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Gemeinsam erfolgreicher

Biologie. - Madagaskar ist für seine einzigartige Tierwelt berühmt. Auf der vor Ostafrika gelegenen Insel leben nicht nur die Lemuren, die einzigartigen Halbaffen, sondern auch deren Feinde, die ebenso seltenen Fossas. Diese Raubtiere, die an einen kleinwüchsigen Puma erinnern, sind alles andere als typische Einzelgänger. Schließen sich Männchen zusammen, werden aus Kontrahenten Partner. Und: beide Seiten profitieren von dieser Kooperation, was sich nicht nur deutlich an ihrem Gewicht ablesen lässt.

Von Michael Stang | 22.12.2011
    Die größten Raubtiere Madagaskars haben Mia-Lana Lührs von dem Tag an fasziniert, als sie zum ersten Mal ein Exemplar dieser so genannten "tiefer gelegten Pumas" gesehen hatte. So wurden Fossas zum Thema ihrer Doktorarbeit, die sie bald an der Universität Göttingen einreichen wird. Zwar erreichen Fossas nur die Schulterhöhe eines Fuchses, dennoch können sie von Kopf bis Schwanzspitze 1,5 Meter lang werden. Für ihr Dissertationsprojekt hat die Biologin das Sozialsystem dieser Raubkatzen erforscht, an der Feldstation des Deutschen Primatenzentrums in Madagaskar. Täglich zog sie in den Wald, beobachtete die Tiere, fing die Fossas regelmäßig mithilfe von Fallen, um sie mit Sendern auszustatten und Haarproben für weitere Untersuchungen zu nehmen. Nach wenigen Wochen bemerkte Mia-Lana Lührs, dass manche Männchen sozial, also in Paaren oder Trios unterwegs sind, während andere als Einzelgänger umherstreifen.

    "Ich habe anfangs gedacht, es gibt einfach einen Altersunterschied und dann habe ich aber mehr und mehr Tiere gefangen. Und immer wieder zog sich dieses Muster durch, dass die Einzelgänger sehr klein waren und die assoziierten Männchen sehr groß."

    Alsbald zeigte sich, dass diese Fossateams viel größere Beute jagen können als ein einzelnes Tier. So haben auch ausgewachsene Lemuren keine Chance gegen verbündete Raubtiere. Die Einzelgänger müssen sich mit kleinerer Beute zufrieden geben, gegen einen aufgebrachten Halbaffen könnten sie nicht bestehen. Auf lange Sicht bedeutet das, dass Einzelgänger nur rund sechs Kilogramm auf die Waage bringen, assoziierte Männchen hingegen locker zehn Kilogramm. Genetikuntersuchungen zeigten, dass die meisten Pärchen verwandt, sprich Brüder, sind. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, sagt Mia-Lana Lührs.

    "Ich hatte aber auch einen Fall, dass es einmal zwei nichtverwandte Tiere waren und das ist natürlich ein besonders spannender Fall, weil gerade wenn es dann um die Konkurrenz um die Weibchen geht, wird es natürlich spannend, wie die das denn hinbekommen, weil sie dann ja plötzlich Konkurrenten sind. Dann möchte ja jeder seine Gene in die nächste Generation bringen und wenn das nicht der Bruder ist, mit dem man da konkurriert, sondern wirklich ein nichtverwandtes Männchen, dann würde man eben erwarten, dass es dann problematisch wird."

    Eine weitere Besonderheit hier sei, dass eins der beiden Männchen der jüngere Bruder eines weiteren Pärchens ist. Vermutlich wurde er dort vertrieben, hatte aber durch seine Brüder eine soziale Kompetenz erworben, die diese Freundschaft mit einem nichtverwandten Männchen erst ermöglichte. Während der Beobachtungen verbrachten diese beiden Fossas fast die ganze Zeit miteinander, oft im engen Körperkontakt und zeigten soziales Verhalten wie das Fell des Gegenübers zu lecken. Auch konnte Mia-Lana Lührs nie Aggressionen zwischen beiden beobachten. Daher gerieten diese Partner auch nicht in Streit, als es um das Abstecken der Hierarchie ging, etwa bei der Klärung der Frage, wer zuerst Zugang zu einem Weibchen bekommt. Bei diesem Pärchen wurde die Rangfolge durch das Gewicht bestimmt, so wie es auch bei Brüdern innerhalb eines Pärchens oder Trios der Fall ist.

    "Der etwas schwerere von beiden ist auch dominant über den anderen und der dominante Partner wird immer anfangen mit der Paarung. Und ehrlich gesagt ist es dann letztlich die Müdigkeit und Erschöpfung, die dann darüber entscheidet, wann der zweite darf."

    Das kann sich bei Fossas jedoch in die Länge ziehen. Paarungen über mehr als zehn Stunden am Stück sind keine Seltenheit. Sobald der eine Partner fertig ist, wird gewechselt. Je länger eine Paarung dauert, desto größer sind die Chancen, dass dieses Männchen seine Gene erfolgreich weitergibt. Einerseits hält es die Konkurrenz auf Distanz, zum anderen gibt es mehr Spermien ab. Aber auch wenn sich ein Männchen erfolgreich mit einem Weibchen verpaart und die Rivalen fernhält, befindet es sich stets in einer Zwickmühle, so Mia-Lana Lührs.

    "Wobei Männchen dann auch gleich wieder das Problem haben, dass da ja auch andere Weibchen im Wald sind, die auch noch warten und die sich auch noch mit anderen Männchen verpaaren werden. Und dann müssen die Männchen natürlich auch irgendwann die Entscheidung treffen, dass sie sagen: 'OK, ich habe jetzt hier 18 Stunden dieses Weibchen blockiert, jetzt gehe ich mal weiter zum nächsten.' Und dann wissen sie natürlich auch, dass das Weibchen sich noch weiter verpaaren wird, aber vielleicht kriegen sie trotzdem den Vorteil in der Spermienkonkurrenz."

    Denn auf diesen Wettstreit im Körper des Weibchens haben die Männchen keinen Einfluss, egal ob sie ein leichter Einzelgänger sind oder ein schwergewichtiges Mitglied eines Fossa-Doppels oder -Trios.