäftsführer Philip Vohrer.

    "Das sind Beträge um die 10 Milliarden Euro im Jahr, die da in den Kommunen durch Investitionen, durch den Betrieb von Anlagen mit erneuerbaren Energien und auch durch Einkommen der dort Beschäftigten erwirtschaftet werden."

    Bürger, Kommunen und die lokale Wirtschaft arbeiten bei den Energiegenossenschaften somit Hand in Hand. Die heute vorgestellte Studie zeigt, dass eine Energiewende im Kleinen durchaus auch gelingen kann.