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Gemüse statt Pommes, Fisch statt Burger

Viele Kinder essen lieber Fritten und Hamburger als Zucchini oder Weißkohl. In der Mensa ihrer Schule werden sie mit diesen Wünschen oft fündig. Ernährungstherapeuten wollen das ändern und gesundes Essen zum Erlebnis machen.

Von Thomas Wagner | 29.04.2013
    Sven Bach aus Horb im Schwarzwald ist Ernährungstherapeut und arbeitet mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zusammen.

    "Also wir hatten vor eineinhalb Jahren mal einen Test. Hier in Stuttgart haben wir Schulessen getestet. Und da gab's dann mal so Sachen aus dem Silbertrog: Spätzle mit Saitenwürstchen. Und die Saitenwürstchen waren schön aufgeplatzt, haben schön nach Essig geschmeckt. Und die Spätzle waren total eklig und mehlig."

    So sieht die Wirklichkeit zwar nicht in allen, aber in vielen Schulmensen Deutschlands aus. Sven Bach weiß auch, warum das so ist:

    "Ganz kritisch sehe ich einfach, dass zu wenig Geld in die Hand genommen wird. Was viele Schulen immer noch haben, dass man den billigsten Anbieter sucht. Da haben sie natürlich immer so die Grundsachen: irgendwelche Soßen aus der Büchse oder irgendwelche Büchsengrundlagen oder auch irgendwelche Beilagen oder Reis oder Nudeln, weil man das relativ günstig bekommt. Wenn sie auf das Fleisch geht, dann kann da nicht mehr viel hängen bleiben. Da wird das umso kritischer. Das ist ja auch das Thema, warum wir diese ganzen Lebensmittelskandale immer schüren."

    Schuld daran seien nicht nur die Caterer, die Schulmensen betreiben, sondern auch Schulträger wie Städte, Gemeinden und Landkreise mit ihren Kostenvorgaben von manchmal unter zwei Euro pro Mahlzeit. Doch selbst wenn Ebbe in den Kassen der Schulträger herrscht, muss das, was auf den Tisch der Schul-Mensa kommt, nicht immer schlecht sein, meint Professor Hans-Peter Grimm, Geschäftsführer der Sektion Baden-Württemberg der Deutschen Gesellschaft für Ernährung:

    "Eine gesunde Schulverpflegung ist nicht immer eine Geldfrage. Aus unserer Sicht ist eine gesunde Ernährung eine, die nur zwei Mal die Woche Fleisch enthält. Dadurch sparen sie Kosten: Es wird immer Tage geben, wo sie günstig kochen können und wo sie teurer kochen können. Das heißt: Wenn sie einen Speiseplan umstellen von vier Mal die Woche Fleisch auf zwei Mal die Woche Fleisch, dann haben sie schon mal sehr viel Luft für Gemüse etcetera."

    Doch viele Schul-Catering-Unternehmen seien von solch einer intelligenten, nachhaltigen Speisefolge, die trotzdem nicht allzu teuer ist, noch weit entfernt. Und auch das hat seinen Grund: Bundesweit gibt es so gut wie keine standardisierten Vorgaben, an die sich solche Lieferanten von Schulverpflegung halten müssen. Hans-Peter Grimm von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung fordert deshalb, ...

    "... die Zusammenstellung des Speiseplans, die Vielfalt und vor allem die bewusste Auswahl von Lebensmitteln nach gewissen Schemata, damit dieses Zufallsprinzip wegfällt: Heute hat der Koch gute Laune und heute gibt es gesundes Essen. Und morgen gibt es ein schlechtes Essen. Das ist de facto schlecht. Man muss planen. Und diese Planung muss sich an gesunder Ernährung orientieren."

