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Gen-Scheren für RNA
Neues Werkzeug für die Krebstherapie?

Forscher in der Biomedizin, der Molekularbiologie oder der Gentechnik kommen nicht mehr an der Zauberschere Crispr/Cas vorbei. Mit Hilfe des Werkzeugs kann das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen ausgetauscht werden. Mit einer abgewandelten Version soll jetzt auch die RNA bearbeitet werden. Das könnte bei der Therapie gegen Krebs nützlich werden.

Von Michael Lange | 03.06.2016
    Schmatische Darstellung eines Crispr/Cas9 komplexes. Das klotzige Enzym zerschneidet mit einer "Anleitung" aus RNA einen Strang aus DNA. Forscher haben eine Möglichkeit gefunden auch RNA selbst zu schneiden.
    Dieser "CRISPR/CAS" Komplex (weiß) vom Bakterium "Streptococcus pyogenes" benutzt eine 'Anleitung' aus RNA (blau) um DNA zu schneiden (rot). Neuerdings lässt sich auch RNA selbst bearbeiten. (IMAGO / Science Photo Library)
    Die DNA ist ein Informationsspeicher für lebende Zellen. Damit das Erbmolekül seine Wirkung entfalten kann braucht es Mitspieler, die diese Information in biologische Aktivität verwandeln. Am wichtigsten ist der Bote: Die "messenger RNA". Sie ist chemisch ähnlich aufgebaut wie DNA, aber nicht so stabil. Die RNA übermittelt die Botschaften aus der DNA an den Rest der Zelle.
    Nachdem Forscher gelernt haben, die DNA mit Crispr/Cas nach Wunsch zu bearbeiten, wie mit einem Textverarbeitungsprogramm, wollen sie nun auch die RNA gezielt zerschneiden, verändern oder umschreiben.
    Das neue System ist ähnlich aufgebaut wie Crispr/Cas – erklärt Eugene Koonin von den staatlichen Gesundheitsinstituten der USA. Nur funktioniert es eben nicht für DNA, sondern für RNA.
    "Mit dem neuen Werkzeug verändern wir nicht die Erbinformation, sondern beeinflussen direkt die biologische Aktivität."
    Gleiches Prinzip wie bei DNA
    Das Prinzip ist das gleiche, wie bei Crispr/Cas. Ein Sucher lässt sich einfach programmieren, so dass er eine bestimmte RNA aufspürt. Er führt das Werkzeug an die richtige Stelle. Für den gezielten Schnitt ist dann ein Enzym verantwortlich. In diesem Fall eine RNAse namens "C2c2".
    Mit diesem Werkzeug können Forscher jede RNA in einer Zelle aufspüren und für eine bestimmte Zeit stilllegen. Das Erbmaterial der Zelle bleibt dabei unverändert.
    Wie bei Crispr/Cas haben sich die Wissenschaftler den Mechanismus von Bakterien abgeschaut. In diesem Fall bei der Spezies "Leptotrichia shahii". Das Bakterium wehrt sich mit C2c2 gegen die RNA von Phagen, die das Bakterium infizieren. In einem zweiten Schritt wendet sich das Enzym allerdings gegen jede RNA.
    "Das Enzym wird zu einer unspezifischen RNAse. Es zerschneidet dann nach und nach die gesamte RNA, mit der es in Kontakt kommt. Dadurch wird die Zelle getötet oder in einen dauerhaften Ruhezustand versetzt."
    Einsatz im Kamf gegen Krebs
    Diese Wirkung ist von den Wissenschaftlern natürlich nicht gewünscht. Denn sie wollen ja einzelne RNA-Moleküle gezielt verändern, ohne die Zelle zu schädigen. Um ihr Ziel zu erreichen, müssen sie das Enzym bremsen, bevor es der Zelle schadet. Bis das zufriedenstellend gelingt, steht den Wissenschaftlern noch etwas Arbeit bevor.
    Aber es gibt auch Anwendungen, bei denen diese radikale Wirkung vorteilhaft ist, meint Eugene Koonin. Als Therapie gegen Krebs.
    "Krebszellen bilden RNA-Moleküle, die in gesunden Zellen nicht vorkommen. Wenn wir unsere Schere gegen solche RNA-Moleküle richten, dann zerschneidet sie schließlich alle RNAs in dieser Krebszelle. Wir legen die Zelle lahm oder töten sie. Bei Krebszellen wäre das eine gute Idee."
    Ob der Plan praxistauglich ist, müssen weitere Experimente klären.