    Doch selbst dann, wenn aus Sicht der Ernährungswissenschaftler gutes Essen nach einem ausgewogenen Speiseplan serviert wird, ist das nur die halbe Lösung des Problems: So gesund das auch alles sein mag - viele Kinder zieht's trotzdem zur Pommesbude um die Ecke oder ins Fast-Food-Restaurant, statt in die Mensa. Hier wurden in Stuttgart verschiedene Lösungsstrategien diskutiert. Sandra Müller aus dem baden-württembergischen Salach ist Diätassistentin und für die DGE so genannte "Praxisbegleiterin Schulverpflegung". Sie fordert: Die Schul-Mensa muss als Begegnungs- und Erlebnisraum aufgewertet werden. Dann schmeckt's dort auch besser als an der Fast-Food-Theke.

    "Durch Aktionen kann man gut Kinder auf irgendwelche neuen Speisen neugierig machen. Eine gute Aktion ist der Tag der Schulverpflegung, muss man sagen: Da gab's auch mal einen Döner. Dann gab's auch schon Hamburger, was ja an sich nicht schlecht ist: Daneben ist die Schule involviert mit dementsprechenden Lehrplänen. Sie lernen in der Schule: Was ist gesundes, was ist abwechslungsreiches Essen. Und die Mensa ist der praktische Übungsplatz sozusagen."

    Das läuft darauf hinaus, das Thema 'Ernährung' verstärkt in den Unterricht zu integrieren - in der Hoffnung, dass die Schüler dann automatisch auch die Nachteile von zu viel Burger und Pommes erkennen. Hans-Peter Grimm kommt auf ein Projekt zu sprechen, das noch einen Schritt weiter geht: Mensa als Lernort.

    "Das heißt: Wir streben an, dass in Schulen im Rahmen eines Praktikums jeder Schüler mal zwei bis drei Wochen regelmäßig in der Mensa mitkocht, um letztlich zu erfahren, was da gemacht wird."

    Schließlich haben sich die Anbieter von Schulverpflegung auch auf die unterschiedlichen Ethnien und Religionszugehörigkeiten der Schüler einzustellen. Muslime beispielsweise dürfen, so gebietet es ihr Glaube, kein Schweinefleisch essen - auch nicht in der Schule. Susanne Nowitzki-Grimm von der baden-württembergischen Vernetzungsstelle Schulverpflegung, angesiedelt beim baden-württembergischen Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucherschutz:

    "Also als Allererstes ist es mal wichtig, dass man im Speiseplan kennzeichnet, welche Fleischsorte angeboten wird, sodass das Angebot transparent ist. Dann ist es so, dass die Caterer immer eine Alternative zum Schweinefleisch haben. Also entweder gibt es dann Putenfleisch oder vegetarisch."

    Hier wäre es allerdings nach Ansicht der Experten wünschenswert, wenn die Caterer dabei zunehmend auf Geflügel aus Region statt auf Hühnchen- und Putenfleisch aus der Massentierhaltung setzen, die zudem auch noch Antibiotika enthalten können. Auch der Anteil von Bio-Produkten an der Schulverpflegung ist noch ausbaufähig, meint Hans-Peter Grimm:

    "Die Realität ist schon, dass ein Großteil der Lebensmittel über die Großmärkte eingekauft wird. Was regional läuft, sind im Prinzip Modelle. Das meiste läuft über den globalen Großhandel, kann man schon sagen, und nicht über die regionalen Anbieter."

    Was wiederum mit dem Kostendruck zusammenhängt - und der Beobachtung, dass viele Eltern für die Schulverpflegung bisher nicht allzu tief in die Tasche greifen wollten. Hier allerdings erkennt Susanne Nowitzki-Grimm eine Trendwende:

    "Es gibt einige Caterer, die wirklich 100 Prozent Bio anbieten. Und da ist es ganz erstaunlich, welche Wachstumsraten die in den letzten Jahren haben. Also: Wenn die keinen Absatz hätten, müssten die auch nicht expandieren. Und insofern ist dieser Trend zu mehr Qualität, zu mehr Nachhaltigkeit auf jeden Fall da."